Die folgende Seminararbeit soll verdeutlichen, wie Populisten rhetorisch vorgehen, welche stilistischen Mittel sie verwenden, welche Inhalte thematisiert werden und wie das Gesagte auszuwerten ist. Es wird ebenfalls der Frage nachgegangen, wie sich der politische Ton in Bezug auf die Debatten mit Populisten geändert hat. Schließlich sollen noch mögliche Gegenstrategien erörtert und bewertet werden. Hauptsächlich geht es in dieser Ausarbeitung um die rhetorischen Mittel der Rechtspopulisten, da Populisten, die politisch links einzustufen sind, nicht in derselben Häufigkeit und Intensität auftreten wie Rechtspopulisten.
Reizwörter und Tabubrüche
Tabubrüche
Ein zentrales Instrument der Rhetorik der Rechtspopulisten ist es, Tabus zu brechen. Hierunter fallen Provokationen, Skandalisierungen und demagogische Zuspitzungen. Dies alles zielt darauf ab, Schlagzeilen zu machen. So steht beispielsweise im Strategiepapier der AfD vom Bundestagswahlkampf aus dem Jahr 2016:
„Harte und provokante Slogans sind wichtiger als lange, um Differenzierung bemühte Sätze, die es allen recht machen wollen.“ Und man müsse „ganz bewusst und ganz gezielt immer wieder politisch inkorrekt sein.“ (vgl. Leif, Gensing: AfD-Strategiepapier: Provokation statt Problemlösung, 2017)Hierdurch wird versucht zu suggerieren, dass es trotz angeblich geltender Verbote für sie ein Anliegen sei, „die Wahrheit“ auszusprechen. Hierbei wird darauf hingewiesen, dass es zu einer „Tabuisierung der Wahrheit“ gekommen sei und man nicht davor zurückschrecke, mit diesen vermeintlichen Tabus zu brechen und die Realität nun endlich enttabuisiert sei (vgl. Zimmermann, Kurt: „Spiegel der Kulturen“, 2016).
Hierbei wird auf eine eher einfache, nicht-wissenschaftliche Sprache zurückgegriffen, die stark an Stammtischparolen erinnern. Auch Emotionen und Gefühle spielen eine größere Rolle als überprüfbare Fakten. Unter diesem Deckmantel werden jedoch rassistische, reaktionäre, sexistische, fremdenfeindliche und völkische Denkweisen transportiert, die mit allerhand Denunzierungen und Beleidigungen einhergehen.
Mit dem Stilmittel des Tabubruchs geht die Selbstinszenierung als Opfer Hand in Hand. Es wird impliziert, dass man nicht mehr frei die Meinung äußern könne und diese von keinem mehr gehört werde. Hiermit wird auf ein wichtiges demokratisches Instrument verwiesen, dass hier in völlig verquere Kontexte gesetzt wird (vgl. Franziska Schutzbach: Die Rhetorik der Rechten - Die Rechtspopulistische Diskursstrategie im Überblick, S.57ff., 2018). Auch sogenannte Reizwörter spielen hier eine große Rolle.
Reizwörter
Dieser Begriff umfasst eine Reihe von Schlagwörtern, Kampfvokabeln, kalkulierte, provozierende Verstöße gegen das Höflichkeits- und das Taktempfinden. Hiermit wird versucht, die Tabubruchthematik noch zu verstärken und ist essentieller Bestandteil dieser. Hierbei wird versucht, möglichst viel Anstoß im öffentlichen Diskurs zu erregen. Prominente Beispiele finden sich in jüngster Vergangenheit bei der rechtspopulistischen Partei AfD. Hier werden Wörter wie „Vogelschiss“, „Entsorgung“, „Mahnmal der Schande“ und „Messermänner“ verwendet.
Die verwendeten Wörter sind weder verboten noch per se nationalistisch oder rassistisch, jedoch in den jeweiligen Kontexten verbreiten sie ebenjenes Gedankengut. So warnte beispielsweise Beatrix von Storch in einem Tweet vor: „barbarische[n], muslimische[n], gruppenvergewaltigende[n] Männerhorden.“ Hierbei ging sie darauf ein, dass eine Polizeistelle in NRW auf arabisch getwittert hatte. Durch solche Reizwörter wird aktiv und klar kalkuliert gegen die „political correctness“ verstoßen und somit Öffentlichkeit generiert.
