Samstag, 29. Dezember 2018

Rezension zu Herbert Auinger: Die FPÖ

Auinger, Herbert (2017), Die FPÖ. Blaupause der Neuen Rechten in Europa, Promedia.

Rezension

Autor: Moritz Gaus

In diesem Buch beschäftigt sich der Politikwissenschaftler und Hörfunkjournalist Herbert Auinger auf knapp 200 Seiten mit dem Parteiprogramm und der Weltanschauung der rechtspopulistischen Partei FPÖ (Freiheitliche Partei Österreich), einer der größten Parteien Österreichs.

In einer kurzen Einleitung erläutert Auinger das Ziel, welches er mit Schreiben des Buches erreichen will: Genaue Kritik an der Weltanschauung der neuen Rechten üben. Die öffentliche Auseinandersetzung mit rechtspopulistischen Parteien seien, zu seinem Missfallen, geprägt von unwahren Unterstellungen.

Als Quellen für seine Ausführung benutzt der Autor hauptsächlich zwei Bücher. Zum einen das „Handbuch für freiheitliche Politik - Leitfaden und Mandatsträger“ des „FPÖ Bildungsinstituts“, zum anderen „Für ein freies Österreich - Souveränität als Zukunftsmodell“ geschrieben von Michael Howanietz und herausgegeben von dem aktuellen österreichischen Minister für Verkehr, Norbert Hofer. Aus diesen Werken zitiert der Autor direkt und analysiert anschließend.

Auinger steigt zu Beginn der Analyse mit einem grundlegenden Thema an, welches schon einmal einen guten Überblick über die bedeutsamen Charakteristika der Partei für die folgenden Kapitel des Buches gibt. Im Kapitel: „Die Freiheit - Für das Kollektivwesen“ erläutert der Buchautor den Widerspruch zwischen dem Begriff „Freiheit“, wie die Partei ihn verstehen würde und dem Begriff „Freiheit“, wie er objektiv verstanden wird.

Der Autor beschäftigt sich also im ersten Abschnitt des Buches mit dem Freiheitsbegriff und wie bzw. ob er mit der völkischen Weltanschauung überhaupt zusammenpasst. Diesbezüglich resümiert er, dass sich die Partei zwar pathetisch zur Freiheit als ihr höchstes Gut bekennen würde, jedoch würde dieses Bekenntnis in jeglicher Hinsicht darauffolgend direkt wieder durch Verantwortung relativiert werden. Wahre Freiheit wäre für die FPÖ laut Auinger nur dann möglich, wenn auch eine Zugehörigkeit zu einem (Volks-) Kollektiv feststehen würde.

Mit der Geburt seien auch schon die wesentlichen Entscheidungen der Lebensführung gefallen, da man in ein Kollektiv, in ein Volk, in eine Kultur hineingeboren werden würde. Diese Thesen aus dem Handbuch freiheitlicher Politik machen für Auinger direkt deutlich, dass die Freiheit im Weltbild der FPÖ ihre Grenzen hat. Diese Grenzen werden beim Lesen des zweiten Kapitels im Buch noch einmal deutlicher: Der Abschnitt „Die Frau: In der Familie“, lässt sich zwar nicht thematisch, aber mit Blick auf den Begriff der „Freiheit“ als Bezugspunkt der Analyse, gut mit dem ersten Kapitel verknüpfen.

Die Familie sei für die im Gegensatz zum freiheitlichen Weltbild keine naturgegebene, auf Liebe begründete Bereitschaft der Beteiligten, sondern eine Verpflichtung dem Staat gegenüber. In einem Zitat, mit dem Auinger dieses Kapitel beginnt, welches aus dem „Handbuch freiheitlicher Politik“ stammt wird dies deutlich. „Die Familie als Gemeinschaft von Mann und Frau mit gemeinsamen Kindern ist die natürliche Keimzelle (..) der Gesellschaft“ (s. S. 21).

