Der Gründungsparteitag der Alternative für Deutschland (AfD) wurde am 14. April 2013 in Berlin abgehalten. Innerhalb von nur wenigen Wochen gelang es der Partei, in allen Bundesländern Landesverbände zu gründen und die nötigen Schritte für eine Teilnahme an der anstehenden Bundestagswahl einzuleiten (vgl. Oppelland 2016).
Das zentrale Thema der AfD ist bis in den Spätsommer 2015 die Kritik am Euro. Mit dem Beginn der Flüchtlingskrise verschiebt sich der Themenschwerpunkt jedoch und national-konservative Aspekte gewinnen an Bedeutung (vgl. o.V. 2016a).
Gründung in Baden-Württemberg
Nur wenige Tage nach der Gründung der Bundespartei Alternative für Deutschland fand am 22. April 2013 in Karlsruhe der Gründungsparteitag des Landesverbandes Baden-Württemberg statt (vgl. AfD KV-Heilbronn). Nach Bayern, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz war Baden-Württemberg somit das siebte Bundesland mit einem Landesverband der Alternativen für Deutschland (vgl. RNF 2013).
Da im Herbst 2013 Bundestagswahlen anstanden, kamen die Parteimitglieder bereits am 4. Mai 2013 zum ersten Landesparteitag in Stuttgart zusammen. Auf diesem stellten sie die Landesliste für die bevorstehende Bundestagswahl auf (vgl. Breining 2013) und wählten Bernd Kölmel zu ihrem Spitzenkandidaten. Kölmel trat 2012 auf Grund von politischen Differenzen im Hinblick auf die Eurokrise aus der CDU aus. In der AfD fand er dann seine Interessen wieder, weshalb er gemeinsam mit fünf Kollegen im Auftrag des Bundesvorstandes der AfD die Parteistrukturen in Baden-Württemberg aufbaute (vgl. Wedekind 2013).
Um der gesetzlich vorgeschriebenen vertikalen Parteistruktur nachzukommen, wurden nach und nach auch Kreisverbände und Ortsverbände gegründet. Aktuell (Juni 2017) gibt es in Baden-Württemberg insgesamt 36 Kreisverbände (vgl. Landeszentrale für politische Bildung 2017).
Im Gründungsjahr des Landesverbandes 2013 wurde auch der Landesverband der Jugendorganisation der AfD, die „Junge Alternative für Deutschland“ (JA), ins Leben gerufen. Die Jugendorganisation versteht sich als programmatischer Innovationsmotor und soll Menschen zwischen dem 14. und dem 35. Lebensjahr ansprechen. Laut Homepage hat die JA in Baden-Württemberg aktuell 620 Mitglieder und zahlreiche Unterverbände (vgl. Junge Alternative Baden-Württemberg 2017).
Wahlen zwischen 2013 und 2015
An dieser Stelle werden lediglich ausgewählte Aspekte des Wahlprogrammes für die Bundestagswahl 2013 erwähnt, da diese bundesweit galten und nicht spezifisch für Baden-Württemberg waren. Eine wichtige Rolle nahm die Eurokritik ein. So forderte die AfD beispielsweise die Rückkehr zu nationalen Währungen. Weitere zentrale Aspekte des Wahlprogrammes waren die Forderung nach mehr direkter Teilhabe sowie die Ablehnung eines europäischen Bundesstaates. In Bezug auf die Zuwanderung forderte die AfD ein Einwanderungsgesetz, welches sich an jenem Kanadas orientiert (nähere Informationen zur Einwanderungspolitik Kanadas sind hier zu finden: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/kanadas-einwanderungs-punktesystem-wird-reformiert-13405077.html) (vgl. o.V. 2013).
Zwar erreichte die neue Partei bei der Bundestagswahl am 22. Semptember 2013 im Landesergebnis von Baden-Württemberg 5,2%, jedoch scheiterte sie im bundesweiten Endergebnis letztendlich mit 4,7% an der 5%-Hürde und ist deshalb im aktuellen Bundestag nicht vertreten (vgl. Landeszentrale für politische Bildung 2013).
Rund ein halbes Jahr nach der Bundestagswahl standen im Mai 2014 sowohl Kommunal- als auch Europawahlen an. Auf kommunaler Ebene erhielt die AfD 0,9% der gültigen Stimmen und insgesamt 18 Kreistagsmandate (vgl. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2014b).
