Donnerstag, 23. Februar 2017

Rechte Bedrohung für Bullerbü? - Die Schwedendemokraten

Erstmals in der Geschichte Schwedens hat es eine rechtspopulistische Partei geschafft, sich auf der politischen Bühne des Landes zu etablieren. Der Wahlerfolg der rechtspopulistischen Schwedendemokraten im Jahr 2010 wurde von vielen in- und ausländischen Beobachtern als ein „politisches Erdbeben“ und als der „Beginn einer neuen politischen Zeitrechnung in Schweden“ bezeichnet (vgl. Bauer 2010, S. 2). Die Schwedendemokraten reihen sich nun in die bereits große Liste der Erfolge rechter und rechtspopulistischer Parteien in ganz Europa ein.

Großes Aufsehen erregte 2010 ein Wahlkampfspot, in dem eine Rentnerin mit einer Gruppe Burka-tragender Frauen zum Wettlauf um Sozialleistungen antritt und der die Botschaft vermittelt: „Renten oder Zuwanderung. Du hast die Wahl“. Parteichef Akesson bezeichnete den „Siegeszug des Islams“ als die „größte Bedrohung aus dem Ausland seit dem Zweiten Weltkrieg“ (vgl. Bauer 2010, S. 4 / Gmeiner 2014).



Im Folgenden soll die Partei Schwedendemokraten näher betrachtet und die Merkmale einer rechtspopulistischen Partei aufgegriffen werden. Im Anschluss geht es um die Frage, wo Parallelen zu anderen rechtspopulistischen Parteien in Europa gezogen werden können.
So funktioniert Schweden

Schweden – mit gut zehn Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Skandinaviens – ist heute eine multikulturelle Gesellschaft. Das Land gilt noch immer als Mutterland der Sozialdemokratie (vgl. Krell 2016). So ist die Sozialdemokratische Partei (Sveriges socialdemokratiska arbetareparti, SAP) traditionell die stärkste Partei. Über Jahrzehnte hinweg haben die Sozialdemokraten die Regierung gestellt und einen Wohlfahrtsstaat aufgebaut.

Die schwedische Politik zu Einwanderung, Integration und Asyl zeichnet sich durch eine fortschrittliche und pragmatische Haltung aus. Im Jahr 2014 registrierte Schweden im europäischen Vergleich nach Deutschland die höchste Zahl an Asylanträgen. An seiner Bevölkerungsgröße gemessen führte es sogar die Liste der Hauptzielländer Asylsuchender in der EU an (mehr zu Statistiken über Asyl).

König Carl XVI. ist seit 1973 monarchisches Oberhaupt in der parlamentarischen Demokratie Schwedens und hat damit nur repräsentative Aufgaben. Die politische Macht liegt beim Reichstag (Riksdag) als ein Ein-Kammer-Parlament mit seinen 349 Parlamentssitzen. Die Mitglieder des Reichstags werden nach dem Verhältniswahlrecht für vier Jahre gewählt. In den 29 Wahlkreisen werden zuerst 310 Mandate durch eine personalisierte Wahl vergeben und weitere 39 Mandate werden als Ausgleichsmandate verteilt. In den Reichstag gelangen nur die Parteien, die landesweit die Sperrklausel von vier Prozent erreichen oder in einem der Wahlkreise mindestens zwölf Prozent der Stimmen erhalten.

Nach einer Wahl sind Minderheitsregierungen häufig; der Ministerpräsident ist gewählt, wenn keine absolute Mehrheit gegen ihn stimmt. So sind die Regierenden auf die Duldung durch andere Parteien angewiesen und müssen sich unter diesen bei Abstimmungen Partner suchen, um eine Mehrheit zu erzielen. Vor allem die Opposition hat dadurch einen stärkeren Einfluss und ist oftmals an der Unterstützung der Regierung interessiert.

Die letzte Wahl zum schwedischen Reichstag fand am 14. September 2014 statt. Da weder die Mitte-Rechts-Regierung noch die rot-grüne Opposition zu einer Zusammenarbeit mit den Schwedendemokraten bereit war, konnte kein Bündnis eine absolute Mehrheit im Reichstag erreichen. Die Sozialdemokraten bildeten schließlich -  mit Stefan Löfven als neuem schwedischen Ministerpräsidenten - mit den Grünen eine Minderheitsregierung (mehr zu den Parlamentswahlen 2014).

Anfänge des Rechtspopulismus – Die Neue Demokratie

In Schweden spielten rechtspopulistische Parteien in der Vergangenheit keine große Rolle. Ausnahme war die Neue Demokratie (Ny Demokrati), die vom schwedischen Industriellen Ian Melcher Shering Wachtmeister und dem Geschäftsmann Bert Willis Karlsson gegründet wurde und ökonomische Reformen sowie eine strikte Einwanderungspolitik forderte. Die Partei konnte in ihrem Gründungsjahr 1991 6,7 Prozent der Stimmen für sich verbuchen und war zwischen 1991 und 1994 im schwedischen Reichstag vertreten. Ihr wurden von Vertretern der etablierten Parteien sowie von kritischen Medien Populismus und Fremdenfeindlichkeit vorgeworfen. Letztlich scheiterte die Partei am mangelnden organisatorischen Aufbau (vgl. Bauer 2010).