Dass es sich hierbei z.T. um klar rassistische und fremdenfeindliche Ausdrücke handelt, ist Vielen bewusst, doch dies wird von wichtigen Funktionären mit „das wird man ja wohl noch sagen dürfen“ abgetan. Durch diese Abwehrhaltung wird wieder der Versuch unternommen, sich in die Opferrolle zu drängen und zu suggerieren, dass man zensiert würde (vgl. Detering 2019, S. 7-11).
„Das Volk“ versus „die anderen“
„Das Volk“ gegen die „Eliten“
Franziska Schutzbach verwendet in ihrem Werk „Die Rhetorik der Rechten - Die rechtspopulistische Diskursstrategie im Überblick“ folgende Definition:
„Rechtspopulistische Rhetorik gibt vor, die Interessen des „einfachen Volkes“ gegenüber „den Eliten“ oder „dem Establishment“ zu vertreten. Dabei wird eine homogene Vorstellung von „Volk“ stark gemacht.“ (vgl. S. 43)Zentraler Aspekt der Rhetorik des Populismus ist die Ablehnung der „herrschenden Elite“. Hier wird den vermeintlich Machthabenden unterstellt, den wahren Volkswillen, nicht (mehr) zu vertreten. Das „einfache Volk“, also die Basis der Gesellschaft, wird laut Argumentationsstrategie der Populisten abgehängt und ausgegrenzt. (vgl. http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtspopulismus/240089/rechtspopulismus-erscheinungsformen-ursachen-und-gegenstrategeien, letzter Zugriff: 14.09.19, 14:09). Hier findet eine Schuldzuweisung „nach oben“ statt. „Die Eliten“ oder „das Establishment“ werden als Feindbild erkannt.
Im linken Populismus wird „das Volk“ in der Regel als inklusiv definiert. Hiermit ist gemeint, dass sich das Volk aus der Summe quasi aller „kleinen Leute“ zusammensetzt. Im rechten Populismus hingegen, wird „das Volk“ als exklusiv definiert. Hiermit ist gemeint, dass sich „das Volk“ aus den „eigenen Leuten“ zusammensetzt (oder wie die FPÖ zu sagen pflegt: „unsere Leut“, oder Donald Trump: „the real americans“).
Die „Eliten“ werden jedoch nicht sehr genau, sondern eher vage definiert. Es fallen Unternehmen, Institutionen, Politiker und Wissenschaften darunter. Jedoch auch „der Staat“, was jedoch auch nicht näher definiert wird. Beliebte weitere, vermeintlich elitäre Feindbilder sind die EU, die UNO, aber auch die Menschenrechte etc. Ebenfalls werden ausgewählte Medien als „Lügenpresse“ denunziert. Diese Vorgehensweise wird als „Elite-Bashing“ beschrieben und enthält teilweise verschwörungstheoretische Ansätze (vgl. Schutzbach 2018, S. 43).
Ziel dieser Vorgehensweise ist, sich einen Außenseiterstatus zu erarbeiten. Somit wird versucht, sich als Sprecher der „kleinen Leute“, des „einfachen Volks“ zu geben. Natürlich wird dies als Instrument dahingehend benutzt, um Wähler zu gewinnen. Denn praktisch jeder kann sich dem vermeintlichen „Volk“ zugehörig fühlen. Die Frankfurter Rundschau bezeichnet dies als den „Außenseiter-Trick“ und geht darauf ein, dass hierdurch Sympathien geschaffen werden können.
Hinzu kommen psychologische Faktoren: Es ist bedeutend einfacher, etwas abzulehnen, als für etwas zu sein. Es wird auch an das Gefühl, nichts bewegen zu können, und das Gefühl des Zukurzkommens angeknüpft, da man gegen einen zu mächtigen, undurchsichtigen Staatsapparat angekämpft, und diese Gefühle werden instrumentalisiert. Man liefert auch gleich den passenden Schuldigen: „Die Eliten“.
Dem potentiellen Wähler der Populisten soll auch suggeriert werden, dass seine Anliegen ernst genommen werden und diese vertreten werden, da es sich ja um Vertreter des „Volkes“ handele. So führte auch Donald Trump seinen Wahlkampf. Er gab sich als volksnahen „Anti-Politiker“, der von dem „Establishment“ und den „Eliten“ nichts hielt. Obwohl er sehr wohl, zumindest wirtschaftlich, zu den Eliten gehört.