Bereits direkt am Anfang des Kapitels wird vom Autor ein urkonservatives, anti-emanzipatives Familienbild aufgezeigt, welches von Seiten der FPÖ vertreten werden würde. Dies wird in den folgenden Zitaten aus dem Handbuch freiheitlicher Politik, welche Auinger ausgewählt hat, noch deutlicher. In den angesprochenen Zitaten wird zum Beispiel die ablehnende Haltung der FPÖ gegenüber der Homo-Ehe für den Leser deutlich: „Die FPÖ erteilt allen Ansätzen auf Einrichtung einer Ehe light oder einer Homo-Ehe eine klare Absage“ (s. S. 33).

Als Fazit zu diesem Themenbereich hält der Autor fest, dass die durchaus vorhandene Wertschätzung einer klassischen Familie mit Mann, Frau und Kindern von Seiten der FPÖ darin begründet sei, dass diese für das Land in puncto Alten- und Kinderbetreuung, sowie Erhalt der österreichischen Kultur wichtige Funktionen übernehmen würde.

Bereits nach dem Lesen der ersten beiden Kapitel merkt der Leser, dass Auinger überhaupt kein Freund des Weltbildes der FPÖ ist. Dies wird zum einen durch seine Analysen deutlich, in denen des öfteren neben der objektiven Auseinandersetzung auch seine eigene Meinung durchschimmert, zum anderen lässt es sich auch durch die Auswahl der Zitate aus seinen zugrundeliegenden Quellen verdeutlichen. Denn diese strotzen meist nur vor offensichtlich antipluralistischen und extrem konservativen Äußerungen.

Im dritten Kapitel des Buches „Die Heimat: Im Belagerungszustand“ geht Auinger mehrschrittig auf die Themen „Schutz der Heimat“, „nationale Identität“ und Migration ein. Wie bereits im vorigen Kapitel beginnt der Autor mit einem direkten Zitat aus dem Handbuch freiheitlicher Politik, in welchem es um den "Erhalt der österreichischen Identität geht". Dass dies der FPÖ besonders wichtig ist, wird in den von Auinger auch in diesem Kapitel sehr fremdenfeindlichen und patrotistischen Zitaten der FPÖ deutlich. Damit, dass es für die FPÖ von oberster Priorität sei, die österreichische Idenität zu schützen, gehe auch eine für rechtspopulistische Parteien typische Angst vor Fremdem einher.

Laut Auinger sehe die FPÖ eine Bedrohung des „Grundrechts auf Heimat“ darin, dass Leute von außerhalb nach Österreich kommen. Diese Leute würden durch die FPÖ Mitglieder automatisch negativ charakterisiert werden, da diese nicht zum österreichischen Wurzelvolk gehören würden, welches die Partei so verzweifelt zu bewahren versucht.

Neben der Ablehnung anderer Kulturen in ihrem Land hält es die FPÖ genau so für wichtig, ein bedingungsloses Bekenntnis zur eigenen Kultur abzugeben.

Im folgenden geht der Autor dann darauf ein, wie die FPÖ versuchen würde, die Ablehnung gegenüber Zuwanderer zu begründen. Dabei zeigt er Widersprüchlichkeiten auf, die sich dabei ergeben würden. So sehe die FPÖ die unbegrenzte Aufnahme von Flüchtlingen unter anderem als Bedrohung ihres Wohlstandes und den Sozialstaat, typisch für rechtspopulistische Parteien. Dies fasst Auinger mit einem, aus meiner Sicht überragenden Zitat zusammen:
„Der Neid, der sich zuerst empört und dann wieder zufrieden gibt, wenn andere diskriminiert werden, ohne dass sich dadurch an der eigenen Lage etwas ändert“ (siehe S. 56)
Ein weiterer Aspekt, mit dem die FPÖ den „Schutz der Heimat vor Migrationsbewegungen“ begründet, liegt laut Auinger darin, dass die Partei versuche, die Illegalität von Asylbewerbern mit Kriminalität gleichzusetzen. Die FPÖ stelle es als Missbrauch dar, wenn Asylbewerber ohne Asyl im Lande weilen, auch wenn sie sich an die Gesetze des Landes halten würden.

