Mittwoch, 10. Januar 2018

Rezension zu Mudde / Rovira Kaltwasser: Populism - A Very Short Introduction

Mudde, Cas / Rovira Kaltwasser, Cristóbal (2017), Populism - A Very Short Introduction; Oxford University Press.

Autorin: Annabell Bühler

Cas Mudde, niederländischer Politikwissenschaftler und Extremismus-Forscher, der in den USA lehrt, und Cristóbal Rovira Kaltwasser, ebenfalls Politikwissenschaftler, der im Moment an der Diego Portales Universität in Chile lehrt, behandeln in ihrem 2017 erschienenen Buch „Populism - A Very Short Introduction“ den aufstrebenden Populismus in Nord-, Süd-, und Mittelamerika und in Europa.

In sechs Kapiteln befasst sich das Buch mit diversen Fragen, unter anderem damit, was Populismus ist, wie er sich definieren lässt und wie man die Beziehung zwischen Demokratie und Populismus beschreiben kann. Das Werk erklärt des Weiteren das Phänomen „Populismus“ auf der ganzen Welt, versucht nahezubringen, wie Populismus mobilisiert, schildert „die“ populistische Führungsperson und tastet sich an liberal-demokratische Antworten auf den Populismus heran.


Mudde und Rovira Kaltwasser leiten das komplexe Thema „Populismus“ sehr behutsam ein. Sie klären den Leser / die Leserin zunächst auf, dass es keine „reine Form“ des Populismus gibt, sie diese Bewegung aber als Ideologie bezeichnen, welche die Gesellschaft letztendlich als gespalten wahrnimmt und in zwei homogene und antagonistische Gruppen aufteilt. Zum einen ist das „das wahre Volk“, zum anderen „die korrupte Elite“. Diese zwei Gruppen sind auch Teil der drei Kernkonzepte, die der „Volkswille“ abrundet.

Dass der Populismus ein modernes Phänomen ist, legen die Autoren im zweiten Kapitel nahe. Eng mit der damals aufstrebenden Demokratie verbunden, ist er im späten 19. Jahrhundert entstanden, die Hauptakteure sind in Nordamerika (zuerst die Yeomen Farmer, heute die „Tea Party“), Europa (seit den späten 1990er Jahren eine treibende politische Kraft) und Lateinamerika (aus sozioökonomischen Gründen heraus aus der Weltwirtschaftskrise entstanden und eher politisch links anzusiedeln) zu finden. Doch der Populismus ist nicht nur eine politische Erscheinung auf diesen drei Kontinenten. Auch in Australien und Neuseeland, Asien und Afrika (besonders in Ägypten und Libyen) konnte er Einzug halten.

Wie der Populismus die Masse mobilisiert, wird im nachfolgenden dritten Kapitel erklärt. Um erfolgreich zu mobilisieren, so erklären es Mudde und Rovira Kaltwasser, braucht man eine charismatische Führungsperson, eine soziale Bewegung mit einem frame und eine politische Partei.

Die bereits genannte Führungsperson (auch wenn man sie nicht stereotypisieren kann) ist eine tragende Säule, um die Masse zu mobilisieren und das Sprachrohr für die vox populi, die Stimme des Volkes, zu werden. Oftmals ist die Führungsperson männlich und gibt sich, besonders in Ländern des Machismo, als einfachen, sogar vulgären man of action. Frauen, die in populistischen Strömungen die Führung übernehmen, nutzen meist ihr Geschlecht, um den „Außenseiterstatus“ zu unterstreichen oder preisen sich als „gute, authentische Frauen“, indem sie ihre Rolle als Ehefrau oder Mutter in den Vordergrund stellen. Wirtschaftsunternehmer/-innen haben es in dieser Hinsicht schwerer, sich zu verkaufen, denn sie gehören zur verhassten Elite. Dennoch versuchen sie sich als ehrliche, self-made Businessmen (oder -women) darzustellen und beschwören, ihr Vermögen TROTZ der korrupten Politiker aufgebaut zu haben.

Populismus, so argumentieren die Autoren im fünften Kapitel, ist nicht nur demokratisch, er ist sogar abhängig von der Demokratie. Mit der liberalen Demokratie ist er jedoch uneins und deshalb auch eine Gefahr für die Form der Demokratie, wie wir sie kennen. Denn:
“As it [populism] tends to distrust any unelected institutions [e.g. the judiciary or the media] that limits the power of the demos, populism can develop into a form of democratic extremism or, better said, of illiberal democracy.“ (S. 82)
Das letzte Kapitel befasst sich mit den Ursachen des Populismus und damit, wie man am besten auf populistische Strömungen reagiert. Populismus kommt zum Vorschein, wenn das Gefühl besteht, dass die eigene Gesellschaft (und auch die eigene Kultur) bedrängt werde. Wut über die aktuelle politische Situation oder die „Trägheit“ des politischen Systems können auch mögliche Auslöser von Populismus sein.

Cas Mudde und Cristóbal Rovira Kaltwasser weisen abschließend darauf hin, dass man auf die populistische Herausforderung nicht überreagieren, sondern die Forderungen der Populisten schwächen sollte. In Zentral- und Südamerika wären das die Vermeidung von Korruption und die Stärkung der staatlichen Ämter und Gesetze. In Europa sollte man auf klarere und wahrheitsgetreuere Aussagen der „Mainstream-Parteien“ achten und weiter auf die politische Bildung der Bürger bauen, um populistischen Einstellungen vorzubeugen. Der beste Weg sei aber der offene Dialog. Nicht nur, um die populistischen Behauptungen besser verstehen zu können, sondern um auch liberal-demokratische Antworten zu finden.

Diese kurzweilige, 118 Seiten umfassende Lektüre gibt einen sehr guten, schnellen und informativen Überblick über das komplexe Thema „Populismus“, von dem selbst fachfremde Personen profitieren. Die kurzen, übersichtlich strukturierten Kapitel machen das Thema greifbar und verständlich. Besonders gut gefällt mir, dass man nicht nur über populistische Strömungen in Europa und Nordamerika informiert wird, sondern auch über Formen des Populismus in Asien, Afrika, Australien und in Latein- und Südamerika. Jedoch muss man bedenken, dass es sich hierbei um eine, wie der Titel schon sagt, sehr kurze Einführung handelt. Tiefergehende Analysen wird man in diesem Buch nicht finden. Trotzdem: "Populism - A Very Short Introduction" sollte eine Pflichtlektüre in Zeiten des Populismus sein.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen