- "Ich bin kein Feminist, weil ich Ideologien idiotisch finde!"
- "Ich bin keine Feminstin, weil ich auch ohne Gender Eier in der Hose habe!"
- "Ich bin kein Feminist, weil ich Vernunft über Genderwahn stelle."
Neben der Flüchtlingspolitik ist das Thema Geschlechter- und Familienpolitik ein beliebtes Themenfeld des rechten Randes in Deutschland. Mit dem Auftauchen von AfD und Pegida rückte der Diskurs um Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in den Vordergrund der gesellschaftlichen Diskussion. Sowohl in der Forschung als auch in der Öffentlichkeit verfolgt man das Auftauchen neuer rechter Gruppierungen.
Als Grund für deren Auftauchen führt man die Anpassung an die europäischen Entwicklungen auf. Seit Jahrzehnten entwickeln sich überall in Europa rechtspopulistische Kräfte. Gerne wird auch das Versagen der politischen Mitte angeführt, die eine Politik rechts von sich zugelassen hat. Man sieht zu Recht die Gefahr, dass menschenfeindliche Einstellungen zur Normalität werden könnten.
Diese Feindlichkeit richtet sich in rechtspopulistischen Parteien in erster Linie gegen Migranten und spätestens seit 9/11 auch gegen den Islam und Personen muslimischen Glaubens. Seit ca. 2012 kann man jedoch beobachten, dass auch das Thema Sexualität und Geschlecht (bzw. „natürliches Geschlecht“) zunehmend thematisiert wird (vgl. Siri 2015, S. 239 f.).
Vor allem durch moderne Kommunikationsmedien findet eine Vernetzung zwischen Parteien wie der AfD und sehr unterschiedlichen Gruppen (z.B. Männerrechtsgruppen, Lebensschützer, christlich-fundamentalistische Gruppen) statt, die sich in Sozialen Netzwerken, in Diskussionsgruppen und bei Demonstrationen organisieren (vgl. Siri, ebd.). Das gemeinsame Thema ist die Anti-Haltung gegenüber Gleichstellung und den emanzipativen Errungenschaften der Frauenbewegung. Diese Haltung ist nicht mehr nur als Anti-Feminismus zu bezeichnen, sondern wird von Sabine Hark und Paul-Irene Villa in ihrem gleichnamigen Buch als „Anti-Genderismus“ bezeichnet.
Dieser Beitrag wird sich damit auseinandersetzen, wie sich die Politik der AfD und ihre Forderungen hinsichtlich dieser Thematik gestalten. Dies geschieht anhand des Grundsatzprogramms der Partei und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Parteiströmungen der AfD in Anlehnung an die Einteilung in drei Parteiströmungen, die der Soziologe Andreas Kemper vornimmt.
In einem weiteren Schritt soll geklärt werden, wie der Anti-Genderismus die AfD und die Neue Rechte verbindet und rechte Ideologeme auf diese Weise anschlussfähig für die Mitte der Gesellschaft werden. Das stellt sich als schwieriger heraus als gedacht, da die AfD darauf achtet, Verbindungen zwischen der Partei und der Neuen Rechten abzustreiten bzw. zu vertuschen.
Es gibt dennoch Strömungen in der AfD und einige AfD-Politiker*innen, vor allem der nationalkonservativ-völkischen Parteiströmung, deren Aussagen eindeutig zum rechten Spektrum zugeordnet werden können. Die AfD beruft sich jedoch immer wieder darauf, dass dies die Aussagen Einzelner seien und nicht die Grundeinstellung der Partei widerspiegelte. Durch die Bemühungen der AfD, nicht mit der Neuen Rechten in Verbindung gebracht zu werden, ist es recht schwierig, ihr diese Verbindungen nachzuweisen. An welchen Stellen man jedoch Verknüpfungen finden kann, soll im weiteren Verlauf dieses Beitrags geklärt werden.
Anti-Genderismus - eine moderne Form des Antifeminismus
Im Sinne der Soziologin Imke Schmincke kann der Anti-Genderismus als eine aktuelle Form des Antifeminismus bezeichnet werden. Seit es den Feminismus gibt, gibt es auch eine entsprechende Gegenbewegung, die als Antifeminismus bezeichnet wird. Antifeminismus beschreibt dabei, nach Schmincke, spezielle Verhaltensweisen und Einstellungen, die den Errungenschaften der Frauenbewegungen und des Feminismus entgegenwirken wollen.
Anti-Genderismus aber richtet seine Argumente nicht mehr primär gegen Feminismus, sondern gegen den Begriff „Gender“. Vertrer*innen des Anti-Genderismus argumentieren sowohl in traditionellen Massenmedien, aber auch verstärkt in den modernen Kommunikationsmedien, gegen das von ihnen als „Gender-Wahnsinn“ abgewertete Gender-Mainstreaming. Geschlechterforschung oder Gender-Studies werden nicht als Wissenschaften akzeptiert und sprachlich durch die Bezeichnung „Gender-Ideologie“ herabgesetzt (vgl. Schmincke 2018, S. 30).
