In diesem Beitrag stellt Hanna Preiß folgenden Text vor:
Pfahl-Traughber, Armin (2017): Die AfD und der Antisemitismus; Online-Dossier Rechtsextremismus auf der Website der bpb: https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/257899/die-afd-und-der-antisemitismus/.
Armin Pfahl-Traughber setzt sich in seinem Text mit der Frage auseinander, wie die AfD gegenüber Antisemitismus eingestellt ist. Denn „einerseits betonen führende Vertreter der Alternative für Deutschland, die Partei sei pro-israelisch und pro-jüdisch, anderseits sorgen immer wieder Parteimitglieder durch antisemitische Äußerungen für Skandale“.
Auf diese Frage sucht er im Verlauf des Textes nach Antworten, die von einer Verschiebung des Antisemitismus auf muslimische Geflüchtete über Akteur*innen und deren Handlungen gehen und mit einer Betrachtung der Partei als Ganzes abschließen. Als Schlussfolgerung zieht er, dass die konträr gedachten Wahrnehmungsunterschiede zwischen externen und internen Beurteilungen darauf hinauslaufen, „dass die Partei einen instrumentellen Bezug zum Thema hat: Antisemitismus wird primär bei Flüchtlingen und Muslimen gesehen.“
Im ersten Abschnitt geht der Autor auf eine Äußerung Frauke Petrys ein, in der sie betont, die AfD biete eine Garantie für jüdisches Leben. Dem entgegen steht die Aussage des Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses, in der er sich gegen die AfD richtet. Petry schiebt das ihr vorgeworfene Problem auf eines der Feindbilder des Rechtspopulismus, die Migration, und beteuert, dass Antisemitismus ein Problem ausgehend von Menschen mit Fluchterfahrung sei.
Daraus folgt laut Pfahl-Traughber, dass die einzige Auseinandersetzung der AfD mit dem Thema mehr einer anti-islamischen Stellungnahme gilt. Zudem merkt der Autor an, dass auch unter anderem Charlotte Knobloch, Funktionsträgerin einer jüdischen Organisation, Kritik an der Aussage Petrys übt. Sie ist der Meinung, die AfD stehe für ‚Holocaustrelativierung oder gar -leugnung sowie offene Nähe zur Neonaziszene‘. Zudem positioniert sich Knobloch gegen die AfD und postuliert, die Partei würde das bestehende Problem des Antisemitismus für eine Stellungnahme gegen muslimische Menschen zweckentfremden.
Laut einer Umfrage unter jüdischen Bürger*innen in Deutschland bestehen zwar „Bedenken […], der Antisemitismus in Deutschland werde zunehmen, weil viele Flüchtlinge antisemitisch eingestellt seien.“. Parallel dazu besteht aber auch die Ansicht vieler jüdischer Menschen, Antisemitismus sei generell eine existierende Problematik in Deutschland, unabhängig von Menschen mit Fluchterfahrung.
Neben der Äußerung Petrys weist Jörg Meuthen darauf hin, dass es in der AfD bereits zwei jüdische Kandidat*innen für den baden-württembergischen Landtag gegeben habe und wie ungerechtfertigt der Vorwurf dadurch sei. Auch er schiebt das Antisemitismus-Problem auf ‚radikalisierte Moslems‘, woraufhin Pfahl-Traughber hervorhebt, „dass die AfD Judenfeindschaft unter Muslimen oder Flüchtlingen instrumentalisiert.“ Anschließend geht er auf ähnliche Haltungen in Europa ein, die in rechtspopulistischen Parteien auftreten, von der FPÖ bis zum Front National, in denen man sich pro-israelisch und pro-jüdisch gebe.“
Im weiteren Verlauf betrachtet Pfahl-Traughber den Antisemitismus innerhalb der AfD. Dabei macht er auf Mitglieder aufmerksam wie Peter Ziemann, Jan-Ulrich Weiß und Gunnar Baumgart. Diese haben sich des Öfteren antisemitisch geäußert, unter anderem „[…] – mit zustimmenden Worten - auf einen holocaust-leugnenden Text.“ Offengelegt wurden diese Skandale durch Journalist*innen, oder Politiker*innen anderer Parteien. Erst als sie dann an die Öffentlichkeit gerieten, wurde dagegen vorgegangen und oben genannte Mitglieder verloren durch den von außen kommenden Druck teilweise ihre Funktionen. Pfahl-Traughber sieht darin ein inkonsequentes Verhalten seitens der AfD.
Mit dem Fall Wolfgang Gedeons aus dem Jahr 2016 setzt sich Pfahl-Traughber gesondert auseinander und betont, „bereits ein Blick in [seine Bücher und] deren Inhaltsverzeichnis macht deutlich, dass er offenbarer Anhänger antisemitischer Verschwörungsideologien ist.“ Selbst als der Skandal im Internet verbreitet wird, steht er zu seinen Äußerungen. Jörg Meuthen, der ehemalige Fraktionschef, besteht daraufhin auf dessen Exkludierung aus der AfD-Fraktion, fand dafür aber nicht den benötigten Zuspruch. Trotz mehrfacher Androhung von Konsequenzen, blieb Gedeon seiner Haltung treu.