Zu alledem wird auch den bisherigen Politikern und Parteien die Legitimation entzogen, da sie vermeintlich nicht das „Volk“ vertreten. Allgemein ist festzustellen, dass bei fast allen rechtspopulistischen Politikern diese Abgrenzung „nach oben“ stattfindet. (vgl. Schutzbach 2018, S. 44f.).
„Das Volk“ gegen „die da unten“
In der Rhetorik des Rechtspopulismus findet jedoch nicht nur die Abgrenzung nach „oben“ statt, sondern meist auch nach „unten“. Im Artikel von Doris Sottopietra, heißt es:
„...[der] höchst[e] Wert ist die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, die – wie im Falle von "Volk" oder "Rasse" – nicht existiert und deshalb konstruiert wird. Diese Zugehörigkeit bringt den automatischen Ausschluss und die Abwertung "Anderer" (seien dies gewisse soziale Gruppen, Fremde, Einwanderer etc.)“. (vgl.: Sottopietra 1998).Es ist immer wieder festzustellen, dass es bei rechtspopulistischen Formierungen zur Exklusion von Minderheiten kommt. So auch beim US-Präsident Donald Trump. Dieser definierte in seinen Reden „the real americans“ als weiß und christlich. Dies schließt im Gegenzug alle Menschen im Land aus, die eine andere Hautfarbe haben oder einen anderen Glauben pflegen. Hier wird nicht nur rhetorisch gegen die „Eliten“ vorgegangen, sondern auch gegen Randgruppen.
Argumentationsstrukturen und Strategien
Zweideutigkeit
Hierbei handelt es sich um ein geläufiges Stilmittel der parlamentarischen Rechten. Es geht darum, dass rhetorisch gesehen eine feste Position eingenommen wird, diese dann aber in einem anderen Kontext wieder verlassen wird. Hierzu formuliert Politikredakteur Matthias Kamann in einem Welt-online Artikel vom 18.01.2017 über die Björn Höcke-Rede einen treffenden Satz:
„Doppeldeutig ist etwa die Wendung „Denkmal der Schande“. Bedeuten kann sie einerseits, dass es sich um ein „Denkmal zur Erinnerung an eine Schande“ handelt. Andererseits und genauso aber kann damit ein „schändliches Denkmal“ gemeint sein.“Hier wird klar, dass viel Interprationsspielraum gegeben ist. Zum einen könnten klar antisemitische Äußerungen unterstellt werden, aber zum anderen kann auch gemeint sein, dass der Holocaust eine Schande war, die durch dieses Denkmal symbolisiert wird. Hier wird es schwierig, denn die genaue Intention ist nur schwer festzustellen. Björn Höcke stieß auf große Kritik. Doch dieser sah sich natürlich wieder in der Rolle des Opfers. Die Medien verdrehen die Fakten, hieß es von Seiten der AfD, Höcke würden die Worte im Mund herumgedreht.
Doch auf genau das zielen solche rhetorischen Strategien ab: Eine Information wird einem Publikum präsentiert, welche diese in einen Kontext einordnet. (Wie zuvor bei den Tabubrüchen und Reizwörtern erörtert, handelt es sich nicht um verbotene Aussagen oder ähnliches.) Dann wird das Gesagte von der Öffentlichkeit kritisiert und dann wird dies, von Seiten der Redner als Unterstellung abgetan. Die wahre Intention ist schwer festzustellen. Das Argument frei nach dem Motto „so war das nicht gemeint“ wird in diesem Kontext häufig verwendet (vgl. Detering 2019, S. 17-20).