Auf europäischer Ebene zeichnet sich ein anderes Bild ab. Wie bei der Bundestagwahl 2013 fällt das Wahlergebnis der AfD in Baden-Württemberg auch bei dieser Wahl höher aus als im Bundesvergleich. Bundesweit kam die AfD auf 7,1 %, was sieben Sitzen im europäischen Parlament entspricht. In Baden-Württemberg erhielt die AfD hingegen 7,9% der gültigen Stimmen (vgl. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2014a). Damit war Baden-Württemberg das westdeutsche Bundesland, in welchem die AfD den größten Zuspruch erfahren hat (vgl. Hensel et al. 2016, S. 20). Gleichzeitig wurde der Landesvorsitzende Bernd Kölmel, als dritter der Bundesliste, Abgeordneter des Europäischen Parlaments (vgl. AfD LV Berlin 2014).
Entwicklungen im baden-württembergischen Landesverband der AfD zwischen 2013 und 2015
Die Entwicklungen in der Bundespartei der AfD beeinflussten auch den baden-württembergischen Landesverband, weshalb an dieser Stelle kurz auf den bundespolitischen Machtkampf eingegangen wird. Als Stellvertreter des innerparteilichen Kampfes gelten auf liberal-konservativer Seite Bernd Lucke und auf der national-konservativen Seite Frauke Petry.
Befeuert wurde der Streit durch die grundlegenden Meinungsverschiedenheiten zu PEGIDA (http://www.pegida.de/) sowie Machtansprüche, welche vor allen Dingen die durch Wahlerfolge gestärkten ostdeutschen Landesverbände äußerten. Der Machtkampf eskalierte im Rahmen des Bundesparteitages im Juli 2015. Dort wurde Frauke Petry zur Vorsitzenden des Bundesvorstandes gewählt und somit Bernd Lucke ausgebootet. In einem weiteren Wahlgang wurde Jörg Meuthen als weiterer Vorsitzender gewählt (vgl. o.V. 2015b). In Folge des Bundesparteitages kam es dann zur Spaltung der Partei, wodurch es in der AfD zu einem Rechtsruck kam (vgl. Oppelland 2016).
Im Rahmen der Spaltung verließ Bernd Lucke die Partei. Ihm schlossen sich zahlreiche (hochrangige) Parteimitglieder an, unter anderem der Europaabgeordnete und Landessprecher der AfD Baden-Württemberg, Bernd Kölmel (vgl. o.V. 2015a).
Dies hatte auf der baden-württembergischen Landesebene zur Folge, dass sowohl organisatorische als auch politische Potentiale verloren gingen. So musste ein neuer Landessprecher gewählt werden. Dies geschah noch im Juli 2015 auf dem Landesparteitag in Pforzheim. Dort wurde Jörg Meuthen, gemeinsam mit Lothar Maier und Bernd Grimmer, zur Führungsspitze des Landesverbandes gewählt. Meuthen ist somit gleichzeitig Bundes- und Landesvorsitzender.
Durch die Wahl gelang es der Partei, das Bild einer Akademiker- und Professorenpartei zu wahren (vgl. Breining 2015). So ist Jörg Meuthen beispielsweise Wirtschaftsprofessor an der Hochschule Kehl, Lothar Maier ist emeritierter Professor an einer Hochschule in Hamburg und Bernd Grimmer ist ein promovierter Wirtschaftswissenschaftler.
Eine weitere Folge der Spaltung war der Rechtsruck der Partei. Dies zeigt sich beispielsweise darin, dass sechs der 14 Mitglieder des neuen Landesvorstandes die „Erfurter Resolution“ unterschrieben hatten (vgl. Hensel 2017, S. 49). Die Verfasser der „Erfurter Resolution“ kritisierten 2015 das Handeln der Partei im Jahr 2014, in welchem eine Annäherung an die etablierten Parteien stattfand. Sie fordern, dass die AfD sich wieder auf ihre Wurzeln besinnt und als „grundsätzliche, patriotische und demokratische Alternative zu den etablierten Parteien“ (Der Flügel 2015) auftritt, welche sich gegen die Gesellschaftsexperimente der vergangenen Jahre richte und kein Blatt vor den Mund nehme (vgl. Der Flügel 2015).
Landtagswahlen 2016
Lange vor den baden-württembergischen Landtagswahlen im März 2016 begannen in der AfD Baden-Württemberg die Vorbereitungen. So wurden beispielsweise bereits im Februar 2015 die Kandidaten der Wahlkreise Raststatt und Baden-Baden bekannt gegeben (vgl. o.V. 2015c). Im Oktober des Vorwahljahres wurde dann der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen zum Spitzenkandidaten der rechtskonservativen Partei gewählt sowie das Programm für die Landtagswahl 2016 veröffentlicht. Dieses wurde unter der Überschrift „Für unser Land – für unsere Werte“ veröffentlicht.
Das Programm beginnt mit der Präambel, in welcher die AfD zunächst die Stärken und Errungenschaften Baden-Württembergs hervorhebt. Diese sieht die Partei in der Zukunft auf Grund der aktuellen Politik der Bundes- sowie Landesregierung gefährdet und will mit einer konservativen Haltung dieser Entwicklung entgegenwirken. Auf die Präambel folgen elf Themenbereiche, in welchen die AfD ihre Pläne konkretisiert. Auf die politischen Ziele ausgewählter Themenbereiche soll im Folgenden eingegangen werden.
Die AfD in Baden-Württemberg steht „Für mehr Sicherheit und eine wirksamere Verbrechensbekämpfung“ (AfD BW 2015, S. 3). Hier will die Partei unter anderem Stellen bei der Polizei schaffen sowie die allgemeine Wehrpflicht wieder einführen. Des Weiteren steht die Partei „Für mehr direkte Demokratie, Bürgerrechte und Datenschutz“ (AfD BW 2015, S.3), weshalb sie beispielsweise die Bürgerbeteiligung erhöhen und Cyberkriminalität effektiver bekämpfen will.
Ein weiterer Themenbereich ist das „Ende der Massenzuwanderung und des Asylmissbrauchs“ (AfD BW 2015, S. 3). In diesem Zusammenhang erklärt es die AfD etwa zum Ziel, den Fokus der Politik wieder auf die Interessen des eigenen Landes und der Bürger zu lenken, in den Herkunftsländern der Flüchtlinge Auffanglager einzurichten und die Schengen-Verträge auszusetzen (vgl. AfD BW 2015, S. 8-25).
Viele der Kandidaten und Funktionäre der Südwest-AfD verfügen aufgrund ihres bisherigen beruflichen und politischen Werdegangs über Vorwissen und Ressourcen, welche dem Landtagswahlkampf zugutekommen. Gleichzeitig profitiert die AfD in Baden-Württemberg von ihrer hohen Mitgliederzahl sowie den flächendeckenden Organisationsstrukturen, wodurch auch Personengruppen in ländlichen Gebieten erreicht werden.
Neben dem klassischen Plakat- und Straßenwahlkampf initiiert die AfD auch Informationsveranstaltungen, Bürgergespräche und Vorträge, in welchen der Fokus aber nicht nur auf der Flüchtlingsdebatte lag, sondern auch andere Themenbereiche angesprochen wurden. Zwar stand in der Berichterstattung der Medien immer der Spitzenkandidat Jörg Meuthen im Vordergrund, auf lokaler Ebene gelang es den Direktkandidaten aber, sich durch eigene Veranstaltungen zu profilieren (vgl. Hensel et al. 2016, S. 18).
Zusätzliche Aufmerksamkeit erlangte der Landesverband der AfD im Zusammenhang mit der Elefantenrunde des SWR. Dabei plante der SWR, die Teilnehmer nach dem gleichen Verfahren auszuwählen, wie er es bereits bei der letzten Landtagswahl 2011 getan hatte. Damals wurden die Spitzenkandidaten jener Parteien eingeladen, die laut den Umfragen eine realistische Chance auf Sitze im Landtag hatten.
Da der AfD 2016 in Umfragen rund sechs bis zehn Prozent der Stimmen zugeschrieben wurden, sollte auch ihr Spitzenkandidat Jörg Meuthen zur Elefantenrunde eingeladen werden. Da jedoch die Spitzenkandidaten der Grünen sowie der SPD, Winfried Kretschmann und Nils Schmid, ihre Teilnahme verweigerten, sollte ein AfD-Vertreter ebenfalls teilnehmen, wurde Jörg Meuthen zunächst nicht eingeladen.
Daraufhin äußerte der Spitzenkandidat der AfD die Annahme, dass seine Partei auf Grund dieser Haltung wohl noch mehr Zuspruch erfahren würde. Zu demselben Ergebnis kam auch der Politikwissenschaftler Klaus Schröder in einem Interview mit Dirk-Oliver Heckmann, einem Redakteur des Deutschlandfunks:
„[…] es ist eine sehr schlechte Entscheidung, weil hiermit den Vorurteilen, die ohnehin in diesem rechtspopulistischen Milieu da sind, noch Nahrung gegeben wird. Jetzt kann sich verbreiten: Aha, die wollen nicht mit uns diskutieren, die können nicht mit uns diskutieren, die wollen uns außenvor lassen. Es wird eine Trotzreaktion geben. Das ist Wahlkampfhilfe für die AfD“ (Deutschlandfunk 2015).Nachdem allerdings bekannt wurde, dass die Spitzenkandidaten der damaligen Regierungsparteien an zwei Podiumsdiskussionen mit Vertretern der AfD teilnehmen, lenkten Kretschmann und Schmid ein, woraufhin am 10. März 2016 die Elefantenrunde mit den Spitzenkandidaten der SPD, der CDU, der Grünen, der FDP, der AfD und der Linken stattfand (vgl. Soldt 2016).
