Die aktuelle Ausgabe von "Aus Politik und Zeitgeschichte" (
APuZ 48/2016) beschäftigt sich mit Frankreich und umfasst einen lesenswerten Beitrag von
Jean-Yves Camus mit dem Titel: "
An der Schwelle zur Macht? Der Front National zwischen Normalisierung und Isolation". Zur Einordnung der FN-
Programmatik schreibt der Autor:
"In der Tat steht der FN für einen identitären Populismus, der sich
antiparlamentarischer Allgemeinplätze bedient, indem er den "gesunden
Menschenverstand" des als organische Einheit definierten Volkes der
vermeintlichen Fehlentwicklung der Eliten entgegenstellt, die die
Demokratie in Beschlag genommen hätten. Das Konzept des Rassismus, das
eine Rangordnung der ethnischen Gruppen begründet, wird ersetzt durch
einen anderen Gegensatz: jener zwischen "uns", den "Urfranzosen", die
allein die historische Legitimation besitzen, sich auf französischem
Boden aufzuhalten, und "ihnen", den Immigranten und Ausländern im
Allgemeinen. Diese können allenfalls die französische Staatsbürgerschaft
erlangen, wenn sie kulturell europäisch geprägt sind und sich
assimilieren, was im Falle einer außereuropäischen Herkunft jedoch
selbst durch einen Willensakt nicht gelingen kann. Hinzu kommen der
ausgeprägte Souveränismus des FN, der sich im Bestreben äußert,
Frankreich aus der Europäischen Union herauszuführen, um insbesondere
die Kontrolle über die Staatsfinanzen und die Außenpolitik
wiederzuerlangen, sodass das Konzept des Nationalpopulismus die
Identität des FN heute am besten beschreibt."
Zu den
Wählern des FN führt Camus aus:
"Die am 6.
Dezember 2015 veröffentliche Studie "Régionales 2015: sociologie des
électorats et profils des abstentionnistes" des Markt- und
Meinungsforschungsinstituts IPSOS zeigt, dass der FN bei den
Regionalwahlen 2015 vor allem die unteren Bevölkerungsschichten anzog:
So stimmten im ersten Wahlgang 43 Prozent der Arbeiterschaft, 36 Prozent
der Angestellten sowie 36 Prozent der Wähler ohne Abitur für den FN.
Doch konnte die Partei auch einen großen Teil der Mittelschicht für sich
gewinnen: Rund 30 Prozent der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes
stimmten für den FN; darüber hinaus konnte er mit einem Stimmenanteil
von 35 Prozent bei Selbstständigen und Landwirten die traditionelle
Dominanz der Konservativen bei dieser Wählergruppe angreifen. Neu war
auch die starke Zustimmung unter leitenden Angestellten (17 Prozent) und
Absolventen eines "Bac+2"
oder eines höheren Bildungsabschlusses (23 Prozent). Dies erschüttert
den seit den 1980er Jahren gleichlautenden Befund einer negativen
Korrelation zwischen der Wahlentscheidung für den FN und dem
Bildungsabschluss."
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