Samstag, 13. Januar 2018

Rezension zu Phillip Becher: Rechtspopulismus

Becher, Phillip (2013), Rechtspopulismus, PapyRossa.

Rezension

Autor: Matthias Hartmann

In dem 2013 im PapyRossa Verlag erschienenen Buch „Rechtspopulismus“ gibt der Autor Phillip Becher einen groben Überblick über diesen Themenbereich. Becher ist 1987 geboren, Sozialwissenschaftler und arbeitet derzeit an der Universität Siegen.

Für einen solchen generellen Überblick werden im ersten Kapitel zuerst einmal Begriffe wie „Rechtsextremismus“, „extreme Rechte“ oder auch „Rechtsradikalismus“ definiert und erklärt. Dafür zieht der Autor verschiedene Definitionen von anderen Autoren wie Eckhard Jesse oder Christina Kaindl heran und vergleicht diese miteinander. So sieht beispielsweise Jesse den politischen Extremismus als „Antithese des demokratischen Verfassungsstaats“ (S. 11). Becher kommt aufgrund dieser Definitionen zu dem Schluss:
„Rechtsextremismus bezeichnet also ein bestimmtes Kontinuum von Strömungen, in das sich verschiedene Politikangebote (wie eben der Faschismus als „Skalenende“, aber eben auch der Rechtspopulismus) einordnen.“ (S. 17).
In Folge einer solchen Definition der grundlegenden Begriffe und einer Zuordnung des Rechtspopulismus wird nun der Begriff und der Gegenstand von diesem beschrieben und eingeordnet. Dabei wird die Frage gestellt, ob Rechtspopulismus tatsächlich eine eigenständige Ideologie ist, oder ob es sich doch nur um „eine Art Inszenierungs- und Agitationsstil beziehungsweise eine Form der Politikansprache handelt“ (S. 17).



Um diese Frage beantworten zu können wird im Buch zuerst die Struktur des Rechtspopulismus betrachtet. Diese zeichne sich vor allem durch einen „Appell an das Volk“ oder den „gemeinen Mann“, die Pflege von Feindbildern in vertikaler (Anti-Eliten) aber auch in horizontaler Richtung (kulturalistisch-differentialistische Orientierung), aber auch durch einen bewegungsförmigen Organisationscharakter und einer, in der Regel vorhandenen, charismatischen Führerfigur aus.

Becher führt auch auf die Frage, ob der Rechtspopulismus als eine eigene Ideologie aufgefasst werden kann, wieder unterschiedliche Aussagen von verschiedenen Autoren auf und vergleicht diese. Dabei sind die Meinungen zum Teil sehr unterschiedlich. Während Joachim Bischoff und Bernhard Müller den Rechtspopulismus als eine „Reaktionsform auf Modernisierungen innerhalb des Kapitalismus“ (S. 21) begreifen, wodurch keine gemeinsame Ideologie anzunehmen ist, werden von Marc Helbling zentrale ideologische Elemente der rechtspopulistischen Parteienfamilie wie folgt angegeben:
„Erstens bekämpfen sie den sozialen Wandel, der die Neuen Linken hervorbrachte. Sie stellen dabei die Legitimität politischer Entscheidungen in Frage, die auf liberalen Werten und kosmopolitischen Einstellungen basieren. Zweitens, und wichtiger, setzen Rechtspopulisten neue Themen auf die politische Agenda. Die entwickeln einen neuen Diskurs, der vor allem die Themen Immigration und Integration in supranationale Gebilde betrifft“ (S. 23).
Zusammenfassend sieht Becher in Bezug auf Reinhard Opitz vor allem den häufig vorhandenen Ethnopluralismus und eine „Postulierung angeblich gemeinsamer Interessen von Angehörigen derselben Nation oder Kultur gegenüber „Fremden“ [...]“ (S. 25) (Alleinvertreteranspruch) als konkrete Elemente rechtspopulistischer Parteien. Am Ende sieht Becher die Definition des Begriffs Rechtspopulismus folgendermaßen:
„Zusammenfassend kann Rechtspopulismus als eine in das Kontinuum des Rechtsextremismus einfügende und in Wechselwirkungen mit anderen rechten Strömungen stehende Bewegung verstanden werden, die sich anschickt, eine „parlamentsfähige Massenbasis für administrativ-autoritäre Politik“ im Spannungsfeld „zwischen Partei und Sammlungsbewegung“ herausstellen.“ (S. 25f).
Somit ordnet Becher Rechtspopulismus eindeutig dem Rechtsextremismus zu, geht aber nicht direkt von einer zentralen Ideologie aus. Aufbauend auf dieser Definition betrachtet Becher nun in den weiteren Kapiteln die Geschichte des Rechtspopulismus in Europa und in den USA sowie dessen Gegenwart in einzelnen Ländern.

