Donnerstag, 11. August 2016

Angry White Men - Rechtspopulismus in den USA

Marc Nozell, Attendees at Trump rally Nashua 2015, CC BY 2.0
Donald Trump verstehen zu wollen, scheint mir ein aussichtsloses Unterfangen zu sein. Das gilt aber nicht für die Erklärung seines Erfolgs und die Analyse seiner Anhängerschaft, der angry white men. Über diese hat der Soziologe Michael Kimmel bereits 2013, also vor der "Ära Trump", ein beeindruckendes Psycho- und Soziogramm verfasst mit dem Titel "Angry White Men. American Masculinity at the End of an Era", das 2015 in deutscher Übersetzung erschienen (Orell Füssli Verlag) und nun auch als Lizenzausgabe bei der Bundeszentrale für politische Bildung erhältlich ist.

Der (nichtssagende) deutsche Untertitel "Die USA und ihre zornigen Männer" unterschlägt leider eine entscheidende Komponente des Buches, nämlich die Analyse der Krise (des Ideals) der Männlichkeit in den USA - einem Thema, dem der Geschlechterforscher Kimmel bereits mehrere Bücher gewidmet hat und ohne das der Zorn der weißen Männer nicht erklärt werden kann.

Insofern stellt die Tatsache, dass ausgerechnet Trump als Sprachrohr der angry white men gegen eine Frau und geradezu idealtypische Vertreterin des Establishments, Hillary Clinton, im Präsidentschaftswahlkampf antritt, die größtmögliche Zuspitzung dar. Vor diesem Hintergrund sind dann auch Trumps Andeutungen zur (Waffen-)Gewalt gegen Clinton oder Rufe der Anhänger bei Wahlkampfveranstaltungen Trumps zu sehen ("kill the bitch").

Woher kommt dieser Zorn, der sich in solchen und ähnlichen Äußerungen und Taten Bahn bricht? Das ist die entscheidende Frage, auf die das Buch sehr vielschichtige und erhellende Antworten gibt. Will man diese Antworten in einem Satz zusammenfassen, dann käme der folgende in Frage (S. 39):
"Es ist dieses Gefühl, nicht zu bekommen, was einem angeblich zusteht, das ich als 'kränkende Enteignung' bezeichne und das meiner Ansicht nach für die neue Art zorniger weißer Männer in Amerika kennzeichnend ist."
Nahezu prophetisch erscheint heute, was Kimmel über die mobilisierende Wirkung dieses Zorns schreibt (S. 42):
"Der Zorn über eine kränkende Enteignung kann politisch mobilisierend wirken. Doch diese Mobilisierung ist oft nicht zukunftsorientiert, sondern rückwärtsgewandt, weil sie das Verlorene wiederherstellen will. Dies führt unweigerlich zu einer verzerrten Sicht der Dinge und zu einem fehlgeleiteten Zorn, der oft sozial schwächere Gruppen trifft, weil diese nach Ansicht des Gekränkten bekommen, was er verdient hätte."

2 Kommentare:

  1. Toller Artikel. Ich glaube, ich werde mir das Buch über die "angry white men" definitiv holen. Mir bereitet der hier beschriebene Zorn - Ja, ich gehe sogar so weit und nehme mir heraus, es Bösartigkeit zu nennen - ziemlich viel Kopfzerbrechen. Und wenn ich, wie so oft, über die Ursachen nachdenke, dann kommt das dem zweiten Zitat schon sehr sehr nahe. Es liegt tatsächlich recht nahe, dass die Leute denken (oder dass ihnen erzählt wird), man würde ihnen Etwas weg nehmen, das ihnen vermeindlich zusteht. Eine solche Einstellung weckt freilich Wut in den Leuten und dann wird geschimpft und gewettert über "Hartz IV- Assis", Ausländer und alle anderen "Schmarotzer", die von unseren Gehältern leben. Dass die Abgaben, die man selbst von seinem Gehalt "weggenommen bekommt" aber lediglich z.B. in die eigene Sozialversicherung oder die Krankenkasse fließen, für den Fall, dass man plötzlich keinen Job mehr hat (sei es wegen Kündigung oder Krankheit) und dann ganz schön dumm dasteht, weil man plötzlich auch nur noch ein Assi ist, daran denken die Wüteriche gar nicht. Und das finde ich sehr schade...

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    1. Vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Es lohnt sich in vielerlei Hinsicht, das Buch zu lesen (zumal es über die bpb nur 4,50 € kostet).

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