Auinger analysiert, dass die FPÖ beim Thema Flüchtlingsbewegungen keineswegs moralisch denkt, sondern größtenteils unter dem Aspekt der Nützlichkeit. Jedoch könnten die Flüchtlinge nicht "nützlich genug" sein, da im vornherein schon feststehen würden, dass diese aufgrund ihrer ethnisch- kulturellen Andersheit eine Bedrohung für die österreichische Kultur darstellen würden.

Im weiteren Verlauf des Kapitels beginnt Auinger erstmals damit, theoretische Einschübe einzubauen. Dabei behandelt er spezifisch die Themen „Asylrecht“ und „Flüchtlingswelle im Jahr 2015“. Dies ist gesamtheitlich betrachtet eigentlich untypisch für das Buch, denn viel mehr solcher Einschübe sind im Buch nicht mehr zu finden. Trotzdem kommt bei diesen Einschüben der Eindruck auf, dass sich der Autor des Buches sowohl im Bereich internationaler Politik Europas, als auch im Bereich der österreichischen Innenpolitik bestens auskennt.

Er kommt in diesem Einschub zum Schluss, dass sich die FPÖ durch Merkels "Willkommens- Politik" provoziert gefühlt habe un dass sie der Meinung gewesen seien, diese hätten gegen elementare Völkerrechte verstoßen.

Ebenfalls noch im gleichen Kapitel greift er noch den stereotypische Aspekte der Weltanschauung der Partei auf, wie unter anderem in Bezug auf das Thema "Religion" und beschreibt, welche Rolle diese im Weltbild der FPÖler in Bezug auf Heimat und Bedrohung der Heimat durch Flüchtlinge spielt. Auch hier beginnt Auinger seinen Text wieder mit einem Zitat aus dem oben genannten Handbuch freiheitlicher Politik. In diesem Zitat beschreibt die FPÖ, dass sie Religion, Sprache und Kultur als identitätsstiftende Säulen verstehen. Allein aus diesem Zitat wird für Auinger bereits deutlich, dass zwar die eigene „Religion des Österreichers“ respektiert würden, jedoch andere Religionen eine Bedrohung der Heimat darstellen würden. Eine fremde Religion könne für Österreichs nichts taugen.

Mit der Religion einhergehend vertrete die FPÖ die Meinung, dass Angehörigen anderer Kulturen (wie bereits im oberen Abschnitt der Rezension erwähnt) es nicht hinkriegen könnten, sich bedingungslos zur österreichischen Kultur bekennen würden, womit implizit vermittelt werden würde, dass eine Integration in die österreichische Kultur schlichtweg unmöglich sei. Die FPÖ fordere genau deshalb eine Veränderung des Asylrechts dahingehend, dass unerwünschte Menschen, mit einer Andersheit von Kultur und Religion möglichst abgewehrt werden.

Daraufhin folgt ein weiterer politiktheoretischer Einschub mit dem Titel „Kultur oder Rasse - eine Kontroverse“. In diesem Kapitel geht es um die geschichtliche Perspektive des Phänomens „Rassismus“ in der Nachkriegszeit. Wo früher die Rasse als Abgrenzungs-, Aufwertungs- und Abwertungsbedürfnis gedient hat, so ist es heute der Begriff Kultur. Auch diesen Prozess bezieht Auinger wiederum auf das Weltbild der Freiheitlichen Partei Österreichs.

Laut Auinger wäre es auch nach Meinung der FPÖ möglich, sich durch „bedingungsloses“ Dafür-Sein sowie der Parteilichkeit für die österreichischen Strukturen, Werte und Gesetze möglich, sich zu integrieren. Aber dafür, so Auinger, sei für die FPÖ erst einmal ein über mehrere Generationen dauerndes „Einsaugen“ der österreichischen Kultur notwendig.

Das sehr ausführliche Kapitel mündet schließlich in einen „Bericht“ über die aktuelle Situation der österreichischen Kultur aus Sicht der FPÖ. Diese Sicht ist vor allem durch die negative Konnotation von Begriffen in Zusammenhang mit Ausländern geprägt, die schon mitten „unter uns“ seien. So fügt Auinger beispielsweise ein Zitat aus dem Buch „Für ein freies Österreich. Souveränität als Zukunftsmodell“ ein, in dem Ausländer mit Hochwasser, Lawinen, giftigen Dämpfen und herabfallenden Trümmern verglichen werden. Vor allem die Islamisierung Europas, würde sehr drastisch als „Eroberung“ und „Vertreibung“ beschrieben werden, obwohl keine Rede davon sein könne, dass die in Österreich geltenden Regeln an die Bedürfnisse der Muslime angepasst würden.

