Am Beispiel von Pegida illustriert der in Dresden, also "in der Höhle des Löwen" lehrende Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt eine Erklärung für Rechtspopulismus als Antwort auf eine "Repräsentationslücke". In seinem Aufsatz "Die Sorgen der Leute ernst nehmen!" (APuZ 40/2015, S. 17-21,
Online-Version) geht er von der Beschreibung einer idealen repräsentativen Demokratie aus:
In einer perfekten repräsentativen Demokratie verhielte es sich so: Es
gäbe eine Reihe bewährter, staatstragender Parteien, die zwar
unterschiedlichen Weltsichten und Prioritäten folgten, doch so weit in
ihren Grundwerten und ihren Tatsachenwahrnehmungen übereinstimmten, dass
kein Bürger vor einem Regierungswechsel wirklich Angst hätte, sondern
ihn wie das vielleicht unangenehme, doch immer wieder nötige Öffnen von
Fenstern zur Winterzeit empfände. Diese Parteien wären so sensibel für
jene Teile der Gesellschaft, in denen sie wurzeln oder ihre Unterstützer
finden, dass sie dort aufkommende Ideen, Interessen und
Problemempfindungen rasch bemerkten, sie aus ihrem
Verursachungszusammenhang heraus verstünden, das Aufkommen neuen
Handlungsbedarfs akzeptierten, aus dem eigenen Werte- und
Interessenhorizont zielführende Maßnahmen entwickelten, sodann bei der
Bürgerschaft um politische Unterstützung einkämen und am Ende, vor oder
nach Wahlen, problemlösende Entscheidungen träfen sowie wirkungsvoll
umsetzten. Alle Teile der Bevölkerung wären dann durch gerade ihnen
gegenüber responsive sowie politisch erprobte Parteien repräsentiert;
und bei Wahlen ließe sich darüber entscheiden, welchen Kurs – von
mehreren angebotenen, allesamt halbwegs vernünftigen Lösungswegen – die
künftige Regierung einschlagen soll. (S. 18/19)
In der Realität klappt das leider nicht durchgängig, es entstehen "Repräsentationslücken":
Ein Teil der Bürgerschaft fühlt sich von den etablierten, die bestehende
politische Ordnung tragenden Parteien im Stich gelassen. Genau dann
öffnet sich Raum für Protest- und Alternativparteien, können gleichsam
brachliegende Politikfelder von neuen politischen Kräften bestellt
werden. (S. 19)
Im Fall von Pegida handelt es sich laut Patzelt im wesentlichen um die folgenden Politikfelder:
Klar ist hingegen, dass die Ursachen jener Sorgen, die sich bei Pegida
Luft gemacht haben, weiterhin bestehen: vom passiv hingenommenen
Einwanderungsgeschehen und den Problemen, die beim Wandel hin zu einer
Einwanderungsgesellschaft entstehen, über sich verschärfende
Verteilungskonflikte im unteren Drittel unserer Gesellschaft bis hin zum
risikoreichen Umgang mit Russland. (S. 21)
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