Wiebicke, Jürgen (2017), Zehn Regeln für Demokratie-Retter, Kiepenheuer & Witsch (oder: Lizenzausgabe für die bpb).
Rezension
Autor: Jan-Michael Sperling
Jürgen Wiebicke, 1962 in Köln geboren, ist ein freier Journalist, der seit 2011 auch als Autor tätig ist. Vor seiner Karriere als Journalist und Schriftsteller studierte Wiebicke Philosophie und Germanistik in Köln. 2012 wurde ihm der Medienethik-Preis META der Hochschule für Medien Stuttgart verliehen.
Sein neues Werk, welches 112 Seiten umfasst, ist seine Reaktion auf die Wahl von Donald Trump zum neuen Präsidenten der USA. Wie er im Vorwort schildert, kam ihm die Idee zu diesem Buch am Wahlabend Trumps, nachdem er den ganzen Tag über in fassungslose Gesichter schauen musste.
Mit seinem Werk versucht er, grundsätzlich auf zwei Dinge aufmerksam zu machen. Zum einen, dass die Demokratie immer ein unfertiges Konstrukt ist, an dem gearbeitet werden muss, und zum anderen, dass der Gefahr, die von rechts ausgeht in Form des Rechtspopulismus, mit sehr einfachen Mitteln der Wind aus den Segeln genommen werden kann.
Wiebicke verweist in seinem Buch immer wieder auf die politische Macht der Gesellschaft und dass sie es ist, welche die ersten Schritte zur Rettung der Demokratie gehen muss. Denn laut Wiebicke gelingt Demokratie am besten, wenn sie von unten ausgeht. Dieses Handlungskonzept müssen wir allerdings erst wieder neu entdecken und aufbauen. Ein blindes Vertrauen auf die Berufspolitik dagegen wird letzten Endes zu einem Scheitern der Demokratie führen.
In seinen "Zehn Regeln zur Rettung der Demokratie" schildert er sehr ausführlich und verständlich, mit welchen einfachen Mitteln einer Demokratie von unten herauf neues Leben eingehaucht werden kann. Er legt dabei sehr viel Wert auf die Grundgedanken der Demokratie, auf das Zusammenkommen in der Öffentlichkeit und das Gespräch. Unter andrem kritisiert er den Verlust von Versammlungsorten, an welchen ein gepflegter Austausch von Meinungen und Interessen stattfinden kann. Hierbei verweist er auf den französischen Ethnologen Marc Augé und seiner Theorie von „Nicht-Orte(n)“.
Ein weiterer Punkt, der von Wiebicke aufgegriffen wird, ist die Twitter-Demokratie. Anhand des Berliner Weihnachtsmarkt-Attentats versucht er aufzuzeigen, welchen negativen Einfluss die vornehmlich von Rechtspopulisten betriebene Twitter-Demokratie hat. Twitter wird hierbei nicht genutzt, um Fakten zu verbreiten, sondern viel mehr, um Gefühle zu verbreiten und Follower zu gewinnen. Er bezeichnet diese Leute als „Bullshitter“, angelehnt an die Theorie des Bullshitters, die der amerikanische Philosoph Harry Frankfurt aufgestellt hat.
Neben seinen zahlreichen Vorschlägen zur Wiederbelebung der Demokratie unternimmt der Autor auch Erklärungsversuche zum Aufstieg der AfD bzw. dem Rechtspopulismus. Hierbei legt er die Methoden und Werkzeuge des Rechtspopulismus offen. Er bietet allerdings auch Möglichkeiten, wie man sich gegen Rechtspopulismus wehren kann. Einer der Vorschläge ist es, ein öffentliches Gespräch mit Rechtspopulisten zu suchen und sie in Diskussionen über nicht-rechtspopulistische Themen wie z.B. dem Klimawandel zu verwickeln. Hierbei wird dann ganz schnell klar, dass die AfD-Politik nur aus heißer Luft besteht und keine wirkliche „Alternative“ darstellt.
Er betont aber auch, dass die AfD keine homogene Partei sei, viel mehr aus verschiedenen Gruppierungen zusammengesetzt ist. Aus diesem Grund sei es sehr wichtig, zu differenzieren und nicht alle AfD-Mitglieder über einen Kamm zu scheren. Den AfD-Sympathisanten muss die Möglichkeit geboten werden zurückzukommen. Denn ein Freund/Feind-Denken spiele den Rechtspopulisten gerade in die Hände.
Kritisch zu sehen ist, dass das Buch, obwohl es sehr verständlich und alltagsnah geschrieben ist, keinesfalls objektiv ist. Wiebicke präsentiert viel mehr eine persönliche Reflexion über regionale politische Ereignisse, wobei seine eher linke politische Haltung durchscheint. Die Umsetzbarkeit seiner Regeln sind auch nicht immer universell anwendbar. Sie setzen oftmals ein wie in den Beispielen beschriebenes Umfeld voraus (Stadt).
Abschließend kann ich sagen, dass Wiebickes "Zehn Regeln" sehr lohnenswert sind zu lesen. Sie sind einfach, verständlich und attraktiv geschrieben, so dass es während dem Lesen nicht zu zähen Abschnitten kommt. Dazu regen sie definitiv an, über die eigene Einstellung zur Demokratie/Politik nachzudenken. Man sollte aber beachten, dass diese zehn Regeln kein vollendeter "How to"-Guide für die Demokratie sind, sondern viel mehr ein Ratgeber, wie jeder einzelne die Demokratie mit seinen Fähigkeiten stärken und verbessern kann.
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