„Mehrere Abgeordnete aus der baden-württembergischen AfD-Landtagsfraktion stellten sich hartnäckig hinter Gedeon, was zu einer Spaltung der AfD-Fraktion führte: Fraktionschef Jörg Meuthen verließ mit zwölf weiteren Abgeordneten die Fraktion,“ so Pfahl-Traughber. Als schließlich Frauke Petry, die ehemalige Co-Bundesvorsitzende, sich einschaltete, entschloss Gedeon sich, aus der Fraktion auszutreten. Meuthen wehrte sich trotzdem gegen einen Wiedereintritt. Seine Standhaftigkeit hielt aber nicht lange an und er, mitsamt seinen Anhängern, arbeitete mit Politikern aus der AfD-Fraktion „zusammen, die sich hinter ein AfD-Mitglied mit antisemitischen Verschwörungsvorstellungen gestellt hatten.“ Der Autor unterstreicht, Machtansprüche spielen hier eine bedeutungsvollere Rolle, als sich konkret von Judenfeindlichkeit zu trennen.
2003 kommt es zu einem Skandal in der hessischen CDU um Martin Hohmann, da dieser in einer Rede Judenfeindschaft erkennen ließ. Nach seinem Ausschluss aus der Partei und einem Rückzug aus Politik und Öffentlichkeit tauchte er 2016 dann „auf Platz 1 der AfD-Liste für den Kreistag [auf].“ Aus der Tatsache, dass sich niemand auf Bundes- oder Landesebene gegen ihn äußerte, schließt Pfahl-Traughber nicht nur eine Akzeptanz, sondern vielmehr eine Wertschätzung gegenüber Menschen mit dieser Art von Haltung.
Die Frage nach der offiziellen Positionierung der AfD zum Thema Antisemitismus bleibt für Pfahl-Traughber weiterhin bestehen. Aus dem damaligen Parteiprogramm zitiert er, die Partei wolle der ‚islamischen Glaubenspraxis [entgegentreten], die sich gegen […] die jüdisch-christlichen und humanistischen Grundlagen unserer Kultur richtet.‘ Weiter greift er auf, dass auch diese Formulierungen mehr anti-islamisch ausgerichtet seien, als distanzierend vom Antisemitismus.
Seine Antwort auf diese Frage formuliert er als Gegenfrage, in der er erneut eine judenfeindliche Einstellung der AfD schlussfolgert. Indirekt wird laut Pfahl-Traughber die Haltung der AfD durch eine spätere Aussage im Parteiprogramm deutlich. In dieser wird ein vermeintlicher Tierschutz für ein unbestreitbares Ablehnen von jüdischer und muslimischer Religionsvorschrift, einer Tötung ohne Betäubung, herangezogen. Als essenziell sieht Pfahl-Traughber dabei die Ausdrucksweise ‚ohne Ausnahme‘. Diese steht im Kontrast zu in Deutschland geltendem Recht für die muslimische und jüdische Religion, das eine Ausnahme für genau diese Art der Tötung erlaubt. Zum einen kann diese Kritik der AfD tatsächlich die Haltung zum Tierwohl darstellen, für wahrscheinlicher hält Pfahl-Traughber aber eine judenfeindliche und antimuslimische Einstellung.
Um seine Untersuchung abzuschließen, zeigt der Autor zusammenfassend die Gründe auf, die seiner Meinung nach für eine grundlegende antisemitische Haltung der AfD sprechen. Im Vergleich zu den anderen Parteien Deutschlands sieht er „[das] tatsächlich größte Antisemitismus-Problem“ in der AfD. Unterstützt wird seine These von zahlreichen Skandalen und darüber hinaus vor allem auch von fehlenden Konsequenzen im Umgang mit ihnen. Insbesondere der Fall von Wolfang Gedeon bestätigt einige Befürworter von antisemitischen Verschwörungstheorien innerhalb der Landtagsfraktion der AfD.
Mehrfach geäußerte Worte aus den Reihen der AfD sprechen auch für eine Muslimfeindschaft, die indirekt über antisemitische Äußerungen verlautet werden. Laut Pfahl-Traughber entlasten diese indirekten Aussagen die Partei in Bezug auf einen expliziten Antisemitismusvorwurf, jedoch gilt das nicht als genug Distanz zu einer Judenfeindschaft.
Bestätigt wird die Erkenntnis auch durch das Befragen von AfD-Wähler*innen, bei dem klar wird, dass viele aus der Wählerschaft sehr deutlich antisemitisch eingestellt sind. Der Artikel schließt mit der Einschätzung des Autors, „[all] das macht aus [der AfD] keine antisemitische Partei, aber eben eine Partei mit einem Antisemitismus-Problem.“
Literatur
- Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus. Bundestags-Drucksache. 18/11970 vom 7. April 2017.
- Grigat, S. (2017). (Hrsg.). AfD & FPÖ. Antisemitismus, völkischer Nationalismus und Geschlechterbilder. Baden-Baden.
- Pfahl-Traughber, A. (2017). Die AfD und der Antisemitismus. Abgerufen von Die AfD und der Antisemitismus | bpb.de.
- Pfahl-Traughber, A. (2016). Die AfD und der Antisemitismus. Eine Analyse zu Positionen, Skandalen und Verhaltensweisen, in: Schüler-Springorum, Stefanie (Hrsg.): Jahrbuch für Antisemitismusforschung, Bd. 25, Berlin, S. 271-297.
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