Sonntag, 10. März 2019

Rezension zu Zick/Küpper: Wut, Verachtung, Abwertung

Küpper, Beate / Zick, Andreas (Hg.) (2015), Wut, Verachtung, Abwertung – Rechtspopulismus in Deutschland, Dietz.

Rezension

Autorin: Melisa Duran

In dem Werk „Wut, Verachtung, Abwertung - Rechtspopulismus in Deutschland“ werden die verschiedenen Formen des neuen Rechtspopulismus sowie die Ängste und Einstellungen der Menschen in Deutschland analysiert. Der Rechtspopulismus wird in Deutschland immer deutlicher und das zeigt sich bei den Pegida-Demonstrationen, in öffentlichen Debatten und an der Existenz der Partei AfD. Es wird gegen alles, was fremd erscheint, gehetzt, wie Muslime und Flüchtlinge sowie die derzeitige Politik und die Medien. Der mit dieser Richtung sympathisierende Teil der Bevölkerung wünscht sich eine "homogene" Gemeinschaft. Die Entwicklungen bedrohen das multikulturelle Zusammenleben, das demokratische System und die Pluralität der Gesellschaft in Deutschland. Das Buch ist ein Sammelband und nimmt auch Bezug zu den Mitte-Studien der Friedrich-Ebert-Stiftung. Außer der Einleitung und dem Interview mit Heiko Maas hat es insgesamt elf Kapitel und umfasst 220 Seiten.

In der Einleitung gehen die Autoren auf den Titel des Werkes ein und geben einen spannenden Überblick über die Themen der nächsten Kapitel. Dieser sogenannte „Dreiklang“ des Themas „Wut, Verachtung und Abwertung“ soll die politische Stimmungslage in Deutschland verdeutlichen. Zick und Küpper gehen hier auf die fortgeschrittene Polarisierung ein, dass auf der einen Seite eine „Willkommenskultur“ herrscht und auf der anderen Seite eine „gewaltbereite Stimmung“ zu spüren ist. Alles was „fremd“ ist, wird abgewertet. Zuerst waren es die Muslime, doch nun gehören auch andere soziale Gruppen dazu, wie etwa Roma, Einwanderer, Juden, homosexuelle Menschen und viele mehr.

Die Autoren gehen auch immer wieder auf die Befunde der Mitte-Studien der letzten Jahre ein und erklären ihre Aussagen auf dieser Grundlage. Nach den Ergebnissen der Studie der letzten Jahre ist diese wutgeladene Stimmung nicht neu und die Gesellschaft ist heute sogar toleranter als vor zehn Jahren. Finden sich rechtspopulistische und rechtsextreme Propagandisten, die die Menschen in ihrer wutgeladenen Stimmung abholen bzw. sie in diese Stimmung bringen, so entsteht diese insgesamte negative Stimmung in einem Teil der Bevölkerung.

Im nächsten Kapitel „Gewalt entsteht im Kopf“ wird ein Interview mit dem (damaligen) Bundesjustizminister Heiko Maas dokumentiert. Ralf Melzer stellt die Fragen. Im Interview geht es zuerst um die Kritik von Maas, dass Facebook nicht genug gegen Hetze und Rassismus vorgeht und unangemessene Kommentare trotz Anfragen von Usern nicht gelöscht werden. Wir erfahren, dass auch durch Posts und Mails Rassismus und Hass verbreitet werden und Facebook nicht die einzige Online- Plattform ist, auf der solche Aktionen stattfinden.

Hasskriminalität hat auch in der realen Welt ihren Platz gefunden. Straftaten, die ein rassistisches Motiv aufzeigen, sollen durch die Änderung des § 46 StGB von den Gerichten stärker berücksichtigt werden. Im Interview geht Melzer darauf ein, dass Rechtsextreme und Rechtspopulisten die Flüchtlingskrise für ihre eigenen Vorteile missbrauchen. Heiko Maas lobt die Willkommenskultur sowie die Unterstützung ehrenamtlicher Helfer, von privaten Initiativen, Kirchen, Polizisten und Soldaten, die viel leisten. Er gibt zu, dass die Vielfalt der Kulturen, der Religionen und der Traditionen eine Herausforderung darstellt, jedoch ist er der Meinung, dass die Menschlichkeit stärker ist als der Hass.