Mit dem Begriff Gender wird eine Fassung von Geschlecht verbunden, die nicht davon ausgeht, dass Geschlecht etwas naturgegebenes ist, dem man feste Eigenschaften zuschreiben kann. Der Begriff zielt auf die sozial, kulturell und historisch gewachsenen Aspekte von Geschlecht ab. Er überwindet dadurch die Auffassung, dass es naturgegebene Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt.
Aus wissenschaftlicher Perspektive beschäftigen sich die Gender-Studies mit dem Begriff Gender und dessen Bedeutung in der Hinsicht, dass sie „beschreiben, verstehen und erklären […], wie und als was Geschlechterdifferenz[en] kontextuell spezifisch gedeutet [werden] und für wen sie in welcher Form relevant [werden]“ (Hark und Villa 2015, S. 8).
Aus politischer Perspektive werden, vor allem im Kontext des Gender-Mainstreaming, Stereotype in Bezug auf Geschlecht hinterfragt. Politische Entscheidungen werden dahingehend überprüft, inwieweit sie diese Stereotype weitertragen. Der Anti-Genderismus wehrt sich dagegen in verschiedenen Kontexten, durch verschiedene Personen und Bewegungen, aufgrund verschiedener Beweggründe und unter Einsatz jeweils charakteristischer Mittel (vgl. Hark und Villa 2015, S. 8).
Zu den Akteur*innen des Anti-Genderismus gehören „Männerrechtsbewegungen, konservative Jornalist*innen, christlich-fundamentalistische Gruppierungen sowie rechtspopulistische bis rechtsextreme Bewegungen und Parteien“ (Schmincke 2018, S.32). Die Argumente, denen sich diese Akteur*innen bedienen, lassen sich dabei in zwei Argumentationsstränge aufteilen. Zum einen wird dem Gender-Mainstreaming vorgeworfen eine von der EU oder von Lobbygruppen gesteuerte, staatlich initiierte Gehirnwäsche zu sein, zum anderen wird versucht, die Gender-Studies dadurch als unwissenschaftlich zu delegitimieren, dass man sie als ideologisch und deshalb als Verschwendung von Steuergeldern bezeichnet (vgl. Schmincke 2018, S. 32).
Beide Argumentationsstränge finden sich entweder in der Programmatik oder in Form öffentlicher Aussagen von Mitgliedern auch in der AfD wieder. Auf diese Weise werden diese Überzeugungen inzwischen auf parlamentarischer Ebene vertreten. Positionen, die dem Anti-Genderismus entsprechen, lassen sich in allen Strömungen der Partei, im Parteiprogramm und bei ihren Parteimitgliedern wiederfinden. Wie sich das genau gestaltet, soll nun aufgezeigt werden.
Anti-Genderismus im Grundsatzprogramm der AfD
In den folgenden zwei Abschnitten wird das Grundsatzprogramm der AfD hinsichtlich geschlechterpolitischer Positionen und Forderungen diskutiert. Dabei muss darauf hingewiesen werden, dass das Programm die Positionen der AfD deutlich gemäßigter formuliert, als Einzelaussagen von AfD-Mitgliedern oder Aussagen der AfD in den sozialen Medien formuliert sind. Von Seiten der AfD gibt es eine große Zahl an „Beiträgen, die sich gegen die fortschreitende Emanzipation und Gleichstellung von Männern und Frauen positionieren“ (Siri 2016, S. 70), die jedoch einer eher gemäßigten Parteiprogrammatik gegenüberstehen (vgl. ebd.). Kemper stellt zu dieser Thematik fest, dass Parteiprogramme immer einen Kompromiss zwischen den eigentlichen Positionen und Forderungen einer Partei und den zum Zwecke der Wählbarkeit der Partei abgeschwächten Positionen und Forderungen darstellen. Potentielle WählerInnen sollen schließlich nicht abgeschreckt werden (vgl. Kemper 2016a, S. 2).
Das Bekenntnis der AfD zur „traditionellen Familie“
Was im Parteiprogramm unter der Überschrift „Familie und Kinder“ festgehalten wird, beginnt mit folgender Aussage, die auf der Titelseite des Abschnitts besonders hervorgehoben wird:
„Insbesondere Ehe und Familie garantieren als Keimzellen der bürgerlichen Gesellschaft den über Generationen gewachsenen gesellschaftlichen Zusammenhalt und genießen daher zu Recht den besonderen Schutz des Staates" (AfD 2016, S.40).Die Ehe und Familie wird als Garant für den Fortbestand der bürgerlichen Gesellschaft dargestellt. Ehe und Familie ist für die AfD dabei jedoch nur, was dem traditionellen Familienbild der Partei entspricht. Nämlich eine Familie, in der „Mutter und Vater in dauerhafter gemeinsamer Verantwortung für ihre Kinder“ (AfD 2016, S. 41) sorgen. Diese „gemeinsame Verantwortung“ sieht nicht vor, dass Kinder im Sinne des „‘Gender-Mainstreaming‘-Projekts“ (ebd.) in Krippen und Ganztagsschulen betreut werden, sondern tatsächlich zuhause und möglichst von ihren „Vollzeit-Mütter[n]“ (AfD 2016, S. 43) (vgl. AfD 2016, S.41 ff.).
