Donnerstag, 30. November 2017

Rezension zu J.D. Vance: Hillbilly Elegy

Vance, J. D. (2016), Hillbilly Elegy. A Memoir of a Family and Culture in Crisis, Harper.

Rezension

Autor: Helge Wilhelm

“Hillbilly Elegy” ist ein sehr facettenreiches Buch über die “white working class” in den Vereinigten Staaten und gibt einen sehr genauen und sehr persönlichen Einblick in die Gedanken- und Lebenswelt einer Kultur und gesellschaftlichen Schicht, von der Vance sagt, sie befinde sich in einer tiefen Krise.

Vance verfolgt drei unterschiedliche Handlungsstränge in seinem Buch. Erstens einen biografischen Teil über seine Familie und Angehörigen, in dem er schonungslos über Gewalt, familiäre Zerrüttung, Drogenmissbrauch, ökonomische Unsicherheit und Abstieg sowie eine schwerwiegende Segregation der „Hillbillies“ vom Rest der amerikanischen Gesellschaft spricht.

Zweitens einen autobiografischen Teil über sein eigenes Leben. Wie er es erlebte, in dieser Welt aufzuwachsen, über seine Beziehung zu seiner drogensüchtigen Mutter und seine Beziehung zu seinen Großeltern, von denen er sagt, sie hätten ihm wohl das Leben gerettet, und ohne deren Einfluss er wohl so geendet wäre wie so viele aus seinem Umfeld. Im Gefängnis, mit unehelichen Kindern schon im Teenageralter, ohne Schulabschluss und ohne Perspektive dieses Leben eines Tages hinter sich lassen zu können.

Drittens untermauert er viele seiner Geschichten und Anekdoten aus seinem Leben mit Zahlen und Statistiken, um aufzuzeigen, dass es sich hier um ein Problem nicht nur einiger weniger „Versager“ handelt, sondern um ein Problem, das weite Teile der amerikanischen Unterschicht betrifft und sich über Generationen hinweg zu tradieren scheint, und das ohne Aussicht auf Besserung. In diesem eher sachlich gehaltenen Teil zeigt Vance auf, dass wenn sich Amerikas Gesellschaft nicht einigen sehr unangenehmen Wahrheiten zu stellen bereit ist, Donald Trump nur ein geringfügiges Symptom einer beispiellosen Erosion weiter Teile der Gesellschaft sein wird.

Sonntag, 26. November 2017

Paradox des Populismus: Spaltung statt Einheit

Am Beispiel der PiS in Polen macht Reinhold Vetter in seinem Buch "Nationalismus im Osten Europas" (Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2017) auf ein Paradox des Populismus aufmerksam, das alle populistischen Parteien und Politiker betrifft:
Während Kaczynskis Nationalkonservative für sich beanspruchen, die ganze Nation zu vertreten, betreiben sie in Wirklichkeit deren Spaltung, und nicht nur die der Nation, sondern auch des Staatsvolks und der Gesellschaft insgesamt. Dabei werden unterschiedliche Wertvorstellungen, differierende Meinungen sowie die Verschiedenheit der Lebensentwürfe und Handlungsmuster künstlich überhöht und zu quasi Bürgerkriegsfronten erklärt. (S. 56)

Samstag, 25. November 2017

Der Erfolg der Rechtspopulisten in Österreich – Die FPÖ

In den letzten Jahren haben in Europa viele rechtspopulistische Parteien enormen Zulauf erfahren. Eine dieser rechtspopulistischen Parteien in Europa ist die Freiheitliche Partei Österreichs, die FPÖ, die bereits seit den 1980er Jahren in Österreich eine Konstante im politischen Diskurs darstellt.

Anders als die AfD in Deutschland ist die FPÖ bereits seit langer Zeit in der österreichischen Politik aktiv und führt häufig auch politische Konfliktthematiken an, indem sie provoziert. Durch die Verwendung von Provokationen und zugespitzten Äußerungen konnte die FPÖ in der österreichischen Politik erfolgreich etabliert werden.

Ein ehemaliger führender FPÖ-Politiker, der als Kommunikationstalent der Partei galt, war Jörg Haider. Er konnte durch seine provokativen Aussagen die FPÖ zu großen Erfolgen und enormer Popularität führen. Doch auch nach Haiders Unfalltod 2008 erzielte die Partei noch große Erfolge, da sie weiterhin viele Wählerstimmen für sich gewinnen konnte.