Es lässt sich über das wahrlich sehr spannende Kapitel „Die Heimat: im Belagerungszustand“ resümieren, dass Auinger sehr detailiert und gewissenhaft, in messerscharfer und oft auch durch Sarkasmus gespickte Art und Weise das Weltbild der FPÖ regelrecht zerpflückt.

Im darauffolgenden Kapitel des Buches beschäftigt sich der Autor mit der nationalen Identität, von welcher so oft die Rede ist und die für die FPÖ so beschützenswert sei. Er geht unter historischer Betrachtungsweise darauf ein, wie sich in der Geschichte überhaupt eine solche Identität entwickeln konnte.

Im nächsten Kapitel befasst sich Auinger mit der Rolle Österreichs in Europa und der Welt. Auinger stellt fest, dass die FPÖ Österreich als zu klein für die Welt ansehen würde, beispielsweise durch die nach Kriegsende neu gezogenen Grenzen, womit für Auinger die Feindlichkeit der Partei gegenüber den USA zu erklären sei. Damit einhergehend ließe sich Auinger zufolge auch die russlandnahe Außenpolitik der FPÖ erklären, die unter anderem die Krim-Annektion im Jahre 2014 anerkennen würden.

In einem an das Kapitel anschließendem Exkurs geht Auinger noch einmal speziell auf die Beziehung zwischen Deutschland und Österreich in Bezug auf Wirtschafts- und Migrationspolitik ein. Er kommt zu dem Schluss, dass Deutschland zu groß für Österreich sei, was zur Folge hätte, dass die Unzufriedenheit bezüglich den Ergebnissen der Flüchtlingskrise unterdrückt werden würden. Die FPÖ suche deshalb neue Verbündete, um gegen die angeblich durch Deutschland verursachte Isolation zu überwinden.

Im letzten Kapitel des Buches "Rechter Tugendterror" geht Auinger noch auf zum Teil seltsame Anschauungen, welche durch die FPÖ vertreten werden, ein. So nimmt er unter anderem Bezug auf einige, wie er es nennt, "Diagnosen" welche durch die FPÖ gestellt worden seien. Auch nimmt er hierbei Bezug auf direkte Zitate Norbert Hofers, FPÖ-Kandidat bei der Präsidentschaftswahl, welcher unter anderem damit drohte, das Parlament zu entlassen, würde er gewählt werden.

An diesem Punkt ist es Zeit, ein Resümee zum Buch zu ziehen: Wer auf der Suche nach wirklich fundierter, vorurteilsfreier, durchdachter, auf wahren Quellen basierter Kritik ist, sollte sich Herbert Auingers Werk dringend zulegen.

Während seinen Analysen ist zwar zu erkennen, dass er mit der FPÖ in nahezu keinen Punkten übereinstimmt, jedoch lässt sich nicht sagen, dass das Buch parteiisch geschrieben ist. All die aufgeführten Argumente und Analysen Auingers bestechen durch einen hohen Neutralitäts- und Überzeugungsgehalt. Er ist bei weitem nicht darauf aus, Propaganda gegen diese Partei zu machen, sondern nahezu jede einzelne Aussage, die von Auinger im Text getroffen wird, fußt auf direkten Zitaten aus der Weltanschauung der FPÖ.

Das Buch nimmt die Gründe ernst, weshalb es eine rechtspopulistische Partei in Österreich gibt, und besticht deshalb durch wahre Tiefgründigkeit. Neben dem inhaltlichen ist genauso hervorzuheben, dass sowohl sprachlich als auch strukturell ein klar verständlicher Aufbau herrscht, was es dem Leser leicht macht, das Geschriebene nachzuvollziehen.

Es lässt sich sagen, dass das Buch jedem zu empfehlen ist, der rechtes Denken sowie die Gefährlichkeit und die Eigenschaften der FPÖ besser verstehen möchte.

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