Nicht erwähnt im angestrebten traditionellen Familienbild und im Parteiprogramm unter der Überschrift „Familie und Kinder“ sind Alleinerziehende oder gar gleichgeschlechtliche Paare. Alleinerziehende werden nur insofern im Parteiprogramm erwähnt, als sie finanziell unterstützt werden müssen, da „dieses Lebensmodell in der Regel gravierende Nachteile für alle Beteiligten, insbesondere aber für die betroffenen Kinder mit sich bringt“ (AfD 2016, S. 44).
Es wird die Aussage gemacht, dass das Lebensmodell "alleinerziehend mit Kind" für die AfD weder fortschrittlich noch erstrebenswert ist. In diesem Zuge wird nochmals betont, dass Familien aus Vater, Mutter und Kindern einen besonderen Wert haben und deshalb auch besonders zu unterstützen sind (vgl. ebd.). Trotz der Tatsache, dass die AfD Alleinerziehenden das Zugeständnis finanzieller Unterstützung macht, scheint es, als wäre das Familienleitbild der „traditionellen Familie“ das langfristig zu erstrebende und am höchsten gewertete Familienkonzept für die AfD.
Wie sich das von der AfD vertretene Konzept der „traditionellen Familie“ darauf auswirkt, welche Rolle den Geschlechtern zugeschrieben wird, klärt sich im nächsten Abschnitt. Auffallend ist dabei, dass in dem Programm als Geschlecht ausschließlich Mann und Frau erwähnt werden. Die Tatsache, dass es Menschen gibt, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen, oder dass es gleichgeschlechtliche Paare gibt, würdigt die AfD in ihrem Parteiprogramm mit keinem Wort. Lediglich an einer Stelle erwähnt sie Homo- und Transsexualität, allerdings nur, um an dieser Stelle die sogenannte „Gender-Ideologie“ zu kritisieren (vgl. AfD 2016, S.54).
Eine „traditionelle Familie“ mit „traditionellen Geschlechterrollen“
Nicht nur in ihrem Familienbild, sondern auch in ihren geschlechtsspezifischen Rollenvorstellungen innerhalb der Familie positioniert sich die AfD sehr konservativ. An den Stellen, an denen das Parteiprogramm über die private Betreuung von Kindern spricht, erwähnt sie eben nicht „Hausmänner“ bzw. „Vollzeit-Väter“, sondern nur „Hausfrauen“ und „Vollzeit-Mütter“, die laut AfD von einem „falsch verstandenen Feminismus“ (AfD 2016, S.41) diskriminiert und finanziell benachteiligt werden. Die Rolle der Hausfrau wird also laut der AfD nicht ausreichend wertgeschätzt.
Von einer freien Wahl der Erziehungsaufgaben unabhängig des Geschlechts ist im Grundsatzprogramm der AfD nichts zu lesen. Im Gegenteil scheint es der AfD nur darum zu gehen, „traditionelle Geschlechterrollen“ zu stärken, die dazu führen, dass primär Frauen die Erziehungsaufgaben zugeschrieben werden (vgl. Kemper 2016a, S. 6). Die AfD scheint also kein Interesse an der Emanzipation der Frau zu haben, eine Gleichstellung zwischen den Geschlechtern anzustreben, und die Berufstätigkeit der Frau bzw. Doppelverdiener-Familien werden abgelehnt.
Schuld daran, dass es zunehmend berufstätige Frauen gibt und dadurch zunehmend die Kinderbetreuung außerhalb der Familie stattfindet, ist für die AfD nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die „Stigmatisierung traditioneller Geschlechterrollen“ (AfD 2016, S. 41) durch das „‘Gender-Mainstreaming‘-Projekt“(ebd.).
„Gender-Mainstreaming“ und „Gender-Ideologie“ sind Begriffe, die im Parteiprogramm häufig fallen und als Grund für viele Übel aufgeführt werden. So soll die „Gender-Ideologie“ (AfD 2016, S. 55) laut AfD „naturgegebene Unterschiede zwischen den Geschlechtern“ übergehen. Die AfD sieht in ihr eine Gefährdung der „traditionellen Wertvorstellungen und spezifischen Geschlechterrollen in den Familien“ (ebd.).
Die Bezeichnung der Unterschiede zwischen den Geschlechtern als naturgegeben lässt im Umkehrschluss darauf schließen, dass die AfD alles, was nicht ihrer Auffassung von Geschlechteridentität entspricht, als unnatürlich begreift. Die Partei kritisiert, dass das klassische Rollenverständnis von Mann und Frau in gesellschaftlichen Umerziehungsprogrammen in Erziehungs- und Bildungsinstitutionen mit staatlicher Förderung gezielt korrigiert werde (vgl. ebd.).
Damit sind vermutlich unter anderem die Reformen im Sexualkundeunterricht im Zuge des Bildungsplans von 2015 in Baden-Württemberg gemeint. Zudem impliziert die AfD, dass es eine „einseitige Hervorhebung der Homo- und Transsexualität“ (AfD 2016, S. 54) und eine „ideologische Beeinflussung durch das ‚Gender-Mainstreaming’“(ebd.) gebe. Gegen diese „Gender-Ideologie“ setzt die AfD ihre eigene ideologische Vorstellung von der „traditionellen Familie“, die sie sich als ihr Leitbild auserkoren hat (vgl. Kemper 2016a, S. 7).
