Hillje, Johannes (2017), Propaganda 4.0. Wie rechte Populisten Politik machen, Dietz.
Rezension
Autorin: Ina-Marie Schnelle
In seinem 2017 veröffentlichen Buch „Propaganda 4.0“ versucht Johannes Hillje zu erörtern und zu erklären, mit welchen Kommunikationsstrategien rechte Populisten versuchen, uns zu beeinflussen, und in was für einem Verhältnis sie dabei zu verschiedenen Medien stehen. Insbesondere geht er dabei auf die AfD ein, aber auch andere europäische Parteien werden zum Vergleich herangezogen.
Johannes Hillje wurde 1985 geboren und hat an der London School of Economics einen Master in Politics and Communication und an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz einen Magister in Politikwissenschaft und Publizistik gemacht. Seitdem hat er viel Arbeitserfahrung gesammelt, indem er im Kommunikationsbereich der Vereinten Nationen in New York, oder in der heute.de-Redaktion des ZDF tätig war. Er arbeitete auch als Wahlkampfmanager der europäischen Grünen Partei bei der Europawahl 2014. Momentan ist er Politikberater in Brüssel und schreibt einen Blog namens www.RettetdieWahlen.eu.
Laut eigener Aussage lenkt das Buch den Fokus auf die Frage, „mit welchen Mitteln es dem Populismus gelingt, aus den heutigen gesellschaftlichen Verhältnissen politisches Kapital zu schlagen“ (S. 10). Um darauf eine Antwort zu finden, hat Hillje das Buch in drei Teile aufgeteilt. Er startet mit einem Intro, in dem er einen groben Überblick über den Inhalt des Buchs und seine wesentlichen Punkte gibt. Im ersten Teil, den er „Das Rennen nach rechts“ nennt, analysiert er, mit welchen Mitteln rechte Populisten Einfluss auf die Politik nehmen. Im zweiten Teil, „Propaganda 4.0“, geht es darum, wie rechte Populisten verschiedene Medien nutzen und in was für einem Verhältnis sie zu ihnen stehen. Im dritten und letzten Teil, „Demokratie 4.0“, werden Tipps, wie man rechtem Populismus entgegentreten kann, gegeben.
Den ersten Teil beginnt Johannes Hillje mit einem kritischen Blick auf die allgemeine Situation in Europa. Hillje behauptet dabei, dass die Populisten den Begriff „Pro-Europa“ verschoben hätten. Man sei entweder für Europa oder für den Austritt, Träume wie die Vereinte Staaten von Europa würden dabei weit in Ferne. Er weist auch auf die Fraktion „Europa der Nationen und der Freiheit“ (ENF) des Europaparlaments hin, in der verschiedene rechtspopulistische Parteien Europas gemeinsam im Europaparlament gegen Europa kämpfen.
Hillje erörtert dann, warum es keinen guten Populismus geben kann. Das läge daran, dass Populismus eine Ideologie sei, die zum einen immer anti-elitär und noch viel schlimmer anti-pluralistisch ist. Diese Abgrenzung sei wichtig, da viele den Begriff Populismus momentan für eine bestimmte Kommunikationsstrategie nutzen würden, was falsch sei. Da Populisten aber dennoch einen ganz charakteristischen Sprachgebrauch aufweisen, geht er als nächstes darauf ein.
Er behauptet, die AfD würde durch sprachliche Grenzüberschreitungen, wie zum Beispiel Rehabilitation von Begriffen aus dem Wortschatz des dritten Reichs, nicht nur die Grenzen des Sagbaren, sondern auch die Normalität versuchen zu verschieben. Als Mittel dazu würden häufig Frames, sprachliche Bilder, die Assoziationen im menschlichen Gehirn aufrufen, verwendet werden.
Als Beispiel dafür nennt er zum einen den Begriff der „Flüchtlingswelle“, der das Bild einer Naturkatastrophe, die wir mit Zerstörung und Verwüstung verbinden, aufruft. Er geht daraufhin nochmal auf die Verschiebung des Normalen ein. Er sagt, durch das Übernehmen der AfD-Frames in den alltäglichen Sprachgebrauch, egal ob in einem negativen oder positiven Kontext, würden sie immer mehr in den Köpfen verankert werden. Als Beispiel nennt er, dass Schulz bei einer TV-Debatte zur Bundestagswahl 2017 selber das Wort „Flüchtlingswelle“ verwendet hat. Dasselbe gelte für die Berichterstattung der Medien über die AfD.
Provokant fragt Hillje „Haben die Medien die AfD hochgeschrieben?“ (S. 48). Denn durch die ständige Berichterstattung sei der AfD viel Aufmerksamkeit zuteil geworden. Diese hohe Frequenz an Berichterstattung käme dadurch zustande, dass die AfD sich durch bewusste Provokation immer wieder zu einem Thema machen würde.
