Montag, 22. Januar 2018

Rezension zu Volker Weiß: Die autoritäre Revolte

Weiß, Volker (2017), Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes, Klett-Cotta.

Rezension

Autorin: Pia Stelzmüller

Der im Jahr 1972 geborene Volker Weiß studierte Literaturwissenschaft, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Hamburg. 2009 promovierte er als Historiker mit einer Monographie über Arthur Moeller van den Bruck. Aktuell ist er als Forscher sowie als freier Publizist für Zeit, taz und Frankfurter Rundschau tätig.

In seinem im Jahr 2017 erschienenen Buch „Die autoritäre Revolte: Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes“ beschreibt Weiß auf 305 Seiten, in der ersten Hälfte größtenteils nüchtern, zum Ende hin subjektiver, die Entwicklung der „Neuen Rechten“ innerhalb Europas, speziell aber in Deutschland. Der Autor geht dabei auf die antiliberale Haltung ein und gibt dem Leser einen Einblick in die wichtigsten Presseorgane der Rechten mit einigen interessanten Hintergrundinformationen.

Als Schlüsselfiguren für die Entwicklung der Neuen Rechte nennt Weiß den Verleger und Aktivisten Götz Kubitschek, den Sozialdemokraten Thilo Sarazzin (Autor des Buches „Deutschland schafft sich ab“), den Staatstheoretiker Arthur Moeller van den Bruck sowie den Staatsrechtler Carl Schmitt.


Zu Beginn wird die Beziehung der Zeitungen Sezession, Junge Freiheit und Blaue Narzisse zur deutschen Rechten thematisiert, auch die Alternative für Deutschland stützt sich auf diese. Weiß definiert die Neue Rechte als eine Strömung, die teilweise nationalsozialistisches Gedankengut wieder aufnimmt.

Ein eigenes Kapitel ist dem Schweizer Publizisten Armin Mohler gewidmet, dessen Buch der Autor als den Schlüssel zum Verständnis der Neuen Rechten bezeichnet (S. 39) und welches in Kubitscheks Verlag erschien. Es wird der Lebenslauf Mohlers beschrieben, wie er als zunächst linksradikal Eingestellter ab 1970 als rechtskonservativer Journalist Zeitschriften wie „criticón“ mitbestimmte.

Weiß geht auf die Gründung der AfD ein und legt auch hier ein Hauptaugenmerk auf die Presseorgane Sezession und Junge Freiheit und fragt, welche Auswirkung diese auf die Parteigründung hatten. Durch sorgfältige Recherche wird erklärt, wie man zuerst den Kurs der CDU mit einer Rechtsverschiebung ändern wollte und - als dieser Versuch misslang - wie sich schließlich die AfD im Jahr 2013 in der deutschen Parteienlandschaft mit Themen wie Islamisierung und Anti-Euro etablierte. Hierbei wird auch auf die Zusammenarbeit mit anderen rechtspopulistischen Parteien aus Europa wie der Lega Nord eingegangen.

Aufgrund von Sozialen Medien wie Facebook ist es für Gruppen wie die Identitäre Bewegung leichter, auf sich aufmerksam zu machen, und so werden auch kleinere Proteste, wie am Brandenburger Tor, von einer relativ großen Zahl an Personen wahrgenommen. Diese Bewegung wird mit der in Frankreich agierenden Jeunesses Identitaires und weiteren Gruppierungen bis hin zum Front National verglichen. Die Gruppen werben ihre Mitglieder mit oft verwendeten sophistischen Stilmitteln aus der Antike und sind wahre Wortverdreher, die wissen, wie man Mythen erfolgreich zur Mobilisierung einsetzt.

Die Anfänge der rechten Bewegung PEGIDA in Dresden liegen, laut Weiß, beim Vorreiter HOGESA in Köln. Dort kam es zu schweren Ausschreitungen zwischen Hooligans und Salafisten. Unter dem Motto „Abendspaziergang“ veranstaltete die Bewegung mit zeitweise 15.000 Menschen jeden Montag Proteste. Sie wollte damit ein Zeichen gegen die Islamisierung setzen und schaffte im Osten Deutschlands eine „neue Wut“ (vgl. S. 141).