Das beginnt mit einer Betrachtung des Proto-Rechtspopulismus nach dem Zweiten Weltkrieg, die hauptsächlich am Beispiel Frankreich vorgenommen wird. Der dortige Poujadismus richtete sich zwar hauptsächlich gegen eine angeblich unverhältnismäßige Steuerlast, die von der Mittelschicht getragen werden müsse, beinhaltete aber auch eine „antisemitische Rhetorik“, wodurch Becher hier einen Vorläufer des modernen Rechtspopulismus in Europa sieht.

In Abgrenzung zu diesen meist eher unpopulären „Bewegungen“ (vgl. S. 37) befasst sich das Buch mit dem Entstehen des „neuen Rechtspopulismus“ in ausgewählten Ländern. So wird vor allem darauf Bezug genommen, aus welchen politischen Motivationen und Richtungen die Parteien entstanden sind, die dem rechten Populismus zugeordnet werden.

So entstand in Dänemark mit der Fortschrittspartei eine „Anti-Steuern-Protestpartei“, die zunehmend eine „Anti-Immigrations-Haltung“ einnahm, während in Frankreich der Front National aus den traditionellen Rechten Frankreichs hervorging. Zusätzlich werden auch Österreich, Italien und Belgien näher betrachtet, wobei Belgien mit dem nach Unabhängigkeit Flanderns strebenden Vlaams Block noch einmal ein weiteres politisches „Herkunftsmotiv“ bietet.

Zusätzlich beschäftigt sich Becher mit der Verbindung zwischen Neoliberalismus und  Rechtspopulismus. Dies kann laut ihm besonders gut an der „Bewegung“ um den ehemaligen Gouverneur von Alabama, George Corley Wallace, beobachtet werden, die unter anderem durch den „Red Scare“ (vgl. S. 50) als ein Wegbereiter des Neoliberalismus aufgefasst wird.

In den weiteren Abschnitten des Buches thematisiert Becher noch die einzelnen für den Rechtspopulismus bedeutenden Parteien in Europa. Dabei wird auf Ungarn, aufgrund der Tatsache einer rechtspopulistischen Regierung durch die Fidesz, besonders gründlich eingegangen. In Deutschland werden hingegen vor allem die „pro-Bewegungen“, wie pro-Köln, sowie pro-NRW und pro-Deutschland, sowie die Partei die FREIHEIT betrachtet und deren politischer Weg beschrieben. Zudem wird auf die damals noch als „Anti-Euro-Partei“ gegründete AfD eingegangen, die zu dieser Zeit zwar das Potential und erste Strukturen einer populistischen Partei darstellte, allerdings noch nicht alle am Anfang definierten zentralen Elemente einer rechtspopulistischen Partei aufwies (vgl. S. 86f.). Auch hier wird wieder eine Verbindung zwischen dem Rechtspopulismus und dem Neoliberalismus beleuchtet.

Zum Abschluss bezieht sich Becher auf eben diese Verbindung, dass der Rechtspopulismus häufig als Gegenstück zum Neoliberalismus und den damit einhergehenden Folgen der Globalisierung verstanden wird, dieser Form des Kapitalismus aber seiner Ansicht nach den Weg bereitet hat. Zudem erklärt er das Erstarken des Rechtspopulismus unter anderem durch die „sozialdemokratische Adaption des Neoliberalismus" (S. 96), wodurch der „klassische ökonomische Konflikt“ immer mehr von einem „soziokulturellen Konflikt“, bei dem es um Werte und Themen wie zum Beispiel Integration geht, abgelöst wird. Laut dem Soziologen Klaus Dörre trage dies zu einem stärkeren „reaktiven Nationalismus“ bei (vgl. S. 98).

Zusammenfassend meint Becher, dass Rechtspopulismus als eine „politische Bewegung“ verstanden wird, „die eine Massenbasis für administrativ-autoritäre Politik sammelt“ (S. 104). Dabei sind nicht nur neoliberale wirtschaftliche Vorstellungen, sondern auch ein gesellschaftspolitischer Antiliberalismus und zum Teil auch Ideologeme der neuen Rechten, wie der Ethnopluralismus, zentrale Bestandteile des Rechtspopulismus.

Abschließend bin ich der Meinung, dass das Buch einen sehr guten Überblick über den Themenbereich gibt. Es zeigt zudem mit dem Fokus auf die Verbindung zwischen dem Rechtspopulismus und dem Neoliberalismus eine interessante Betrachtungsweise. Allerdings sollte beachtet werden, dass in dem Buch die Meinung und Bewertung des Autors stark hervorsticht, wobei es trotzdem sehr lesenswert ist, aber keinen komplett objektiven Überblick bietet.

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