Bei der Landtagswahl am 13. März 2016 kam die AfD in Baden-Württemberg dann aus dem Stand auf 15,1%. Die Partei wurde damit nach den Grünen (30,3%) und der CDU (27,0%) drittstärkste Partei in Baden-Württemberg und verwies die Mitregierungspartei SPD (12,7%) auf den vierten Platz (vgl. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2016).
AfD-Wähler in Baden-Württemberg
Wenn es einer Partei gelingt, innerhalb von 3 Jahren aus dem Nichts zur drittstärksten Partei eines Bundeslandes aufzusteigen, lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die Wähler der AfD in Baden-Württemberg zu werfen.
Zunächst soll die Wählerwanderung näher beleuchtet werden. Insgesamt erhielt die AfD rund 800.000 Stimmen (vgl. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2016), jedoch spricht der Spiegel in seiner Darstellung von 750.000, weshalb der folgenden Ausführung diese Zahl zu Grunde liegt.
Die meisten Stimmen erhielt der Landesverband der AfD aus dem Lager der Nichtwähler (209.000 Stimmen) und der CDU (190.000 Stimmen). Dies ist insofern verwunderlich, als die CDU während der 15. Legislaturperiode zwischen 2011 und 2016 nicht an der Regierung war, weshalb die Wanderung vermutlich mit dem konservativeren Gedankengut der AfD zusammenhängt.
Weitere Wähler konnte die AfD aus dem Lager der sonstigen Parteien für sich gewinnen (155.000 Stimmen). 90.000 Personen, welche ihr Kreuz bei der letzten Wahl bei der SPD gesetzt hatten, gaben bei der Landtagswahl 2016 ihre Stimme der AfD. Bei den Grünen waren es immerhin 70.000 Wähler, bei den Linken 22.000 und bei der FDP 18.000 Wähler, welche zur AfD wanderten.
Im Hinblick auf die Altersstruktur der AfD-Wähler lässt sich sagen, dass 19% der Wähler zwischen 25-34 Jahre und 18% der Wähler zwischen 35-44 Jahre waren. Damit sind dies die Altersspannen, in denen die AfD am meisten gewählt wird. In den Altersgruppen davor (18-24 Jahre) bzw. danach (45-59 Jahre) ist der Zuspruch geringer (15 bzw. 16%). Erst ab einem Alter von 60 Jahren nimmt der Zuspruch deutlich ab (11%).
Tritt die Tätigkeit in den Vordergrund, welcher die Wähler nachgehen, so kann man feststellen, dass die AfD bei den Landtagswahlen die Partei war, welche von der relativen Mehrheit der Arbeitslosen und der Arbeiter gewählt wurde (32 bzw. 30%). Bei den Angestellten war die AfD mit 17% die drittstärkste Partei, wohingegen sie mit 13, 10 bzw. 9% viertstärkste Partei bei den Selbstständigen, Rentnern und Beamten war (vgl. Elmer et al. 2016).
Insgesamt erhielt der baden-württembergische Landesverband der AfD 23 Mandate für den Landtag in Stuttgart. 21 dieser Mandate wurden über die Zweitmandate an die AfD verteilt. Die AfD-Hochburgen, in welchen die Partei zwei Erstmandate erhielt, waren die Wahlkreise Pforzheim und Mannheim I.
Das Erstmandat in Pforzheim kam wenig überraschend, da Pforzheim als rechtes Pflaster bekannt ist. Der Tagesspiegel beschreibt Pforzheim als eine Stadt in Baden-Württemberg, die von allem etwas mehr hat als andere Städte in diesem Bundesland: „Mehr Arbeitslose zum Beispiel, mehr Migranten, mehr Angst und vor allem: mehr rechte Wähler“.
Letztere Tatsache zieht sich, bedingt durch die anderen genannten Faktoren, wie ein roter Faden durch die jüngere Geschichte Pforzheims. Angefangen mit der NSDAP, die 1933 bundesweit 43,9% der Stimmen auf sich vereinen konnte, in Pforzheim mit 57,5%, jedoch deutlich über diesem Ergebnis lag. Bei der Landtagswahl 1992 bekamen die Republikaner in der Stadt im nördlichen Schwarzwald auf 18,2% der Stimmen, im Landesschnitt jedoch nur auf 11%. Aber auch rund 20 Jahre später, bei den Gemeinderatswahlen 2014 lässt sich diese Geschichte weiterschreiben, als rund jeder zehnte Pforzheimer die AfD wählte. Bei der Europawahl 2015 erreichte die AfD in Pforzheim das beste Ergebnis bundesweit (Gennies, 2016).