Im nächsten Kapitel „PEGIDA in den Köpfen – Wie rechtspopulistisch ist Deutschland?“ beantworten Beate Küpper, Andreas Zick und Daniela Krause diese Frage in zwei Teilen des Kapitels. Im ersten Teil des Kapitels „Der Rechtspopulismus zeigt sein Gesicht“ wird wieder, wie in der Einleitung, die derzeitige wutgeladene Stimmung der „besorgten Bürger“ beschrieben. Hier wird auf die PEGIDA-Demonstrationen und die AfD sowie auf deren Hass eingegangen. Dieser erste Teil des Kapitels erzählt nichts Neues und leitet mit der Frage „Wie verbreitet sind diese rechtspopulistischen, „pegidamäßigen“ Einstellung in der breiten Bevölkerung, jenseits der Protestmärsche von PEGIDA und ihren Ablegern?“ über zum zweiten Teil „Rechtspopulistische Orientierung“.

Hier befassen sich die Autoren mit dem Begriff des Rechtspopulismus und der Rhetorik, die dahintersteckt. Es wird klar, dass zwei Muster zu erkennen sind, die die vertikale und die horizontale Dimension beschreiben. Mit der vertikalen Dimension wird von „denen da oben“ gesprochen. Damit sind die Politiker bzw. die Eliten gemeint. Die horizontale Dimension sind „wir hier unten“, das heißt das „einfache Volk“. Mit „den Anderen“ werden die Gruppen gemeint, die anhand bestimmter Merkmale als „fremd“ angesehen werden.

Das dritte Kapitel „Messung rechtspopulistischer Orientierungen in der Studie Fragile Mitte 2014“ ist relativ kurz gehalten und umfasst nur zwei Seiten. Die repräsentative Studie von 2014 wird vorgestellt. Für diese Studie wurden über 2000 Personen ab 16 Jahren telefonisch befragt. Es wurden Aussagen vorgelesen, zu denen die Befragten jeweils ihre Zustimmung oder Ablehnung angegeben haben. Zu folgendem Ergebnis ist die Studie schließlich gekommen: 
„Auf Basis der empirischen Überprüfung lässt sich in der Tat ein zusammenhängendes, rechtspopulistisches Einstellungsmuster identifizieren und bestätigen, das sich aus folgenden Komponenten zusammensetzt, die aufgrund der empirischen Ergebnisse und theoretischen Überlegungen zu einem „Mittelwertindex Rechtspopulismus“ zusammengefasst wurden: Fremdenfeindlichkeit, Abwertung von Muslimen, Asylsuchenden sowie von Sinti und Roma, Law-and-Order-Autoritarismus und Demokratiemisstrauen.“ (vgl. Zick & Küpper 2015, S. 29)
Im Kapitel „Komponenten und Verbreitungen von Rechtspopulismus“ gibt es eine Reihe von Unterkapitel, die auf die Komponenten des Begriffs „Rechtspopulismus“ und somit des aktuellen rechtspopulistischen Einstellungsmusters und ihre Verteilung in der Bevölkerung eingehen. Auf Seite 33 findet sich die Tabelle „Erfassung und Verbreitung rechtspopulistischer Einstellungen in Deutschland 2014“, welche die Aussagen zeigt, die bei der Telefon-Befragung geäußert wurden. Auf Seite 37 findet sich die Tabelle „Erfassung und Verbreitung kollektiver Wut und Gewaltakzeptanz 2014“. Dieses Kapitel geht insgesamt nochmals genauer auf die Ergebnisse der Studie aus dem vorherigen Kapitel ein.

Weiter geht es mit dem Beitrag „Die Mitte und der „Genderwahn““ der Autorin Simone Rafael. Sie setzt sich mit dem populistischen Denken über Geschlechterrollen auseinander. Genderhasser und Gendergegner sind auch ein Thema, über das sie schreibt. Rafael zeigt exemplarisch, wie beispielsweise die AfD sich in ihrer Anti-Haltung bis hin zur Anti-Gender-Partei entwickelt hat.

