Montag, 17. April 2017

Postfaktische Demokratie, (Soziale) Medien und Populismus

Die Ausgabe 13/2017 der Zeitschrift "Aus Politik und Zeitgeschichte" widmet sich unter dem Oberbegriff "Wahrheit" einigen Themen rund um "fake news" oder "postfaktisches Zeitalter", die für das Verständnis des Populismus wichtig sind. Das gilt insbesondere für die ersten beiden Aufsätze:
So schreiben die beiden Autoren des erstgenannten Aufsatzes unter der Überschrift "Virale Narrative als politische Strategie" (S. 8):
So zeichnet sich etwa der Populismus, der derzeit in vielen westlichen Demokratien immer mehr Wählerinnen und Wähler mobilisieren kann, durch den Gebrauch ausgrenzender und polarisierender Narrative aus. Seine Argumentationsmuster folgen dem Schema "Wir gegen die Anderen", das in der gegenwärtigen Medienlandschaft regelrecht darauf zugeschnitten ist, Aufmerksamkeit zu erregen und Themen zu setzen.

Populisten behaupten, sie – und nur sie allein – vertreten den wahren Willen des Volkes. Konzeptionell teilen sie zum einen die Bevölkerung in das "echte Volk" und die "Anderen" auf und zum anderen die politischen Akteure in Repräsentantinnen und Repräsentanten des "echten Volkes" und der "Anderen". Mit den "Anderen" können Einwanderer gemeint sein, die angeblich nationale Sicherheit, Identität und Werte bedrohen, oder auch politische Eliten in Brüssel oder Washington, die "das Volk" hintergehen. Der Begriff kann aber auch auf die etablierten Massenmedien zielen, die regelmäßig beschuldigt werden, die Wahrheit zu verbergen, um das Volk zum Schweigen zu bringen. Wer gegen die Populisten ist, so das Metanarrativ, ist gegen das Volk und entbehrt daher einer demokratischen Legitimität.

Diese narrative Struktur des "Wir gegen die Anderen" erzeugt effektiv Empörung, Wut und Angst. Berichte, die solchen Gefühlen Vorschub leisten, haben eine starke Tendenz, sich auszubreiten, und erzeugen daher große Aufmerksamkeit. Stimmungslagen aus negativen Empfindungen wie Wut und Angst in Kombination mit positiven Gefühlen der Ehrfurcht und Faszination motivieren zum Handeln, anders als etwa Trauer oder Geborgenheit, die als Gefühle gelten, die Aktivität hemmen. In einer Onlineumgebung bedeutet Handeln auch Teilen, Retweeten, Liken und andere Aktivitäten, die die Verbreitung von Medieninhalten beschleunigen. Wer möchte, dass sich ein Content viral verbreitet, muss also auf Verärgerung und/oder Beängstigung setzen. Ob dabei Tatsachen und die dazu verfügbaren relevanten Fakten adäquat wiedergegeben werden, ist für die politischen Auswirkungen nachrangig.

(...) Durch den selektiven Gebrauch von Fakten und vereinfachende Schuldzuweisungen, die sich beide hervorragend für die massenhafte Verbreitung eignen und als Aufmerksamkeitsmagnet wirken, kann der Populismus gerade zur gewinnenden politischen Strategie in der postfaktischen Demokratie werden. In diesem Fall steht die Demokratie vor einer tiefen Krise.
Peter Weingart beginnt seine Ausführungen folgendermaßen (S. 11):
Die derzeit verbreitete Rede vom "postfaktischen Zeitalter" bezieht sich unter anderem auf die Beobachtung, dass vor allem Vertreterinnen und Vertreter populistischer Parteien sich bei ihren Äußerungen nicht mehr an Fakten halten, sondern sich über etabliertes Wissen hinwegsetzen und bisweilen auch schlicht lügen. Das reicht von der Leugnung ihrer eigenen Aussagen aus der Vergangenheit, die sich leicht belegen lassen, bis zur Leugnung wissenschaftlicher Erkenntnisse wie des anthropogenen Klimawandels, die nicht ganz so einfach zu überprüfen sind. Darüber hinaus verunglimpfen sie die Medien, sprechen von einer Verschwörung der "Lügenpresse" und unterminieren damit die Glaubwürdigkeit einer für die Demokratie zentralen Institution. Zugleich gerieren sie sich als Verteidiger demokratischer Rechte wie der freien Meinungsäußerung und fordern mehr "direkte" Demokratie. Mit diesem Verhalten mobilisieren sie zahlreiche Wählerinnen und Wähler.