In Mannheim I, einem Wahlkreis, der im Norden der Stadt liegt, war das Ergebnis hingegen eine echte Überraschung, mit dem wohl nicht einmal die AfD selbst gerechnet hatte. Dort wählte rund jeder Dritte die AfD. Mannheim I setzt sich aus acht Stadtteilen zusammen und gilt als Arbeiterviertel, weshalb dort in den letzten 50 Jahren stets die SPD das Erstmandat erhielt und in diesem Wahlkreis auch sehr verwurzelt ist. Jedoch gibt es dort mehr Arbeitslose und mehr Protestwähler als im Süden der Stadt (vgl. Feuerbach 2016).
Gleichzeitig war Mannheim I aber auch der Wahlkreis mit der geringsten Wahlbeteiligung (58,8%) in Baden-Württemberg (vgl. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2016). Feuerbach (2016) begründet diesen Wahlerfolg zum einen mit der Flüchtlingsthematik, denn im Zusammenhang mit Flüchtlingen entstehen Gerüchte, die sich zwar schnell verbreiten, aber nicht berichtigt werden.
Mannheim I hat, wie auch Pforzheim, eine rechte Geschichte. So feierten auch hier die Republikaner im letzten Jahrzehnt des letzten Jahrhunderts Wahlerfolge und es brannte 1992 ein Flüchtlingsheim, nachdem das Gerücht verbreitet wurde, dass ein Asylbewerber eine Minderjährige vergewaltigt habe. Zum anderen haben auch viele Russlanddeutsche, die vermehrt in Mannheim I angesiedelt sind, aus Protest die AfD gewählt, da sie mit der Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin hadern und sich mit Abstiegsängsten konfrontiert sehen (vgl. Feuerbach, 2016).
Die AfD Baden-Württemberg in der Landtagsopposition
Zum Vorsitzenden der größten Oppositionsfraktion im baden-württembergischen Landtag wurde Jörg Meuthen gewählt. Dieser sah sich gleich zu Beginn seiner Amtszeit im Juni 2016 mit internen Konflikten konfrontiert, da dem AfD-Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon vorgeworfen wurde, dass er antisemitische Schriften verfasst haben soll.
Am 21. Juni 2016 wollte die Fraktion darüber entscheiden, ob Gedeon aus der Partei ausgeschlossen wird. Dieser Entscheidung kam der Politiker jedoch zuvor, indem er erklärte, seine Mitgliedschaft in der Fraktion zunächst ruhen zu lassen (vgl. o.V. 2016b). In Folge dieser Entwicklung setzte die Partei eine Findungskommission ein, welche den Auftrag erhielt, unabhängige Wissenschaftler zu finden, die die Publikationen Gedeons auf antisemitische Äußerungen untersuchten.
Jedoch gelang es der Kommission nicht, diesen Auftrag zu erfüllen. Meuthen, der sich im Verlauf der Auseinandersetzung klar von Gedeon distanziert hatte, legte am 5. Juli 2016 von ihm beauftragte Gutachten vor, in welchen die Schriften Gedeons als eindeutig antisemitisch beschrieben wurden. Zudem initiierte der Fraktionsvorsitzende ein erneutes Fraktionsausschlussverfahren, in welchem jedoch die benötige 2/3-Mehrheit für einen Ausschluss nicht erreicht wurde.
Daraufhin verließ Jörg Meuthen gemeinsam mit 12 weiteren Fraktionsmitgliedern die Landtagsfraktion in Baden-Württemberg (vgl. Soldt 2016). Eine Reaktion auf diese Handlung war die Erklärung Gedeons, die AfD-Fraktion zu verlassen und zu einem fraktionslosen Landtagsmitglied zu werden, um eine Spaltung doch noch zu verhindern. Meuthen und seine Anhänger zeigten sich davon jedoch unbeeindruckt und gründeten am darauffolgenden Tag, trotz umstrittener Vermittlungsversuche von Frauke Petry, die Fraktion der „Alternative für Baden-Württemberg“ (vgl. Bender, Soldt 2016).
