Dienstag, 28. September 2021

Rechtspopulismus als Politik mit der Wut

In diesem Beitrag stellt Janis Rosenfelder folgenden Aufsatz vor:

Jaschke, Hans-Gerd (2019): Politik mit der Wut: Wie der Rechtspopulismus mit Emotionen die Demokratie bedroht; in: Außerschulische Bildung: Zeitschrift der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung 2/2019, S. 20-26, online unter: https://www.adb.de/download/publikationen/190522_ab_2-2019_web.pdf.

Der Politikwissenschaftler Hans-Gerd Jaschke vertritt in dem Zeitschriftenartikel den Standpunkt, dass der Rechtspopulismus nicht nur zentrale demokratische Errungenschaften, wie zum Beispiel die repräsentative Demokratie und die Abgrenzung zum Nationalsozialismus, bedroht, sondern auch grundlegende Werte, unter anderem die Kompromissbereitschaft infrage stellt. Diese Tendenzen und Bedrohungen betreffen natürlich auch die politische Bildungsarbeit.

Zunächst betont Jaschke, dass die politische Arbeit im 21. Jahrhundert, insbesondere durch den immer größer werdenden Einfluss der Medien, untrennbar mit Emotionen verbunden ist und dass Wählerstimmen nicht allein durch überlegene Argumente gewonnen werden. Die Bedeutung der Emotionen im politischen Prozess wird in Form des „Wutbürgers“ auch im alltäglichen Sprachgebrauch deutlich.

Die Emotionalisierung des politischen Geschehens findet im Wort des Jahres von 2010, dem „Wutbürger“, einen Höhepunkt. Ein „Wutbürger“ fühlt sich durch den Wandel hin zu einer globalisierten Welt existentiell bedroht und ist über den vorherrschenden Politikkurs empört. Im Laufe der 2010er-Jahre traten sie in Form von Bewegungen, wie zum Beispiel Pegida, zunehmend mit Rechtsextremisten und auch Rechtspopulisten medial in Erscheinung.

Durch die große mediale Präsenz ist es „AfD, Pegida und anderen Gruppen […] auf der Basis anhaltend autoritärer, fremdenfeindlicher und demokratiekritischer Einstellungen gelungen, das politische Klima in Deutschland zu verändern“ (S. 21), wobei insbesondere die Emotionalisierung und eine aggressive Rhetorik hervorzuheben sind.

Der schnelle Aufstieg lässt nach Jaschke die These zu, dass aggressive Politikstile gepaart mit sozialen Ängsten einen stärkeren Einfluss auf die Wählerschaft haben als rationale Argumente. Diese aggressive Rhetorik wird in der rechtspopulistischen Praxis in der Regel mit anti-elitären („Die da oben!“; „Volksverräter!“) und anti-pluralistischen Inhalten verknüpft und offensiv vorgetragen, wobei die Kritik wichtiger als die eigenen Inhalte erscheint.

Die Konfrontation zwischen den Eliten („Die da oben!“) und dem sogenannten Volk („Wir da unten!“) emotionalisiert den politischen Prozess nicht nur, sondern vereinfacht diesen auch, wodurch das Bild vermittelt wird, dass zum Teil einfachste Antworten auf komplexe Bereiche ausreichen würden. Dies verdeutlicht noch einmal die Gefahr einer abnehmenden Bedeutung von rationalen Lösungsansätzen. Des Weiteren werden dadurch Verschwörungstheorien Tür und Tor geöffnet.

Ein weiterer Effekt der Emotionalisierung, in Form des Ideals der „Volksgemeinschaft“, ist das Infragestellen des Grundprinzips der parlamentarischen Demokratie, da diese nach rechtspopulistischem Verständnis eben nicht vom „Volk“ sondern von „Eliten“ geführt werde. Die anti-elitäre Grundausrichtung ist somit auch eine offene Ablehnung des Parlamentarismus.

Außerdem schürt die anti-pluralistische Ausrichtung Ängste und fördert die Abgrenzung gegenüber allem, was nicht der eigenen sogenannten „Volksgruppe“ entspricht. Hierbei dominieren offensichtlich wieder nicht sachliche Argumente, sondern emotionale Aspekte, wie zum Beispiel das Gefühl der Zugehörigkeit.

Diese emotionalisierte politische Praxis zielt wohl hinsichtlich der Wählerschaft hauptsächlich auf frustrierte Bürger*innen ab und spricht direkt deren Ängste und Befürchtungen an. Beispielhaft dafür stehen unter anderem die sogenannten „Globalisierungsverlierer*innen“ und die „Wendeverlierer*innen“. Dabei wird auch deutlich, dass rechtspopulistische Akteure mehr als alle anderen von den selbst aufgegriffenen Krisen profitieren und auch von diesen abhängig sind.

Die Gefahr des Rechtspopulismus wird nach Jaschke auch durch das Aktiv-Werden des Verfassungsschutzes in Bezug auf die AfD deutlich, da mit ihr eine Partei in den Bundestag und in die Länderparlamente eingezogen ist, welche nicht in Gänze auf der Grundlage des Grundgesetzes steht. Viel schlimmer wiegt laut Jaschke aber, dass mit der AfD die politische Kultur als Ganzes verschoben werden könnte: So wird Politik, wie der Titel vermuten lässt, zunehmend emotionalisiert und der gesamtgesellschaftliche Zusammenhalt wird durch ein starkes Freund-Feind-Denken ins Wanken gebracht.

Hinsichtlich des Umgangs plädiert Jaschke für einen dialogischen Ansatz, das heißt, dass die Sorgen und Ängste rechtspopulistischer Wähler und auch Themen, welche von rechtspopulistischen Akteuren aufgeworfen werden, ernst genommen werden müssen und eben nicht primär verdrängt und sofort abgelehnt werden sollten.

Dieser dialogische Ansatz ist eng mit der politischen Bildung verbunden, die für die Wahrung demokratischer Werte, welche zum Teil von rechtspopulistischen Akteuren infrage gestellt werden, unersetzbar bleibt. Allerdings darf dabei der repressive Ansatz, zum Beispiel in Form des Verfassungsschutzes, nicht außer Acht gelassen werden und die parlamentarische Demokratie muss wehrhaft bleiben.

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