Vor wenigen Wochen, im Oktober 2017, fanden vorgezogene Neuwahlen zum Nationalrat statt. Bei diesen Wahlen erhielt die FPÖ mit ihrem Vorsitzenden Heinz-Christian Strache 26% der Wählerstimmen und erreichte somit das historisch zweitbeste Ergebnis der Partei.

Es zeigt sich, dass die FPÖ aktuell immer noch sehr erfolgreich ist und eine große Wählerschaft besitzt. Aus diesem Grund stellt sich die Frage, wie die FPÖ so erfolgreich werden konnte, welche Strategien innerhalb der Partei und welche Strukturen in Österreich genutzt werden, um Erfolg zu haben. Außerdem werden zusätzlich mögliche Gegenstrategien genannt, um den Erfolg der FPÖ zu verhindern. Im Folgenden wird versucht die soeben gestellten Fragen zu beantworten.

Zu Beginn wird ein Blick auf die Parteigeschichte der FPÖ geworfen. Anschließend geht es um die Auswirkungen des Aufstiegs der FPÖ für Österreich. Darauffolgend werden die kommunikativen Erfolgsstrategien der Partei erläutert. Im Fokus des nächsten Abschnittes stehen die Erklärungsansätze für den Erfolg der FPÖ, hierbei wird besonders auf die strukturellen Gegebenheiten in Österreich geschaut, die der Partei das erfolgreiche Agieren erleichtern. Im vorletzten Passus werden mögliche Gegenstrategien vorgestellt, die auf die FPÖ bezogen sind und die das Ziel haben, deren weiterhin zu erwartende Wahlerfolge zu minimieren. Abschließend folgt ein Fazit, welches die zu Beginn gestellten Fragen beantwortet und einen möglichen Ausblick auf die Zukunft der FPÖ in Österreich gibt.

FAZ-Gastbeitrag von Voßkuhle zum Populismus

Die FAZ hat einen äußerst lesenswerten Gastbeitrag des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, veröffentlicht, der - ausgehend von der Populismus-Definition Jan-Werner Müllers - die Erkenntnisse aus dem ersten Teil des Seminars ("Was ist Populismus?") zusammenfasst und um die Perspektive des Verfassungsrechtlers ergänzt: "Ein Populist ist ein Gegner der Demokratie". Voßkuhle nennt fünf grundlegende Unterschiede zwischen Populismus und Demokratie und formuliert folgendes Fazit:
Obwohl Populisten gern und erfolgreich mit demokratischem Vokabular (Volkssouveränität, Volkswille, Repräsentation) hantieren, ist die dahinterstehende Ideologie bei Lichte betrachtet im Kern antidemokratisch. Ihrer Vorstellung, einen demokratischen Willen ohne demokratische Formen zum Ausdruck bringen zu können, liegt bestenfalls ein fataler Irrtum zugrunde; in der Regel handelt es sich um zynische Verschleierungsstrategien, die das wahre Gesicht des aufkommenden Totalitarismus verbergen.

Sonntag, 19. November 2017

Rezension zu Reinhold Vetter: Nationalismus im Osten Europas

Vetter, Reinhold (2017), Nationalismus im Osten Europas. Was Kaczynski und Orban mit Le Pen und Wilders verbindet, Ch.Links Verlag, Berlin (oder als Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Band 10082, Bonn).

Rezension

Autor: Christian Sus

Inhalt des Buches im Überblick

Der Publizist Reinhold Vetter, über viele Jahre Korrespondent in Budapest und Warschau, beschreibt mit seiner Bestandsaufnahme des Nationalismus in Mittel- und Osteuropa die sich verändernde politische und gesellschaftliche Lage. Dabei stehen nationalkonservative, populistische und rechtsradikale Parteien im Zentrum, die schon über politische Macht in Gestalt von Regierungsbeteiligung verfügen.