Die etwas verzögerte Zusammenarbeit mit der AfD brachte zunächst Erfolg, mit diesem kam es jedoch auch zu Auseinandersetzungen aufgrund unterschiedlicher Ansichten, und einige Personen kehrten der Partei und der rechten Bewegung den Rücken zu. Die beiden sehen sich als „geheimes Deutschland“ (vgl. S. 152), welches für alle zugänglich gemacht werden solle, um gemeinsam gegen den abendländischen Untergang durch den Islamismus anzukämpfen.

Der Begriff „Abendland“ wird ausführlich erklärt, ebenso seine Entwicklung. Er findet seinen Ursprung im Heiligen Römischen Reich und entwickelte sich anschließend in der Renaissance weiter. Während im Ersten Weltkrieg der abendländische Begriff in Deutschland nicht gern gehört wurde, da man sich nicht zum Westen dazuzählen wollte, wurde er im Kalten Krieg als eine Art „Kriegsbegriff“ genutzt und ist kurzzeitig sogar zur nationalen Mobilisierung an der Front eingesetzt worden. Heutzutage wird der Begriff im Kontext von Europaablehnung gebraucht. Für die Neue Rechte ist die Begriffsbezeichnung „Abendland“ ein Europa für Anti-Europäer und dieser Begriff findet sich auch in der Präambel des Parteiprogramms der AfD, welche sich damit zum Islam abgrenzen will.

Weiß macht auf ein Merkmal der Rechten, das Denken in Großräumen, aufmerksam. Vor allem Russlands Rechte wolle mit der Rechten aus Deutschland für eine Stärkung Europas enger zusammenarbeiten, auch um der „Übermacht“ Amerika etwas entgegenzusetzen. In ganz Europa ist die Rede von Raumpolitik und die EU mit ihrer multikulturellen Gesellschaft wird als Feind betrachtet. Das Feindbild der Rechten wandelte sich in der Historie: Früher richtete sich der Hass gegen Amerika, heute werden vorrangig der Kulturaustausch durch Einwanderung und der Islam als Gegenspieler angesehen, mit der Begründung, man habe die amerikanische Kultur in Deutschland verinnerlicht, nicht aber den islamischen Lebensstil (vgl. S. 220).

In Deutschland vollzog sich unter anderem durch das 2011 erschienene Buch Thilo Sarazzins "Deutschland schafft sich ab" ein politischer Wandel: Der aufstrebenden Rechten stellte sich keine Seite wirksam gegenüber, die bestehende Linke war zu schwach. Der Autor appelliert, es sei für alle Demokraten an der Zeit, aus der „Komfortzone des Schweigens auszubrechen“. Die alte Regel scheint Realität zu werden: Die Stärke der Rechten resultiert aus der Schwäche ihrer Gegner (vgl. S. 241). Der Historiker ruft am Ende zum Kampf gegen diese Entwicklung auf. Dieser kann jedoch nur durch enorme Anstrengung zu einem Sieg, der Etablierung der Emanzipation, führen.

Das Buch, über insgesamt neun Kapitel, bietet eine ausführliche, faktengesättigte Analyse der Vielschichtigkeit der Neuen Rechten. Es ist auch für Personen geeignet, die sich bisher noch nicht so sehr in das Thema eingelesen haben. Meiner Meinung nach ist der Band leicht verständlich und logisch aufgebaut. Es werden historisch wichtige Ereignisse herangezogen, um den Verlauf verständlicher darzustellen. In der ersten Hälfte fällt die Sprache leider sehr sachlich aus, man wird nicht in den „Bann des Buches“ hineingezogen und will weiterlesen. Das ändert sich in der zweiten Hälfte, in welcher der Autor die gewählten Themen lebendiger darstellt.

Nach dem Lesen dieses Buches fühlt man sich zum Thema Neue Rechte auf alle Fälle tiefgründig informiert, und es ist all denjenigen zu empfehlen, die sich mit dieser aktuellen und brandgefährlichen Entwicklung intensiver befassen und die Wurzel des Übels verstehen möchten.

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