Die Parteiströmungen der AfD und ihr Anti-Genderismus
Der Soziologe Andreas Kemper benennt drei Parteiströmungen innerhalb der AfD. Die „Interessenvertretung des nicht-monopolistischen Kapitals" (Verbände von Familienunternehmen), die „klerikal-aristokratische“ und die „nationalkonservativ-kleinbürgerliche Klassenfraktion“ (Kemper 2016b, S. 81). Diese Strömungen befinden sich seit der Gründung der AfD im Jahr 2013 in einem stetigen Kampf. Die geschlechterpolitischen Positionen der AfD variieren zwischen diesen Parteiströmungen, allerdings sind sich die Klassenfraktionen in einem Punkt von Beginn an einig: Der sogenannte „Gender-Wahn“ müsse ein Ende haben (vgl. Kemper 2016b, S. 81f.).
Die Parteiströmung der AfD, die das nicht-monopolistische Kapital vertritt, steht den Familienunternehmerverbänden und ihren Forderungen nahe. Sie vertreten Kapitalinteressen und gleichzeitig eine heteronormative Familienpolitik. Anders als große Konzerne wehren sich Familienunternehmerverbände gegen Diversity-Programme und sehen in ihnen eben keine unternehmerisch wirksamen Vorteile.
Die Verbände wehren sich gegen Gleichstellungsmaßnahmen und Quotenpolitik. Zu den Verbänden gehören auch Unternehmerverbände in kirchlicher Trägerschaft und die evangelische Nachrichtenagentur Idea, die zum Beispiel intensiv über die „Demo für alle“ gegen den Bildungsplan 2015 in Stuttgart berichtete. Außerdem verlieh die Agentur der geschlechterkonservativen Lebensschutzaktivistin Hedwig von Beverfoerde die Auszeichnung „politische Christin des Jahres“, die zu Beatrix von Storchs (AfD-Politikerin) Netzwerk Zivile Koalition gehört (vgl. Kemper 2016b, S. 84ff.). Hier wird deutlich, dass es durchaus auch Überschneidungen zwischen den einzelnen Strömungen gibt.
Die Zivile Koalition und die Christen in der AfD (ChrAfD, früher Pforzheimer Kreis) sind zentrale Netzwerke für die klerikal-aristokratische Strömung der AfD. Sie bemühen sich, religiöse Hierarchien wieder einzuführen, die eine Unterwerfung des Individuums befördern und somit eine Grundlage schaffen für hierarchische Gesellschaftsstrukturen. Diese Bestrebungen wirken sich auch auf deren geschlechterpolitische Konzeptionen aus. Beide Netzwerke werden im Weitern noch einmal gesondert betrachtet, da sie eine zentrale Rolle dafür spielen, wie die AfD über solche Netzwerke mit der Neuen Rechten verbunden ist. Ein paar kurze Zitate aus den jeweiligen Internet-Auftritten können jedoch erste Eindrücke vermitteln.
Die ChrAfD auf ihrer Facebookseite zur Ehe für alle: „Bei der "Ehe für alle" geht es bei Weitem nicht um die Abschaffung von Diskriminierungen, die eine militante Homo-Lobby hinter jeder Straßenecke vermutet“ (Bundesvereinigung ChrAfD 2017). Und die Zivile Koalition in ihrer Agenda über die Familie: „Die Ehe zwischen Mann und Frau muss als Institution für den Staat Vorrang haben vor anderen Lebensgemeinschaften“ (Zivile Koalition).
Die dritte Strömung, die nationalkonservativ-kleinbürgerliche, lässt sich hinsichtlich ihres Anti-Genderismus in zwei Lager aufteilen. Zum einen diejenigen, die noch an eine wechselseitige Ergänzung von Mann und Frau glauben, jedoch großen Wert auf Bevölkerungspolitik legen. So bekennt sich die AfD zum Beispiel als Teil der „Anti-Choice-Bewegung“, obwohl sie keine quantitative Bevölkerungspolitik vertritt (vgl. Kemper 2016a, S. 5).
Und zum zweiten diejenigen, die Männer als Opfer des Feminismus sehen und sich durch ihn benachteiligt fühlen. Diese Position deckt sich mit den Positionen des Maskulismus und der Männerrechtsbewegung, die „Männer als Opfer eines übermächtigen Staatsfeminismus sehen“. Personen wie zum Beispiel der Blogger Akif Pirinçci, der auch als Pegida-Redner auftritt, oder Magazine wie zum Beispiel das Magazin „Junge Freiheit“ unterstützen durch ihre Online-Publikationen diese Art des Anti-Genderismus. Pirinçci ist als Gast häufiger zu Besuch auf AfD-Veranstaltungen und wurde mit Melanie Schneider, Mitglied der AfD und des AfD-Jugendverbandes Junge Alternative, auf einer Veranstaltung der rechtspopulistischen FPÖ gesehen (Kemper 2016b, S. 92f.). Hier deuten sich personelle Verbindungen zwischen der AfD und rechten Akteur*innen an. Nach einem Versuch, die Neue Rechte zu definieren, sollen solche Verbindungen der AfD genauer betrachtet werden.