Ethnopluralismus anstelle von Rassismus
Viele der rechtspopulistischen Parteien gehen aktuell auf Distanz zu dem klassischen biologischen Rassismus. Man spricht nicht mehr von „Rassen“, die den Menschen definieren, sondern es wird von verschiedenen Völkern gesprochen. Diese Völker unterscheiden sich durch ihre kulturelle Identität. Diese spricht den jeweiligen Gruppen unterschiedliche Eigenschaften zu. Der Erhalt der eigenen kulturellen Identität, steht bei allen parlamentarisch Rechten im Programm. So heißt es im AfD Wahlprogramm:
"[…] unsere kulturelle Identität ist die Antwort auf die Frage, wer wir sind. Identität ist nichts Nebensächliches, kein Mantel, den man an- und wieder ablegen kann, wie es einem beliebt, sondern der Kern unserer Existenz. Was heißt es, Deutscher zu sein? Welches Verhalten, welche Sitten und Gebräuche gehören hier her und welche nicht? Wo verläuft die Grenze zwischen dem Eigenen und dem Fremden?“Hier ist wieder die Rede von den „Fremden“, gegen welche eine Abgrenzung vorgenommen wird. Entsprechend ist der Ethnopluralismus auch mit dem Nationalsozialismus verbunden. Es ist nun sogar einfacher zu argumentieren, dass ein Mensch aufgrund seiner Herkunft nicht zu unserer Kultur passt, wie es bei einer anderen Hautfarbe möglich gewesen wäre. Jedoch verstecken sich unter dem Mantel der „Vielfaltideologie“ klare fremdenfeindliche Züge. Proklamiert wird der Schutz der eigenen Kultur und die Abgrenzung nach außen (vgl. Stöss 2017).
Emotion statt Argumente
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Rhetorik der Rechtspopulisten ist, dass bewusst nicht rational, sondern emotional argumentiert wird. Hier werden Ängste, Vorurteile, Hass und Empörung geschürt. Sie wollen dabei bewusst an vorhandene Ressentiments und Gefühle des Unbehagens anknüpfen und wollen diesen vorhandenen Stimmungen den Anschein von Berechtigung geben und diese verstärken.
Man spricht auch von einer „vorurteiligen Rhetorik“, mit welcher der Rechtspopulismus versucht, aufgrund von Vorurteilen und Stereotypen ein Bild von einer bestimmten Gruppe aufzubauen (vgl. Knapperbusch 2017, S. 51-70). Hier lässt sich auch wieder das Zitat von Beatrix von Storch als Beispiel heranziehen. Sie bezeichnet Gruppen von Migranten als Gruppenvergewaltiger. Dies schürt Angst und Hass beim Zuhörer und suggeriert, dass es sich bei allen Migranten mit muslimischem Hintergrund um schwere Sexualverbrecher handelt. Dieser Aussage fehlt jedoch jegliche faktische Grundlage. Das Gefühl, das mit dieser Aussage bedient wurde, bleibt jedoch weiterhin bestehen und so können Vorurteile weiterhin bestehen.
Man sollte sich zudem im Klaren sein, dass es sich bei diesen Wortführern und Wortführerinnen der rechtspopulistischen Parteien nicht um Personen handeln, die einen veralteten Blick auf gesellschaftlich relevante Themen wie Migration haben oder es einfach nicht „besser wissen“. Nein, es handelt sich vielmehr um Personen, die bewusst entschieden haben, xenophobe, rassistische, homophobe, islamophobe, sexistische etc. Gefühle zu bedienen, zu verstärken und gesellschaftlich akzeptabel zu machen. Franziska Schutzbach bringt eine daraus resultierende Konsequenz auf den Punkt:
„Es sind Leute, die dazu beitragen, dass zum Beispiel jemand wie Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt wird - und zwar nicht obwohl er sexistische Ansichten vertritt, sondern weil er „sich traut“, bestimmten Ressentiments freien Lauf zu lassen.“ (Schutzbach 2018, S. 53)Gerade weil es letzten Endes um Emotionen bei den Reden der Rechtspopulisten geht, wird nicht auf belegbare Fakten gesetzt, sondern diese z.T. gezielt umgangen. Franziska Schutzbach vergleicht dies mit der Tageszeitung „Bild“. Diese setze auch fast ausschließlich auf reißerische Schlagzeilen, wobei die Faktenlage auf der Strecke bleibt. Dennoch handelt es sich um Deutschlands meistverkaufte Tageszeitung.