Besonders kritisch ist Hillje auch gegenüber der Qualität der Berichterstattung, denn der Fokus würde viel zu sehr auf persönlichen Skandalen statt auf politischen Inhalten liegen. Aber die Presse versuche damit Leserzahlen zu generieren. Dasselbe gilt für andere Politiker wie zum Beispiel Schulz. Als Fazit zieht Hillje, dass die AfD die Grenzen der Sagbaren und der Normalität nicht alleine, sondern mit Hilfe der Medien und anderer Parteien verschoben habe.
Daraufhin will er aufzeigen, dass die AfD nicht nur Sprache, sondern auch konkretes politisches Handeln beeinflusst. Laut Hillje täte das die AfD nicht, indem sie Regierungsverantwortung übernimmt, sondern indem sie Regierungsparteien verändert, die sich an der Sprache der AfD und an deren Themen, wie der Markenkern der Flüchtlingskrise, orientieren. Die Folge davon sei, dass dadurch politisch alles rechts und links der Mitte ein Stück mehr nach rechts gerückt ist. „Die AfD hat ein Rennen nach Rechts gestartet und alle laufen mit“ (S.72), sagt Hillje ganz konkret.
Im zweiten Teil will Johannes Hillje die vier strategischen Elemente erläutern, mit denen die AfD uns und die klassischen Medien beeinflusst. Das erste Element sei dabei die Delegitimierung klassischer Medien. Zum Beispiele habe die AfD den Begriff der „Lügen-Presse“ aus dem Wortschatz der NS-Zeit rehabilitiert. Ein besonderer Dorn im Auge seien der AfD dabei die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF. Die GEZ solle am liebsten abgeschafft und die Mittel gekürzt werden, wodurch unabhängige Berichterstattung viel schwieriger werden würde.
Verschiedene Studien hätten gezeigt: Immer weniger Menschen vertrauen den klassischen Medien und deren Berichterstattung. Auffällig sei, dass besonders die AfD-Wähler die klassischen Medien ablehnen. Über soziale Medien versuche die AfD deswegen eine alternative Informationsquelle zu bieten, was das zweite Element sei. Bei der Schaffung parteieigener Medien, wie der Facebook-Seite, habe sich die AfD besonders an der österreichischen FPÖ orientiert, wie Hillje feststellt. Die meisten Partei-Medien seien online zu finden, und besonders die sozialen Medien würden dabei einen sehr hohen Stellenwert einnehmen.
Auf Facebook habe die AfD überproportional viele Follower, die Facebook-Seite stelle das wichtigste Alternativmedium dar. Dreimal täglich würden neue Posts eingestellt werden, die in ihrem Aufbau an Boulevardzeitschriften erinnern würden. Themen würden dabei in ein AfD-Framing gepackt werden. Hillje wirft der AfD allerdings vor, dabei oft Falschaussagen zu tätigen.
Das dritte Element sei die Schaffung eines digitalen Volks. Soziale Medien ermöglichen ein sogenanntes „Mikro-Targeting“, man bekomme das angezeigt, für das man sich zuvor schon interessiert hat. Inhalte würden also automatisch an die passende Zielgruppe vermittelt werden. Laut Hillje haben die Altparteien die Chance der sozialen Medien lange nicht erkannt und ernst genommen, wodurch die AfD diesen Bereich für sich erobern konnte.
Ein anderer Vorteil, den die sozialen Medien bieten, sei, dass sie Vernetzung ermöglichen. Man kann miteinander kommunizieren und sich direkt unter Beiträgen austauschen, das stärke das Wir-Gefühl und schaffe Gemeinschaft. Hillje analysiert, dass man sich dadurch, dass man immer ähnliche Inhalte angezeigt bekommt und sich nur mit Gleichgesinnten austauscht in einer sogenannten Filter-Blase befinde, man bekäme Dinge nur noch einseitig mit.
Das letzte Element sei die Abgrenzung zum politischen Gegner mithilfe der Massenmedien. Die Massenmedien würden nicht mehr als unabhängige Berichterstatter, sondern als Bühne für sorgsam geplante Provokation, verwendet werden. Die AfD nutze alternative Medien, um sich in den Massenmedien zum Gesprächsthema zu machen. Dabei ständen die Medien und die AfD in Wechselwirkung zueinander. Leser werden angezogen, wodurch Einnahmen und Aufmerksamkeit entstehen.
Im dritten Teil „Demokratie 4.0“ greift Hillje nochmal den Punkt auf, dass das Wort Populismus falsch verwendet werden würde und ruft dazu auf, sensibler damit umzugehen. Man solle lieber auf das Wort „charismatisch“ zurückgreifen und auf den eignen Sprachgebrauch achten und Frames vermeiden und aufdecken.