Die „Neue Rechte“ – Annäherung an eine Definition
Wer genau zur Neuen Rechten zählt und wie sich dieser Begriff definiert, darüber sind sich verschiedene Autoren uneinig. Manche nehmen eine zeitliche Abgrenzung vor, um den Begriff zu fassen, andere eine ideologische. Die Vielfalt der verschiedenen Zuschreibungen des Begriffs machen es dementsprechend schwer, ihn zu fassen.
Die Neue Rechte bezieht sich, im Gegensatz zur Alten Rechten, nicht mehr auf den Nationalsozialismus und organisiert sich auch nicht mehr in Parteien, sondern findet andere Formen, sich zu organisieren. Man könnte sie auch als Erneuerungsbewegung sehen. Eine neue Form des Rechtsextremismus, die nicht mehr unter dem Schatten des Nationalsozialismus steht. Sie setzt sich aus Gruppen und Bewegungen zusammen, die sich Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre von der Alten Rechten abgespaltet haben, sich gegen die Ideen der 68er-Bewegung stellen und sich ideologisch an der „Konservativen Revolution“ anlehnen.
Dabei nimmt die Neue Rechte zwar Abstand von Hitler, vertritt aber trotzdem faschistische und rechtsextreme Ideologien. Sie ist eine Grauzone und muss gerade deshalb in ihrem Charakter genau erfasst und beobachtet werden (vgl. Bruns, Glösel et al. 2016, S. 27 ff.). Laut Maren Brandenburger, Präsidentin des niedersächsischen Verfassungsschutzes, ist diese Grauzone in den letzten Jahren größer geworden, und es wird immer schwieriger, zwischen Rechtsextremismus, rechtspopulistischem und bürgerlichem Protest zu unterscheiden, vor allem beim Thema Einwanderungspolitik (vgl. Brandenburger 2016).
Rainer Benthin schlägt deshalb vor, dass man die Neue Rechte als etwas dynamisches betrachtet, nämlich sowohl als zunehmende Radikalisierung des konservativen Spektrums als auch der Modernisierung des rechtsextremen Spektrums. Dabei sollte der Anteil der Konservativen an der Neuen Rechten näher betrachtet werden und nicht wie bisher hauptsächlich der rechtsextreme Rand. Dies könnte dazu führen, dass konservative ProtagonistInnen, die dieselben Ideologien vertreten, unbeobachtet bleiben. Einige AutorInnen sehen die Neue Rechte deshalb auch als eine Grauzone zwischen radikalisiertem Konservativismus und einem Rechtsextremismus, der sich modernisiert und intellektualisiert hat mit Verbindungen in jeweils beide Richtungen (vgl. ebd.).
Ende der 1980er Jahre erlangte der Begriff Neue Rechte im Zuge einer „Europäisierung des Rechtsextremismus“ an Aktualität. Globalisierung, Migration, hohe Arbeitslosigkeit, abnehmende staatliche Sozialleistungen und schlechte Arbeitsmarktbedingungen haben dem Rechtsextremismus fruchtbaren Boden beschert und ihm sowohl in wirtschaftlich-sozialem als auch in politisch-kulturellem Kontext neue Erfolgschancen geschenkt. Sichtbar wird das zum Beispiel an den Erfolgen des Front National (FN) oder der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ).
So wird in Deutschland auch die Politik der AfD durch eine gut vernetzte jüngere Generation der Neuen Rechten ideologisch beeinflusst (vgl. Stöss). Auf diese Weise fassen rechtsextreme Ideologien auf eine neue Art und Weise Fuß in der Gesellschaft. Und so waren die Erfolge der AfD und das Entstehen der Pegida-Bewegung die Gelegenheit für Protagonist*innen der Neuen Rechten, wie zum Beispiel Götz Kubitschek, vor einem deutlich größeren Publikum als bisher ihre Ideen zu verbreiten.
Es haben sich Gruppierungen gebildet, die es der Neuen Rechten ermöglicht haben, eine neue gesellschaftliche Bühne für die Verbreitung ihrer Ideologien zu nutzen. Die Neue Rechte verwendet als Mittel für die Verbreitung ihrer Politik Zeitschriften und die sozialen Medien im Netz. Ein Leitmedium ist dabei das Magazin „Junge Freiheit“, das ebenfalls von den Erfolgen der AfD profitiert und inzwischen einer inoffiziellen Parteizeitung gleicht. Die politischen Vorstellungen der Neuen Rechten gelangen durch ihren Einfluss und ihre Verbindungen zur AfD in das Parlament und gewinnen in Teilen der Gesellschaft zunehmend an Zustimmung (vgl. Weiß, S.26).
Durch das Aufzeigen thematischer Überschneidungen bezüglich des Themas Anti-Genderismus sollen diese Verbindungen zwischen AfD und Neuer Rechter im nächsten Abschnitt unter die Lupe genommen werde. Es wird betrachtet, ob und wie Anti-Genderismus, neben der Flüchtlingspolitik, als eine Art verbindendes Element zwischen rechten Akteur*innen fungiert.