Kurz darauf wurde jedoch bereits der Wunsch nach einer Widervereinigung der Fraktionen geäußert und Sondierungsgespräche aufgenommen, um das gemeinsame Ziel zu erreichen (vgl. AfD Landtagsfraktion BW 2016a). Dieser Prozess zog sich jedoch hin, und es wurde ein externer Moderator eingeschalten (vgl. AfD Landtagsfraktion BW 2016b). Nach einer gemeinsamen Klausurtagung im September 2016 fusionierten die beiden Fraktionen am 11. Oktober 2016 wieder zu einer gemeinsamen Fraktion im Landtag Baden-Württembergs, deren Sprecher Jörg Meuthen ist. Gleichzeitig wurden durch eine neue Satzung die Aufgaben in der Partei neu verteilt.
Die Spaltung der baden-württembergischen Landtagsfraktion zeigte deutlich den Riss auf, welcher durch die gesamte Partei geht und bis in die Bundesebene hineinreicht. Dort steht Frauke Petry, unterstützt von ihrem Ehemann Marcus Pretzell, dem restlichen Bundesvorstand gegenüber. Letzterer unterstützte Meuthen bei seiner Spaltung.
Zu Beginn seiner politischen Karriere galt Jörg Meuthen noch als gemäßigte Kraft in der AfD. Im Laufe der Jahre näherte er sich jedoch immer mehr dem rechten Lager und deren Vertretern Alexander Gauland und Björn Höcke an und distanzierte sich somit immer weiter von Frauke Petry, deren Feindbild Björn Höcke verkörpert. Somit steht der realpolitischen Politik Petrys die fundamentaloppositionelle Strategie Gaulands und Meuthens gegenüber (vgl. Peters 2017).
Die Spaltung und die darauffolgende Widervereinigung hatte jedoch nicht nur Auswirkungen auf die Reputation der rechtspopulistischen Partei, sondern verursachte auch Kosten für den Steuerzahler. Zum einen beliefen sich die Kosten für die ABW-Fraktion auf rund 63.000 € im Monat. Im Frühjahr 2017 zahlte die verbleibende Fraktion AfD die erhaltenen Zuschüsse der ABW, rund 240.000 €, zurück (vgl. o.V. 2017a).
Zum anderen beantragten die beiden Fraktionen einen Untersuchungsausschuss. Um einen solchen zu beantragen, gibt es zwei verschiedene Verfahren. So reicht entweder die Zustimmung von 25% der Abgeordneten für die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses aus oder dieser kann von zwei Fraktionen beantragt werden. Von letzterer Vorgehensweise machten die AfD- sowie ABW-Fraktion Gebrauch, wodurch zusätzliche Kosten zu Lasten des Steuerzahlers entstanden sind (vgl. Soldt 2016c).
Nach 100 Tagen im Landtag zog die AfD ein erstes Zwischenfazit und bezeichnet sich darin als „einzig echte Opposition“ (AfD Landtagsfraktion BW 2016c). Dabei verweist die Landtagsfraktion vor allem auf die Tatsache, dass sie sich sämtliche Strukturen aufbauen mussten, welche bei den etablierten Parteien bereits vorhanden waren, und sieht in der Spaltung der Fraktion zunächst nichts Negatives, sondern sieht diesen Vorgang als Paradebeispiel für die Meinungsfreiheit in der Partei. Auch die anderen, durch die Einberufung des Untersuchungsausschusses verärgerten Landtagsfraktionen und die aus diesem Vorgang resultierende Aufmerksamkeit der Medien werten die Verfasser als positiv und als Zeichen ihrer guten Oppositionsarbeit (vgl. AfD Landtagsfraktion BW 2016c).
Mit der Wiedervereinigung der Fraktionen kam die AfD im baden-württembergischen Landtag aber nicht zur Ruhe. Bereits einen Monat später betitelte das AfD-Fraktionsmitglied Stefan Räpple die Abgeordneten der anderen Fraktionen des Landtages als „Volksverräter“. Laut dem Zeitungsbericht der Frankfurter Allgemeinen unterschrieb Räpple auch die Präambel der neuen Fraktionssatzung nicht, in welcher sich die Partei von den Thesen Gedeons distanziert.
Jörg Meuthen äußerte sich nicht im Zusammenhang mit dem ersten Zwischenfall. Vielmehr schien er aus der bisherigen Geschichte gelernt zu haben und äußerte sich nicht zu dem Zwischenfall. Er verwies auf die Presseerklärung der Fraktion, in welcher Maßnahmen gegen den erwähnten Abgeordneten angesprochen wurden. Da mit der neuen Fraktionssatzung die Zustimmung für einen Fraktionsausschluss auf eine Dreiviertelmehrheit angehoben wurde, jedoch im Fall Gedeon nicht einmal eine Zweidrittelmehrheit erreicht wurde, schien diese Konsequenz als wenig aussichtsreich (vgl. Soldt 2016d).