Ein anderer Tipp, den Johannes Hillje gibt, ist den Tabubruch nicht nur den Populisten zu überlassen. Tabubruch sei dabei allerdings nicht Provokation, sondern die Ehrlichkeit, alle Themen offen anzusprechen und Fehler einzugestehen, dies geht besonders an Politiker. Hillje hebt nochmal die Position von Europa als Feindbild der Rechtspopulisten hervor. Seiner Meinung nach benötige es eine gestärkte europäische Identität, die sich dem Populismus entgegenstellt. Er geht nochmals auf den Punkt der Sprache ein und empfiehlt insbesondere Politikern, nicht nur Frames aufzudecken, sondern eine Alternative dazu zu schaffen und den eigenen Sprachgebrauch bewusst zu wählen.
Hillje ruft auch zu einer „digital-demokratischen Konterrevolution“ (S. 164) auf. Der digitale Raum solle nicht mehr nur den Populisten dienen, sondern auch demokratisch erschlossen werden. Da dies aber auch Gefahren mit sich bringe, fordert er eine Transparenzpflicht für digitale Wahlwerbungen, die auch ein großes Hindernis für Populisten darstellen würde. Hillje kritisiert Facebook stark dafür, dass es populistischen Inhalten eine so große Bühne biete und Populisten mit seinem Algorithmus unterstütze. Er fordert von Facebook, dass mehr Verantwortung im Sinne einer pluralistischen Gesellschaft übernommen werden müsse. Auch wir Bürger sollen uns für solche Forderungen stark machen. Aber Bürger sollen nicht nur fordern, sondern seien auch gefordert, verantwortungsvoll mit den eigenen Daten umzugehen und sich intensiv mit den Medien und Netzwerken auseinanderzusetzten, die sie nutzen.
Johannes Hillje bietet mit seinem Buch einen sehr anschaulichen und verständlichen Text, um das momentane politische Geschehen nachvollziehen zu können. Er versucht, das Phänomen Populismus und die verschiedenen Strategien der Populisten aufzudecken und zu erklären. Dabei stellt er oft auch einen Bezug zu anderen europäischen Ländern und zur USA her, was zeigt, dass der Populismus der AfD in Deutschland kein Einzelfall ist und viele Zusammenhänge bestehen. Er geht dabei auf viele verschiedene Punkte ein, aber hauptsächlich liegt der Schwerpunkt auf der Analyse der Sprache und dem Verhältnis zu verschiedenen Medien. Seine Thesen sind dabei immer mit verschiedenen Beispielen unterlegt, die einen sehr großen Teil zur Verständlichkeit beitragen und dabei gleichzeitig auch als Beleg fungieren. Fachbegriffe werden zuerst erklärt, sodass man Hillje auch ohne großes Vorwissen folgen und ihn verstehen kann, weswegen das Buch auch für diejenigen gut geeignet ist, die grade erst damit beginnen, sich mit dem Thema Populismus auseinanderzusetzen.
Objektiv ist er dabei allerdings nur sehr selten. Man kann ihm seine ablehnende Haltung gegenüber der AfD und anderer populistischen Parteien deutlich anmerken. Da es sich bei Populismus aber um eine demokratiegefährdende Ideologie handelt, ist eine offene Ablehnung in Ordnung, solange der Umgangston dabei angemessen und respektvoll bleibt, was bei Hilljes Kritik gegeben ist. Dass Hillje beruflich in Brüssel tätig ist, lässt sich an vielen Stellen gut erkennen, denn an mehreren Stellen plädiert er für mehr europäische Gemeinschaft.
In wesentlichen Punkten wiederholt er sich durch alle drei Teile hindurch öfter. Besonders was die Sprache betrifft, ist das sehr auffällig. Bestimmt ist dies keine schlechte Taktik, da sich das Gelesene so sicherlich besser einprägt, aber das Buch zieht sich deshalb an manchen Stellen, was das Lesen manchmal zu einem zähen Prozess macht.
Die Tipps im dritten Teil des Buches gehen zu großen Teilen nur an Politiker, was sehr schade ist, da Denkanstöße zum eigenen Umgang mit Populisten und Populismus versprochen wurden. Ein paar Tipps sind zwar dabei, aber mit den meisten kann der durchschnittliche Leser im Alltag leider nichts anfangen. Bewusstsein für mögliche Strategien und vielleicht auch Erkenntnis darüber, was momentan verbesserungswürdig sein könnte, wird aber trotzdem gegeben, weshalb der Teil dennoch sinnvoll ist. Er erfüllt teilweise nur eine andere Funktion als versprochen.
Ich würde das Buch jedem empfehlen, der sich ein Grundwissen über die Strategien von Populisten aneignen möchte und noch nicht allzu viel Vorwissen besitzt, da es sehr anschaulich ist und sehr gut erklärt. Besitzt man schon ein grundlegendes Verständnis für die Strategien von Populisten, könnte das Buch eventuell zu langweilig sein, da es viele grundlegende Begriffe nochmal ausführlich erklärt.
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