Rhetorik der Angst
Wie beschrieben, ist die Adressierung von Emotionen wichtiger Bestandteil der rechtspopulistischen Rhetorik. Ein großer Bestandteil dieser Strategie ist das Schüren von Ängsten. Dies ist eine durchgängige und übergeordnete Strategie- und Kampagnenlogik. Populär sind apokalyptische Bedrohungsszenarien, die „das Volk“ erwarten würden und vor denen es bewahrt werden müsse. Passend hierfür wird meist ein Verantwortlicher oder ein Sündenbock benannt. Hierbei geht es um innere sowie äußere Feinde. Populär hierbei sind: Menschen mit Migrationshintergrund, Geflüchtete, Menschen jüdischen Glaubens, Fahrendes Volk wie Roma oder Sinti, Menschen islamischen Glaubens, Feministen, Homosexuelle oder andere Minderheiten.
Hierbei werden Falschinformationen wie z.B. die Höhe der Flüchtlingszahlen, Kriminalstatistiken etc. verbreitet, um einen Sündenbock zu kreieren. Es kommt zum bewussten Verbreiten von Lügen: Es heißt z.B. von Seiten der AfD, Bundeskanzlerin Merkel habe „die Grenzen geöffnet“. Das Bedürfnis nach einem gefährlichen Gegenüber, auf den man seine Angst abladen kann, wird bedient. Dies verschafft den Debatten dann den Anschein einer Plausibilität.
Angesichts der „Islam- und Flüchtlingsdebatten“, der letzten Jahre ist es kaum verwunderlich, dass sich viele Rechtspopulisten diese Themen herauspicken und hier Angst schüren. Es werden in diesem Kontext auch viele angstmachende Wörter wie „ Masseneinwanderung“, „Asyltourismus“ oder „Flüchtlingsfluten“ verwendet. Dies soll die Angst weiter schüren.
Zu diesen geschürten Ängsten bieten sie praktischerweise einfache Lösungen an oder suggerieren zumindest, dass sie sich dieser Ängste annehmen und diese ernst nehmen. So wird zum Beispiel die komplette Flüchtlingsproblematik durch einfache Grenzschließungen gelöst (vgl. Schutzbach 2018, S. 54-56).
Aufhebung des Links-rechts Schemas
Hierbei handelt es sich um eine fundamentale Argumentationsstruktur. Hier behaupten Rechtspopulisten, dass sie außerhalb des Links-rechts Schemas agieren. Das bedeutet, sie behaupten, sie haben keine politische Ausrichtung, was sie als unidiologisch und vernünftig wirken lässt. Oft bezeichnen sie sich als Personen mit „gesundem Menschenverstand“ oder „Hausverstand“. Sie weisen allgemein die Einteilung in das Schema zurück. Hierzu sagte die ehemalige AfD-Parteisprecherin Petry:
„Rechts und Links sind Begriffe, die schon lange nicht mehr gelten.“In der Politikwissenschaft nennt man eine solche Abgrenzung „Äquidistanz“. (vgl.: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/maischberger-ueber-die-afd-hochdemokratisch-verfassungsfeindlich-eine-luegenpartei/12889320.html letzter Zugriff: 22.09. 09:45 Uhr)
Durch diese Rhetorik erscheinen die Rechtspopulisten als mittig, neutral, vernünftig, unideologisch und „normal“. Diese programmatische Auflösung des bekannten Schemas ist eine Strategie, die den Populisten vieles eröffnet. Es macht z.B. viele verschiedene Thesen, die vorher als klar rechte Ideologie einzustufen gewesen war, salonfähig, da man sich ja klar von rechts distanziert und dies als vermeintlich vernünftige Ansicht hingestellt wird. Ebenso legitimiert es die Rechtspopulisten als eine Partei, die von jedermann gewählt werden kann. (vgl. https://youtube.com/watch?v=vBa-UItJUG0, letzter Zugriff: 22.09. 10:58Uhr)
Positionierung als seriöse Diskurspartner
In der Regel formulieren Rechtspopulisten keine klar rassistischen, oder sogar neonazistischen Positionen, die als Hetze abgestraft werden könnten. Sie argumentieren meistens so, dass sie gerade noch so im Bereich des Erlaubtem, im Rahmen des Rechts agieren. Extreme Ansichten werden so kodiert, dass sie im gesellschaftlichen Diskurs andocken können. Jedoch verbirgt sich eine ganz andere Information dahinter.