Mitte Dezember verließ dann Claudia Martin die Landtagsfraktion der AfD und beendete gleichzeitig auch ihre Parteimitgliedschaft. Sie begründete diesen Schritt mit den rechten Tendenzen, welche sich in der Partei abzeichnen, um unter anderem rechte Stimmen zu bekommen. Während die AfD sie aufforderte, ihren Sitz im Landtag aufzugeben, beansprucht Martin diesen für sich, um weiterhin die Interessen ihres Wahlkreises vertreten zu können (vgl. o.V. 2016c). Mit diesem Austritt verringerte sich die Größe der Landtagsfraktion der AfD auf 21 Mitglieder, den Status der größten Oppositionsfraktion hat sie jedoch immer noch inne.
Das Jahr 2016 war für die AfD in Baden-Württemberg durch die Landtagswahl das Jahr ihres größten Triumpfes, aber gleichzeitig auch das Jahr, welches von Krisen gekennzeichnet war. Als Konsequenz verabschiedete sich Jörg Meuthen aus dem Landesvorstand und verzichtete gleichzeitig auch auf eine Kandidatur bei der Bundestagswahl im Jahr 2017 (vgl. Amann 2017, S.209).
Das Bundestagswahljahr 2017
Durch den freiwilligen Rücktritt Meuthens verkleinerte sich die Spitze der AfD in Baden-Württemberg auf das Duo Lothar Maier und Bernd Grimmer. Beide standen im März bei dem Landesparteitag in Sulz nicht zur Wiederwahl. Bei der ersten Wahl trat Alice Weidel, baden-württembergische Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl, gegen Ralf Özkara an, den bisherigen Büroleiter von Jörg Meuthen.
Die Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten entschied Özkara für sich, wohl auch, weil er Schützenhilfe von Meuthen erhielt. Dieser sprach sich gegen die Personalunion von Parteivorsitz und Bundestagsmandat aus, da der Vorsitz eine sehr zeitintensive Arbeit sei. Neben Özkara wurde Marc Jongen zum zweiten Landessprecher der baden-württembergischen AfD gewählt. Beide Landessprecher sehen sich als Vermittler zwischen den zwei Lagern der Partei und wollen diese einen (vgl. o.V. 2017b).
Anfang Mai 2017 komplettierte der Landesverband der AfD in Baden-Württemberg die 30-köpfige Landesliste für die Bundestagswahl im September 2017. An erster Stelle steht die ehemalige Kandidatin für das Amt des Landessprechers, Alice Wendel, gefolgt von Lothar Maier, dem ehemaligen Landessprecher. Auf Rang drei ist Marc Jongen zu finden, der aktuelle Landessprecher der AfD in Baden-Württemberg. Die vollständige Landesliste ist hier (https://afd-bw.de/aktuell/news/10142/AfD+Baden-W%C3%BCrttemberg+komplettiert+die+Landesliste+f%C3%BCr+die+Bundestagswahl) nachzulesen. Das Ziel der AfD ist es, „bei der Bundestagswahl der erfolgreichste westdeutsche Landesverband zu werden und mit mindestens 15 % in das Bundesparlament einzuziehen“ (AfD BW 2017).
Nach einem Jahr im baden-württembergischen Landtag veröffentlichte die Mitgliederzeitschrift „AfD-Kompakt“ einen Artikel über die Arbeit der AfD in der Opposition (https://afdkompakt.de/2017/05/10/afd-wirkt-die-alternative-fuer-deutschland-ist-seit-einem-jahr-als-staerkste-opposition-im/). Darin wird das Wirken der AfD im Hinblick auf verschiedene Themenbereiche wie beispielsweise Verkehr, Umwelt und Europa beschrieben und oftmals festgestellt, dass entweder die anderen Parteien im Landtag die Vorschläge sofort ablehnen oder aber nach der Ablehnung diese mit minimalen Veränderungen selbst vorlegen. Deshalb sieht sich die AfD bestätigt, dass „die AfD wirkt“ (AfD kompakt 2017).
Fazit
Seit ihrer Gründung verlagerte die Alternative für Deutschland ihren Schwerpunkt von einer eurokritischen zu einer national-konservativen Partei und profitierte dabei vor allem von den aktuellen Entwicklungen in der deutschen und europäischen Politik. Den zunehmenden Zuspruch spürte auch der Landesverband in Baden-Württemberg, was dazu führte, dass die Partei in Baden-Württemberg zur drittgrößten Partei im Landtag wurde.