Anti-Genderismus als Scharnier zwischen AfD und Neuer Rechter
Um nachvollziehen zu können, wie antifeministische Angriffe auf Gender von der extremen Rechten Anschluss an die bürgerliche Rechte findet und somit zunehmend salonfähiger wird, muss man einen Blick zurück darauf werfen, wie sich der Diskurs um Gender und Gender-Mainstreaming entwickelt hat.
Im Sommer 2006 startete die extreme Rechte erste Angriffe gegen Gender, indem sie an den breit zitierten Artikel der Frankfurter Allgemeinen anknüpfte, der Gender-Mainstreaming als „politische Geschlechtsumwandlung“ bezeichnete. Kampagnen unter anderem gegen Frauenquoten, gleichgeschlechtliche Ehen und die frühkindliche Sexualaufklärung folgten. Es gelang den Rechtsextremisten, Gender zu einem umfassenden Feindbild zu machen.
Anti-Genderismus, wie er heute in unserer Gesellschaft zu finden ist und in diesem Beitrag definiert wurde, ist kein ausschließliches Phänomen des Rechtsextremismus, sondern wird von einer heterogenen Gruppe verschiedenster Akteur*innen und Organisationen, die unter diesem gemeinsamen Feindbild vereint sind, vertreten. Der Diskurs um Gender bietet so Anknüpfungspunkte für vielfältige Akteur*innen, wodurch sich zeigt, dass geschlechterpolitische und familienpolitische Themen als Scharnier bzw. „symbolic glue“ (symbolischer Klebstoff) zwischen extremer Rechter und bürgerlicher Rechter fungieren (vgl. Lang 2015, S. 16).
Themen um Körper, Sexualität und Geschlecht werden von Rechtspopulisten und Rechtsextremisten als Bühne für die Verbreitung rechter und völkischer Ideologien genutzt. Patriarchale Dominanz und gesellschaftliche Normierung werden als notwendige Schritte im Kampf gegen den „Gender-Terror“ verkauft. Dabei werden das Unbehagen und Vorurteile aufgegriffen, die sich auch in konservativen Kreisen der gesellschaftlichen Mitte finden lassen.
Auf diese Weise findet sich Zustimmung zu solchen Ideologien nicht mehr nur bei einer kleinen Gruppierung von Maskulisten, sondern sie finden vermehrt Anschluss an die gesellschaftliche Mitte (vgl. Von Bargen, Unmüßig 2018). Dabei spielt die AfD als parlamentarische Vertretung solcher Ideologien eine große Rolle für die zunehmende gesellschaftliche Akzeptanz dieser Geschlechter- und Familienpolitiken.
Auch die AfD ist symbolisch über das Thema Gender mit Akteur*innen und Gruppierungen der Neuen Rechten verbunden. In ihrem Parteiprogramm benennt sie Maßnahmen des Gender-Mainstreamings als Gefährdung von „traditionellen Wertvorstellungen“ und behauptet, durch die „einseitige Hervorhebung der Homo- und Transsexualität” im Schulunterricht fände eine ideologische Indoktrination der Kinder statt. Die AfD sieht also in Homo- und Transsexualität sowie Gender-Mainstreaming eine Gefahr für die traditionelle Familie und für das, was Frauke Petry als „aktive Bevölkerungspolitik“ bezeichnet.
Die AfD fordert „mehr Kinder statt Masseneinwanderung“ (AfD, S. 41), um den demografischen Entwicklungen entgegenzuwirken. Meint damit aber vornehmlich Kinder deutscher und einkommensstarker Gesellschaftsschichten. Sie schlägt vor, „mittels einer aktivierenden Familienpolitik eine höhere Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung“ zu erzielen und hält dies für die „mittel- und langfristig einzig tragfähige Lösung“ (ebd.) Der Schwangerschaftsabbruch wird im Parteiprogramm negativ konnotiert und auch einige bekannte AfD-Politiker engagieren sich in der Lebensschutz-Bewegung.
Vergleicht man diese Aussagen der AfD mit Geschlechter- und Rollenbildern, die sich in der Neuen Rechten finden, so entdeckt man einige Parallelen. Für die Neue Rechte befindet sich Deutschland bzw. Europa in einer existenzgefährdenden Krise, die durch eine Dekadenz der Gesellschaft befördert wird. Diese Dekadenz wird vor allem in einer Krise der Männlichkeit gesehen. Homosexualität gefährdet aus der Sicht eines neurechten Weltbilds diese Männlichkeit und sieht darin den Grund für die geringen Geburtenzahlen, die das deutsche Volk angeblich dem Untergang weihe (vgl. Bruns, Glösel et al. 2016, S. 199 ff.).
Die AfD spricht zwar nicht direkt von einer Krise der Männlichkeit im Parteiprogramm, doch gibt sie ähnlich wie die Neue Rechte unter anderem alternativen Lebensformen die Schuld dafür, dass die traditionelle Familie gefährdet ist. Von solch einer Dekadenz spricht auch Björn Höcke, den Andreas Kemper der nationalkonservativ-völkischen Parteiströmung zuordnet, wenn er eine 3-Kind-Ehe als Leitbild fordert. Diese Form der Ehe müsse “von einer politischen Elite‘ gegen den ‚Zeitgeist der Dekadenz‘ postuliert und vorgegeben werden“ (Kemper 2016a, S. 13).