Ein passendes Beispiel ist Alexander Gaulands „Vogelschiss“-Aussage. Wie bereits ausgeführt, enthält diese Aussage gleich mehrere Informationen, die jeder Hörer verschieden interpretieren kann (das so genannte „coding“). Hierdurch wird versucht, das Image der „Ewiggestrigen“ abzustreifen und sich selbst als legitime Diskurspartner ins Gespräch einzubringen.
Zu dieser Strategie gehört auch, dass Gäste aus anderen politischen Richtungen eingeladen werden. Hiermit inszenieren sie sich als ausgewogen und seriös. Solche Einladungen ermöglichen es den Rechtspopulisten, ihre Themen als „normale Debatten“ zu tarnen und diese in den öffentlichen Diskurs einfließen zu lassen (vgl. Schutzbach 2018, S. 60-62).
Diskussionsbereitschaft als Falle
Rechtspopulisten setzten darauf, dass sie in Talkshows oder öffentliche Diskussionen eingeladen werden, weil ihre Gegenüber darauf setzen, sie argumentativ entkräften und bloßstellen zu können. Ihnen ist dabei bewusst, dass die erwünschte Wirkung ihrer Gegenüber nur selten eintritt, obwohl sie mit Argumenten entkräftet wurden.
Rechtspopulistische Parteien, im speziellen die AfD, gewinnt ihre Sympathien nicht dadurch, die besseren Argumente für sich beanspruchen zu können, sie gewinnt, obwohl es bessere Argumente gibt. Obwohl das Internet und der öffentliche Diskurs voller besserer Gegenargumente sind, zog die AfD zweistellig in den Bundestag ein.
Dadurch, dass Rechtspopulisten immer öfters miteinbezogen werden in Debatten und in öffentliche Diskussionen, können sie mitbestimmen, was thematisiert wird. So wählen sie Themen aus, die für sie von Bedeutung sind und mit denen sie am besten Ressentiments verbreiten können (Migration, Islam, Gleichstellung, Feminismus etc.). Durch diese Themenwahl können sich die Populisten sicher sein, dass viele der Zuhörer für die Mobilisierung von Affekten empfänglicher sind als für faktenbasierte Argumente. Hierbei muss man zusätzlich beachten, dass Menschen, die eine rassistische Gesinnung hegen, dies nicht tun, weil es keine Gegenargumente hierfür gibt. Sie tun dies, weil sie es so fühlen oder eben wollen. Dies lässt sich auf viele Themen der Populisten übertragen.
Ebenfalls kommt es zu einer ganz anderen Wahrnehmung, wenn Rechtspopulisten argumentativ entkräftet oder durch eine Diskussion bloßgestellt werden. Ihre dafür empfänglichen Zuhörer nehmen dies nicht so wahr und reagieren eher positiv darauf. Kurz gesagt: Rechtspopulistische Redner können damit rechnen, dass ihre Reden trotz besserer Argumente und nachweisbaren Fakten als positiv von ihren Zuschauern aufgenommen werden (vgl.: Milbrandt et al. 2017, S. 133-150).
Antifeminismus und Antigender als gemeinsamer Nenner
Rechtspopulisten beschwören einen angeblich starken Werteverfall in unserer Gesellschaft. Sie halten die Vorstellung hoch, es gebe eine natürliche Ordnung, die es aufrechtzuerhalten gelte. Hierbei geht es zentral um Geschlechter und Sexualfragen. Diese werden politisiert mit dem Ziel, die traditionellen Geschlechterverhältnisse zu zementieren. Ihre Politisierung dient als gemeinsamer Nenner von recht unterschiedlichen politischen Lagern. Dies ermöglicht ein großes Zustimmungsspektrum aus verschiedenen politischen Akteuren. Hier sind Querverbindungen zwischen den bürgerlichen, christlich-fundamentalistischen und maskulinistischen Lagern möglich (vgl. Hark et al. 2015, S. 201-207).
Mit dieser Politisierung lassen sich zentrale Themen wie z.B. Geschlecht, Sexualität, Abtreibung etc. ansprechen, welche dann emotionalisiert werden. Hinzu kommen dann plakative Angstvokabeln und Reizwörter wie „Krise der Männer“, „Feminisierung der Männer“, „Homo- und Transsexualisierung“. Hierbei wird stark polarisiert und ein Feindbild des „inneren“ heraufbeschworen.