Nun folgt das nächste Kapitel „„Sozialschmarotzer“- der marktförmige Extremismus der Rechtspopulisten“, worin Hövermann, Groß und Zick den marktförmigen Extremismus der Rechtspopulisten aufzeigen. Ein Zitat auf der Seite 96 fasst die Thematik gut zusammen: 
„Die Ökonomisierung der Gesellschaft hat problematische Folgen für das soziale Zusammenleben in einer Gesellschaft. Sie nutzt vorhandene Stereotypen, Vorurteile und Ungleichwertigkeitsideologien, die einer Marktlogik folgen und soziale Gruppen nach einer kalten Kosten-Nutzen-Berechnung diskriminieren. Das ist besonders gut sichtbar an der Unterscheidung zwischen ökonomisch wertvollen, „benötigten“ und ökonomisch vermeintlich weniger nützlichen Einwanderern und der Diskussion um die Frage, wer zahlt in die Sozialkassen und wer ist nur Belastung.“ (vgl. Zick & Küpper 2015, S. 96).
Franz Decker geht im nächsten Kapitel mit der Frage „Die Veränderungen der Parteienlandschaft durch das Aufkommen der AfD – ein dauerhaftes Phänomen?“ darauf ein, welche gesellschaftlichen Entwicklungen dazu beigetragen haben, dass eine rechtspopulistische Partei entstehen konnte. Seiner Ansicht nach wird deutlich, dass die Wähler von linken Parteien für konservativ-autoritäre Wert- und Ordnungsvorstellungen empfänglich sein können.

Alexander Häusler und Rainer Roeser zeigen mit ihrem Beitrag „Zwischen Euro-Kritik und rechtem Populismus: Merkmale und Dynamik des Rechtsdrucks in der AfD“ die parteipolitischen Strategien auf, wie die AfD die Flüchtlingskrise für ihre Zwecke missbraucht und innerhalb der Bevölkerung Angst- und Abwehrgefühle auslöst.

Gideon Botsch, Christoph Kopke und Alexander Lorenz gehen auf die folgende Frage ein: „Wie agiert die „Alternative für Deutschland“ vor Ort? Das Fallbeispiel Brandenburg“. Am Beispiel von Brandenburg werden die lokalen und regionalen Aktivitäten gezeigt. Dort erlangte die AfD im September 2014 mit 12,2 Prozent ihren (damals) größten Erfolg bei Landtagswahlen.

In „PEGIDA und die Radikalisierung von rechts - Beobachtungen einer menschenfeindlichen Bewegung“ zeigt Olaf Sundermeyer exemplarisch, wie Parolen wie „Lügenpresse“ zu einem Zusammenschluss von rechtsradikalen sowie fremdenfeindlichen Aktivitäten beitragen. Seiner Ansicht nach hat die Pegida den Antiflüchtlingsdiskurs radikalisiert und Sympathisanten fühlen sich bestätigt. Auch die Zahl rassistisch motivierter Straftaten hat zugenommen.

Im letzten Beitrag von Botsch und Kopke „Antisemitismus ohne Antisemiten?“ thematisieren die Autoren strategisch geplante und gesteuerte Mobilisierungen von Abneigungen und Vorurteilen gegenüber Juden und jüdischem Leben in Deutschland. Sie zeigen unter anderem auf, wie eindeutig rassistisches, rechtsextremistisches und antisemitisches Gedankengut in den Programmen verankert ist.

Fazit: Der Sammelband „Wut, Verachtung, Abwertung - Rechtspopulismus in Deutschland“ von Andreas Zick und Beate Küpper zeigt meiner Meinung nach eine besorgniserregende Entwicklung des Rechtspopulismus in Deutschland auf. Zwar werden im Buch sehr gut die unterschiedlichen Entstehungsgründe und die Gründe für die Entwicklung des Rechtpopulismus erläutert, jedoch fehlt mir persönlich die ausführlichere Auseinandersetzung mit dem Begriff des Rechtspopulismus. Die Überschriften der Kapitel finde ich teilweise als zu überspitzt ausgedrückt.

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