Der schnelle Aufstieg hatte aber auch zur Folge, dass Strukturen, welche in anderen Parteien langsam aufgebaut werden konnten, in der AfD von heute auf morgen aus dem Boden gestampft wurden. Der Aufstieg des südwestdeutschen Landesverbandes verlief aber nicht reibungslos. Er wurde begleitet von schwerwiegenden Konflikten auf Nebenschauplätzen, welche für das Ansehen der Partei nicht von Vorteil waren.
Es scheint, als gehe die AfD mit ihrem Programm auf die aktuellen Probleme der Menschen ein, weshalb es der Partei auch gelingt, ihre Wähler zu mobilisieren und an die Wahlurne zu bewegen. Behält sie dieses Prinzip bei, so ist die AfD wahrscheinlich noch für viele Jahre im Landtag anzutreffen.
Gleichzeitig verwehrte der schnelle Aufstieg der Partei auch das Hereinwachsen in die Rolle der Oppositionspartei und die Entwicklung eines konkreten Parteienprofils. Der Zwiespalt, welcher deshalb in der Partei herrscht, hat das Potential, der Partei zu schaden. Dies geschieht dann, wenn die innerparteilichen Auseinandersetzungen überhandnehmen und von dem eigentlichen Hauptgeschäft, der Politik für die Bürger, zu sehr ablenken. Somit hat die AfD in Baden-Württemberg ihre Zukunft selbst in der Hand.
Quellen
AfD BW (2015): Für unser Land – für unsere Werte. Programm zur Landtagswahl 2016. URL: https://afd-bw.de/afd-bw/wahlprogramme/landtagswahlprogramm_afd_2016_1.pdf [Abgerufen am 13.06.2017].
AfD BW (2017): AfD Baden-Württemberg komplettiert die Landesliste für die Bundestagswahl. URL: https://afd-bw.de/aktuell/news/10142/AfD+Baden-Württemberg+komplettiert+die+Landesliste+für+die+Bundestagswahl [Abgerufen am 03.07.2017].
AfD Kompakt: Ein Jahr AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg. URL: https://afdkompakt.de/2017/05/10/afd-wirkt-die-alternative-fuer-deutschland-ist-seit-einem-jahr-als-staerkste-opposition-im/ [Abgerufen am 03.07.2017].
AfD KV-Heilbronn: Die Alternative für Deutschland. URL: http://www.afd.hn/AfD [Abgerufen am 14.06.2017].
AfD Landtagsfraktion BW 2016a: Meuthen-Gruppe lässt schnelle Einigung platzen. URL: http://afd-fraktion-bw.de/aktuell/65/Meuthen-Gruppe+l%C3%A4sst+schnelle+Einigung+platzen [Abgerufen am 02.07.2017].
AfD Landtagsfraktion BW 2016b: Gute Nachrichten – es geht voran. URL: http://afd-fraktion-bw.de/aktuell/73/Gute+Nachrichten+-+Es+geht+voran [Abgerufen am 02.07.2017].
AfD Landtagsfraktion BW 2016c: 100 Tage im Landtag: Die AfD ist die einzige echte Opposition. URL: http://afd-fraktion-bw.de/aktuell/81/100+Tage+im+Landtag+%E2%80%93+die+AfD+ist+die+einzige+echte+Opposition [Abgerufen am 03.07.2017].
AfD LV Berlin (2014): Die AfD hat ihre Bundesliste für die Europawahl 2014 gewählt. https://afd.berlin/afd-hat-ihre-bundesliste-fuer-die-europawahl-2014-gewaehlt/ [Abgerufen am 26.06.2017].
Amann, Melanie: Angst für Deutschland. Die Wahrheit über die AfD: wo sie herkommt, wer sie führt, wohin sie steuert. München: Droemer Verlag, 2017.
Bender, Justus; Soldt, Rüdiger: Stuttgarter Zimmerschlacht. In: Frankfurter Allgemeine, 06.07.2016. URL: http://www.faz.net/aktuell/politik/afd-tief-gespalten-14327688.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2 [Abgerufen am 02.07.2017].
Breining, Thomas: Zulauf zu den Neulingen. In: Stuttgarter Zeitung, 22.04.2013. URL: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.alternative-fu.er-deutschland-afd-zulauf-zu-den-neulingen.4f180e0c-c2ca-4e16-8f2f-7a75e23be901.html [Abgerufen am 14.06.2017].
Breining, Thomas: Ein Trio soll die AfD führen. In: Stuttgarter Zeitung, 26.07.2015. URL: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.landesparteitag-in-pforzheim-ein-trio-soll-die-afd-fuehren.d1c3e271-ef50-48ad-bba9-820eb39f430b.html [Abgerufen am 21.06.2017].
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