Die Themenwahl eignet sich perfekt für die Rechtspopulisten und reiht sich meist problemlos in die diversen Parteiprogrammatiken ein. Ebenfalls eignet sich diese Thematik hervorragend für Populisten, da quasi jeder mitreden kann, ohne viel Vorwissen zu besitzen, und so Ängste und Sorgen geschürt werden können. Ebenfalls können wieder einfache Lösungen für vermeintliche Probleme angeboten werden. So heißt es z.B. „Frauen müssen sich auf ihre ursprüngliche Rollen zurückbesinnen.“
Das Wort „Gender“ wird in diesem Kontext zu einem Reizwort verzerrt und ins Lächerliche gezogen. Es wird davon ausgegangen, dass es zu einer ausufernden geschlechtlichen und sexuellen Pluralisierung gekommen ist. Birgit Kelle nennt dies „Gender Gaga“ und spricht von einem angeblichen „Gender-Wahn“.
Der Kern dieses Antifeminismus und der Anti-Gender-Argumentation ist es, die traditionellen Geschlechterverhältnisse zu stabilisieren und zurück zu einem hierarchischen Geschlechterverhältnis zu kommen. Hierbei werden Frauen nicht unbedingt als minderwertig angesehen, jedoch wird von einer „natürlichen Geschlechterdifferenzierung“ gesprochen. Mit anderen Worten: Trotz gleicher Rechte sind Mann und Frau von Natur aus verschieden. Deshalb sei es notwendig, dass die Ungleichheit fortbestehe, da dies natürlich sei (vgl. Schutzbach 2018, S. 95-100).
Lösungsstrategien und Fazit
Die wichtigsten rhetorischen Stilmittel sind erörtert worden. Nun gilt es, mögliche Lösungsstrategien zu skizzieren. Doch dies gestaltet sich schwieriger als gedacht. Viele versuchten in Debatten und in der Öffentlichkeit, Rechtspopulisten zu entlarven und sie argumentativ zu entkräften, doch der Erfolg der Rechtspopulisten weltweit spricht für sich. Manche sprechen schon von einem „postfaktischem Zeitalter“, in dem Emotionen wichtiger sind als belegbare Fakten.
Ebenfalls ändert sich der politische Ton durch die Tabubrüche und die Reizwörter signifikant. Hier ist es an den Politikern oder den Gesprächspartnern, die Grenzen des Sagbaren einzuhalten. Denn durch diese Stilmittel ändert sich die Debatte grundlegend. Es muss klar gemacht werden, bei welchen Aussagen es sich um Floskeln oder diskriminierende Äußerungen handelt, und diese müssen argumentativ unterbunden werden. Auch dürfen klar rassistische Äußerungen und Aussagen nicht toleriert werden. Es darf sich jedoch keinesfalls auf die gleiche Ebene herabbegeben werden. Es ist wichtig, immer und immer wieder auf die Unwahrheit hinzuweisen und zu versuchen, solche Tabubrüche zu unterbinden. Denn eines ist schwer: Sind die Grenzen des Sagbaren erst einmal verschoben, ist es schwer, zum ursprünglichen Zustand zurückzukehren.
Auch erweist es sich als schwierig, von den emotional aufgeladenen Diskussionen wieder zu den Fakten zurückzukommen. Denn scheinbar ist das Andocken an bestehende Gefühle sehr effektiv. Dennoch darf nie aufgehört werden, die Faktenlage der Rechtspopulisten aufzudecken, denn selbst wenn diese einen großen Zustrom an Wählern haben, gibt es immer noch viele Menschen, die hinter die Fassade blicken können und die es verdienen, die beweisbaren Grundlagen zu erfahren.
Ebenfalls dürfen die Diskussionen weiterhin nicht gescheut werden. Wie erörtert wurde, ist dies ebenfalls eine Strategie der parlamentarischen Rechten, dennoch darf nie unterlasen werden, diese zu entlarven. Das Hauptziel der politischen Bildung ist die Herausbildung von mündigen Bürgern. Dieses Ziel sollte mehr denn je verfolgt werden. Um es mit den Worten von Immanuel Kant zu sagen: Sapere Aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! Aufklärung und die Schaffung mündiger, selbstbewusster Bürger scheint die einzige sinnvolle Lösung im „Kampf“ gegen Rechtspopulisten.
Literaturverzeichnis
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