Was ist in unsere Gesellschaft gefahren, dass sie Journalisten und Wissenschaftlerinnen nicht mehr vertraut und anfällig für Rattenfänger geworden ist? Diese Frage stellt sich umso eindringlicher vor dem Hintergrund, dass Sozialwissenschaftler vor nicht allzu langer Zeit den Übergang von der Industrie- zur Wissensgesellschaft verkündet haben. In der Wissensgesellschaft zählt Wissen als wichtigste Produktivkraft: Wissenschaftliches Wissen, also "wahres" beziehungsweise verlässliches Wissen, ist von zentraler Bedeutung für den gesellschaftlichen Fortschritt.

Tatsächlich zeigt die Beunruhigung über den sich verbreitenden Populismus und Antiintellektualismus zweierlei: Zum einen hat die moderne Wissenschaft und die mit ihr einhergehende Rationalität in den modernen Gesellschaften seit der Aufklärung eine immer größere Autorität als Institution erlangt – sonst würde die Leugnung von "Fakten" nicht auf derart heftige Reaktionen stoßen. Zum anderen ist man sich der Fragilität der Demokratie bewusst. Zwar gilt die Demokratie als die beste aller Regierungsformen, weil sie den Gefahren des Machtmissbrauchs am effektivsten entgegenwirkt und den Interessenausgleich aller Mitglieder einer Gesellschaft am erfolgreichsten zu gewährleisten vermag. Das urdemokratische Prinzip der Mehrheitsentscheidung hat allerdings, wenn es in größeren Gemeinschaften realisiert wird, eine Schwäche: Es ist anfällig für Emotionalisierung, Skandalisierung, kurz: für Propaganda und darauf gründende Ad-hoc-Entscheidungen.

Unter anderem um dieser Gefahr zu begegnen, ist das Konzept der repräsentativen Demokratie entwickelt worden, das heute für fast alle modernen Demokratien konstitutiv ist. Die Wahl von Repräsentantinnen und Repräsentanten, die in Parlamenten über die anfallenden politischen Fragen entscheiden, wirkt als moderierender Mechanismus. Entscheidungen werden auf ihre Akzeptabilität unter den im Parlament vertretenen Gruppierungen geprüft, aber zugleich auch auf ihre Voraussetzungen und ihre vorhersehbaren Folgen, soweit es das verfügbare Wissen erlaubt. Politik legitimiert sich also nicht nur durch Wahlen, sondern auch durch ihre Rationalität. Widerspricht sie eklatant empirischer Evidenz, wird das entweder beim nächsten Urnengang oder durch einen obersten Gerichtshof sanktioniert.

Dienstag, 11. April 2017

Die Junge Alternative - deutlicher Rechtsruck oder bloß Ausdruck von jugendlichem Protest?


Quelle: AfD Live: Es spricht Markus Frohnmaier, 2015

"Wenn wir kommen, wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet" (Frohnmaier 2015). Aussagen wie diese kommen vom Kopf der Jungen Alternative (JA), die Markus Frohnmaier und Sven Tritschler seit 2015 anführen. Frohnmaier ist zudem Pressesprecher von Frauke Petry, zeigt sich in Facebook als jung, smart und geschäftstüchtig. Ein Vorbild für junge Menschen?

„Ihr seid 14 bis 35 Jahre alt und wollt Deutschland wieder großartig machen? Dann kommt zur Jungen Alternative für Deutschland“, so wirbt die JA Ostbayern angelehnt an Trumps Ausspruch „Make America great again!“ im Januar 2017 um neue Mitglieder. Doch wie stellt sich die JA diese in ihren Augen großartige Zukunft Deutschlands konkret vor und warum warnen Expert*innen vor der Jugendorganisation der AfD?

Montag, 10. April 2017

ARD-Reportage über Marine le Pen

"Marine le Pen – Frontfrau der europäischen Rechten" - das Erste kündigt eine Reportage über Marine le Pen an (Mo 10.04.17, 22:45 Uhr):
Michael Wech, Janine Bechthold, Tina Roth und Olga Sviridenko begeben sich für "Die Story im Ersten" auf einen Roadtrip: Sie finden einen Aussteiger, der berichtet, wie es beim Front National hinter den Kulissen aussieht. In Moskau treffen sie einen Putin-Vertrauten, der sich zum ersten Mal zu den Hintergründen des russischen Kredits an den Front National äußert. Und vor den Toren von Paris begegnen sie dem Gründer der Rechtspartei Jean-Marie Le Pen. Zieht er noch immer im Hintergrund die Fäden?