Höcke steht mit seinen Aussagen sehr nahe an der von der Neuen Rechten beklagten Verweichlichung der Männer, wenn er mehrfach betont, dass eines der Probleme Deutschlands die verlorengegangene Männlichkeit sei (vgl. Kemper 2016a, S. 16). Er erinnert mit dieser Aussage an die von der Neuen Rechten beklagte Krise der Männlichkeit (vgl. Bruns, Glösel et. al 2016, S. 201).
Die Neue Rechte positioniert sich aufgrund der angeblich existenzgefährdenden demografischen Krise außerdem strikt gegen Schwangerschaftsabbrüche, womit eine weitere Parallele zur AfD festzustellen ist. Die AfD spricht sich in ihrem offiziellen Programm zwar nicht offen gegen Abtreibung aus, aber personelle Überschneidungen zu Lebensschutzinitiativen und christlich-fundamentalistischen Gruppierungen zeigen, wie die AfD gegenüber Schwangerschaftsabbrüchen positioniert ist.
Vor allem in der klerikal-aristokratischen Strömung sind Verbindungen zur Lebensschutz-Bewegung festzustellen. So beteiligt sich die ChrAfD zum Beispiel an Demonstrationen gegen einen Stuttgarter Arzt, der Abtreibungen durchführt. Gegründet wurde die ChrAfD von Volker und Martina Kempf. Martina Kempf ist Vorsitzende der Aktion Lebensrecht für alle. Beide stehen in engem Kontakt zu Beatrix von Storch, deren Netzwerk Zivile Koalition ebenfalls geschlechterkonservative Positionen vertritt und in Verbindung zu den „Märschen für das Leben“ und der „Demo für alle“ gebracht wird (vgl. Kemper 2016a, S.10ff.).
Die Lebensschutz-Bewegung ist auch mit Parteien und Organisationen der Neuen Rechten verzahnt, womit sich zeigt, dass die AfD sich auch beim Thema Schwangerschaftsabbruch in denselben Netzwerken bewegt wie die Neue Rechte (vgl. Jentsch, S. 101). Es muss hier allerdings darauf hingewiesen werden, dass die ChrAfD ihre politischen Erfolge hauptsächlich auf regionalpolitischer Ebene verzeichnet (Baden-Würrtemberg und Sachsen), sich aber auf der Bundesebene nicht richtig durchsetzen kann. Es muss sich also noch zeigen, wie viel Einfluss diese Strömung der Partei gewinnen wird und ob sie sich langfristig auch auf der Bundesebene etablieren kann.
Bezüglich der Verbindung der Lebensschutz-Bewegung zur Neuen Rechten spricht Ulli Jentsch über ein sogenanntes Zitierkartell, das zusammenarbeitet, sich gegenseitig stärkt und durch gegenseitige Erwähnung in den Medien zu höheren Auflagen verhilft. Gemeint sind damit die hier bereits erwähnten Medien wie beispielsweise die Junge Freiheit und die Nachrichtenagentur Idea, für die auch AfD-Politikerin Martina Kempf schon publiziert hat (vgl. Jentsch, S. 104 f.).
Auch die nationalkonservativ-bürgerliche Strömung hat Berührungspunkte mit der Neuen Rechten. Kemper teilt diese Parteiströmung nochmals in einen realpolitischen Flügel, zu denen er zum Beispiel Beatrix von Storch (Zivile Koalition), Alexander Gauland und Frauke Petry zählt, und in einen fundamentalistischen Flügel, dem er unter anderem Björn Höcke zuordnet. Diese Teilung ist der Einteilung der Neuen Rechten nachempfunden, die in einen konservativen (z.B. Junge Freiheit) und in einen neurechten (z.B. Sezession und Götz Kubitschek) Flügel geteilt wird.
Dabei stellt Kemper heraus, dass die fundamentalistische Neue Rechte deutlich aggressiver antifeministisch auftritt, und macht das an Björn Höckes Aussagen fest, wie zum Beispiel, dass Gender-Mainstreaming eine Geisteskrankheit sei. Höcke stellt dem Gender-Mainstreaming eine "natürliche" Geschlechterordnung gegenüber und hält die Sexualpädagogik, wie sie von den Grünen und der SPD vorgeschlagen wird, für pervers (vgl. Kemper 2016b, S. 94).
Wenn Höcke von "natürlichen Geschlechterrollen" spricht und das Parteiprogramm sowie führende AfD-Politiker Aussagen treffen, die darauf schließen lassen, dass Familien- und Bevölkerungspolitik Hand in Hand gehen, dann erinnert das an die Geschlechter- und Rollenbilder der Neuen Rechten (vgl. Kemper 2016b, S.93 & AfD, S. 40 ff.). Nach Ansicht der Neuen Rechten ist Feminismus Gleichmacherei und wirke gegen die natürliche Bestimmung der Frau, die die Rolle der Mutter und Hüterin der Familie hat und damit für den Fortbestand des Volkes zuständig ist. Emanzipationsbestrebungen passen nicht zu dieser „natürlichen“ Rolle der Frau, und die Gleichberechtigung der Frau liegt für die Neue Rechte darin, dass sie dieser Rolle gerecht wird und dadurch als Retterin der Nation gelobt wird (vgl. Bruns, Glösel et al. 2016, S. 201f.).