Ausführlich geht er auf die Situation in den Visegrád-Staaten Polen, Ungarn, Tschechische Republik und Slowakei ein, etwas knapper werden Kroatien, Slowenien und die baltischen Staaten behandelt. Außerdem werden Vergleiche zu nationalistischen Strömungen in den westlichen Ländern der EU gezogen. Er selbst schreibt dazu:
„... besorgniserregende Nachrichten haben aber schon gezeigt, dass wir es bei dem Erstarken des Nationalismus in Europa keineswegs nur mit einem Phänomen im Osten des Kontinents zu tun haben. Deshalb wird nach der Bestandsaufnahme auch versucht, rechte Parteien in Ost und West miteinander zu vergleichen, ihre Übereinstimmungen und Differenzen zu analysieren“ (S. 10).
Den Abschluss des Buches bildet ein Plädoyer dafür, „die dringend notwendige breite öffentliche Debatte über die Zukunft Europas und besonders der Europäischen Union auf jeden Fall gesamteuropäisch zu führen“ (S. 11). Reinhold Vetter referiert in diesem Zuge einige Anregungen von Wissenschaftlern (wie z.B. Jan-Werner Müller), Publizisten und auch eigene Positionen.

Samstag, 18. November 2017

Rückblick auf den Vortrag von Thomas Greven zum Rechtspopulismus in den USA

Bericht zum Vortrag von Dr. Thomas Greven, John F. Kennedy Institute FU Berlin, am 14.11.2017 im DAZ (Deutsch-Amerikanisches Zentrum) in Stuttgart.

Thema des Vortrags:
Rechtspopulismus und autoritärer Nationalismus in Europa und den USA

Populismus – Versuch einer Definition
  • „Wir gegen Sie“ – aggressive Frontstellung Volk gegen „korrupte“ Elite.
  • Anti-Pluralismus – Die Behauptung wird aufgestellt: Homogenität des Volkes.
  • Angst und Wut – Genutzt werden Verunsicherung, Provokation und Tabubrüche.
  • Bestimmte Elemente, die oben genannt wurden, findet man im täglichen politischen Geschäft wieder, die Populisten treiben dies jedoch auf die Spitze.
Linkspopulismus vs. Rechtspopulismus

Der Linkspopulismus richtet sich nach Fragen der sozialen Ungleichheit zwischen dem Volk und den Eliten. Als Beispiel nennt Dr. Greven die 99%-Politik von Bernie Sanders, unter welchem er in den 1990er Jahren in dessen Büro gearbeitet hatte. Die 99% stellen das Volk dar, das eine Prozent die Elite. Den 99% wird von Sanders eine Homogenität unterstellt, was natürlich nicht der Realität entspricht, doch um die Massen zu mobilisieren, greift Sanders auf populistische Rhetorik zurück und spricht somit für das gesamte Volk (bis auf die Eliten).

Das zentrale Element der Rechtspopulisten ist die Abgrenzung bzw. der Ausschluss von „Anderen“. Dabei handelt es sich um eine horizontale Frontstellung. Dieser Ausschluss wird bei Rechtspopulisten schnell rassistisch oder völkisch. Ist das der Fall, spricht man von Extremismus.
Laut Greven sind die Populisten leider oft erst als Populisten zu enttarnen, wenn sie bereits im Amt sind und es zu spät ist.

Mittwoch, 8. November 2017

Vortrag zum Populismus am 14.11.17 in Stuttgart

In Kooperation mit dem DAZ (Deutsch-Amerikanisches Zentrum) bietet die KAS (Konrad-Adenauer-Stiftung) am Dienstag 14.11.2017 um 19 Uhr einen interessanten Vortragsabend mit folgendem Titel an: "Rechtspopulismus und autoritärer Nationalismus in Europa und den USA". Vortragen wird Dr. Thomas Greven vom John F. Kennedy Institut der Freien Universität Berlin. Er erläutert, so der Ankündigungstext, "die Ursachen und Auswirkung von Populismus in der Politik". Auf der KAS-Website findet sich folgende Beschreibung:
Trotz einiger Rückschläge bei Wahlen bedrohen Rechtspopulisten die Fundamente und Institutionen der liberalen, rechtsstaatlichen Demokratien und pluralistischen Gesellschaften weiterhin. Neben nationalspezifischen Gründen für den Aufstieg von autoritären Nationalisten ist ein gemeinsamer Nenner der Unmut von Menschen, die sich von der sozial unregulierten Globalisierung (u. a. Handel, Finanzmarkt, Immigration) und/oder von Prozessen kulturellen Wandels (u. a. Feminismus, gesellschaftliche Vielfalt) bedroht fühlen. Zudem ist die pessimistische Weltsicht der rechtspopulistischen Politik auf Minderheiten gerichtet und schürt Angst und Wut.