Führt man sich vor Augen, dass die AfD von „natürlichen Geschlechterrollen“ spricht, die Berufstätigkeit von Frauen ablehnt und fordert, dass Kinder zuhause betreut werden und nicht in staatlichen Einrichtungen, in denen sie „Frühsexualisierung“ (AfD, S. 55) und „staatlich geförderte[n] Umerziehungsprogramme[n]“ (AfD ebd.) ausgesetzt seien, so erinnert dies an ein Familien- und Rollenbild, wie es auch in rechten Gruppierungen zu finden ist. Andreas Kemper bringt die AfD deshalb in Verbindung mit der Neuen Rechten und stellt heraus, dass vor allem die geschlechterpolitischen Positionen von Björn Höcke sehr nahe an rechtsextremen Positionen sind (vgl. Kemper 2016b, S. 94).
Dennoch scheint man sich in Fachkreisen nicht einig zu sein, inwieweit man die AfD mit der Neuen Rechten in Verbindung bringen kann. Vor allem weil die AfD nicht offen verfassungsfeindlich agiert, was jedoch in den Augen des Verfassungsschutzes ein wichtiges Charakteristikum dafür ist, eine Partei oder Bewegung der Neuen Rechten zuordnen zu können (vgl. Bruns, Glösel et al. 2016, S. 30).
Fazit
Die Anti-Gleichstellungsbewegung beherbergt eine sehr heterogene Zusammensetzung an Gruppierungen, die von rechtsradikalen Akteur*innen über national-konservative Gruppen bis zu christlichem Aktivismus reichen. Diese „intensive Zirkulation von Themen und Personen und die Gleichzeitigkeit ganz unterschiedlicher ideologischer/weltanschaulicher Fundamente“ (Siri 2015, S. 241) macht es schwer, die Entwicklung anti-genderistischer Themen und Kampagnen genau zu beobachten, aber genau deswegen umso notwendiger.
„Anti-genderistische“ Vorurteile und Ressentiments, wie sie sich in der AfD finden, dürfen nicht zur Normalität werden. Auch wenn diese selbst noch nicht als rechtsextremistisch bezeichnet werden können, bestimmen sie doch die Erfolgschancen rechtsextremistischer Ideologien (vgl. Brandenburger 2016). Anti-Genderismus fungiert dabei als ein Scharnier zwischen bürgerlicher und extremer Rechter und verbindet auch die AfD über antiemanzipatorische Netzwerke sowohl inhaltlich als auch personell mit der Neuen Rechten.
Akteur*innen und Gruppierungen der Neuen Rechten sympathisieren mit der AfD, und einzelne AfD-PolitikerInnen sympathisieren mit der Neuen Rechten. Diverse Auftritte von Akteur*innen der Neuen Rechten auf AfD-Veranstaltungen sowie die gegenseitige Erwähnung in sozialen Netzwerken und Blogs zeigen, dass diese Verbindungen bestehen, auch wenn die AfD sich bemüht, dies abzustreiten. Sie bestätigen, dass gemeinsame Themen als bindende Elemente fungieren und rechtsextremistische Positionen auf diesem Weg zunehmend an gesellschaftlicher Akzeptanz gewinnen.
Literatur
Bruns, Julian; Glösel, Kathrin; Strobl, Natascha (2016): Die Identitären. Handbuch zur Jugendbewegung der Neuen Rechten in Europa. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Münster: UNRAST.
Imke Schmincke (2018): Frauenfeindlich, Sexistisch, Antifeministisch? Begriffe und Phänomene bis zum aktuellen Antigenderismus. In: APuZ 68 (17), S. 28–33.
Notz, Gisela (2015): Kritik des Familismus. Theorie und soziale Realität eines ideologischen Gemäldes. 1. Auflage. Stuttgart: Schmetterling Verlag (Theorie.org).
Kemper, Andreas (2016a): Geschlechter - und familienpolitische Positionen der AfD. Gegner*innenaufklärung- Informationen und Analysen zu Antifeminismus. Gunda-Werner-Institut, 31.5.2016. Online verfügbar unter http://www.gwi-boell.de/sites/default/files/uploads/2016/08/input_keimzelle_der_nation_afd_andreas_kemper_endf_0.pdf, zuletzt geprüft am 27.09.2018.
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Quellen
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Stöss, Richard (2016): Die "Neue Rechte" in der Bundesrepublik. Hg. v. bpb. Online verfügbar unter http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/229981/die-neue-rechte-in-der-bundesrepublik, zuletzt geprüft am 27.09.2018.
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Zivile Koalition e.V.: Agenda. Online verfügbar unter https://www.zivilekoalition.de/agenda/, zuletzt geprüft am 27.09.2018.
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