Entwicklung der Schwedendemokraten

Die mittlerweile führende Partei im rechtsradikalen Lager, die sogenannten Schwedendemokraten (Sverigedemokraterna, SD), gingen 1988 aus der Schwedenpartei (Sverigepartiet) hervor, die zwei Jahre zuvor selbst aus einer Fusion der Fortschrittspartei (Framstegspartiet) mit der rechtsextremen und rassistischen Bevara Sverige svenskt („Bewahrt Schweden schwedisch“, BBS) entstanden war. Nachdem der Führer der Schwedenpartei, der ehemalige Vorsitzende der Fortschrittspartei Stefan Herrmann, 1987 aus der Partei ausgeschlossen worden war und gemeinsam mit seinen Anhängern die Fortschrittspartei reanimiert hatte, gründete sich der verbleibende Rest der Schwedenpartei als Sverigedemokraterna neu.

Die Partei hat ihre Wurzeln in der traditionell starken rechtsextremen Szene Schwedens, die immer wieder Juden und Homosexuelle, Linke und Antirassisten, kritische Journalisten und andere Gegner angriffen. Dazu gehörten unter anderem die neonazistische Nordische Reichspartei (Nordiska Rikspartiet) oder der „Weiße Arische Widerstand“ (Vitt Ariskt Motstand) (vgl. Bauer 2010 / Staud 2015).

Lange führte die SD aber nur ein Nischendasein. Ab Mitte der neunziger Jahre verfügte der Parteiführer Mikael Jansson ein Uniformierungsverbot, und einige provokante Abschnitte im Parteimanifest wurden abgemildert oder ganz herausgenommen (zum Beispiel: Todesstrafe und Abtreibungsverbot) (vgl. Rydgren 2006, S. 184). Bei den Wahlen zum schwedischen Reichstag 2002 erhielten die Schwedendemokraten zwar nur 1,4 Prozent der Stimmen, aber damit vier Mal so viel wie bei den Wahlen davor. Außerdem schafften sie den Sprung in 30 Gemeindevertretungen. Bei den Reichstagswahlen 2006 erreichten sie 2,9 Prozent.

Dann vollzog sich zumindest nach außen hin ein Wandel. Vor allem ab 2005 - nach der Wahl des jungen Vorsitzenden Per Jimmie Akesson (*1979) - distanzierten sich die Schwedendemokraten von der Neonazi-Szene. Für diesen Wandel typisch war auch der Wechsel des Parteilogos: Die Fackel in den Nationalfarben Blau-Gelb wurde ersetzt durch ein entsprechend „eingefärbtes, liebliches Blümchen“ (vgl. Staud 2015). Erstmals zog sie nach der Wahl 2010 mit 20 Abgeordneten - bei einem Stimmenanteil von 5,7 Prozent - in den Reichstag ein. 2014 erreichte die SD bei den Wahlen zum Europaparlament 9,7 %. Bei der Reichstagswahl im September desselben Jahres waren es sogar 12,9 % der Wählerstimmen und 49 Abgeordnete im Reichstag. Damit ist die SD die drittstärkste Fraktion.

Im Reichstag hat die SD eine Schlüsselrolle inne. Da weder die regierende rot-grüne Koalition noch der Mitte-rechts und liberale Block eine Mehrheit im Parlament innehat, können die Schwedendemokraten bei jeder Abstimmung entscheiden, ob sie die Regierungskoalition dabei unterstützen, einen Gesetzesentwurf durchzubringen oder sie bei diesem Versuch scheitern lassen. Diese Rolle verschafft ihnen eine große öffentliche Aufmerksamkeit (vgl. Parusel 2015).

Programm der Schwedendemokraten

Die Schwedendemokraten bezeichnen sich heute als „sozialkonservative Partei mit einem nationalistischen Kernethos“ (Staud 2015). Das primäre politische Ziel der SD ist laut Parteimanifest von 2002, die schwedische nationale Identität zu verteidigen (Sverigedemokraterna 2002). Dabei stehen im Hintergrund die begriffliche Gleichstellung von „Volk“ und „Kultur“ bzw. „Nation“ und „Ethnie“ und der nostalgische Glaube an den „Mythos einer goldenen Vergangenheit“, in dem sich die Sehnsucht nach einer harmonischen, konfliktfreien Gemeinschaft widerspiegelt (zit. n. Rydgren 2006, S. 184). Das Parteimanifest von 2003 formuliert dieses Credo wie folgt:
„Die kritische Zutat einer sicheren, harmonischen, soliden und solidarischen Gesellschaft ist die gemeinsame Identität, die einen hohen Grad an ethnischer und kultureller Einheitlichkeit unter den Menschen erfordert. Daraus folgt, dass das nationale Prinzip absolut fundamental für die politischen Werte der Schwedischen Demokraten ist. Das nationale Prinzip basiert auf dem Konzept eines Nationalstaates, dessen territoriale Grenzen mit den demographischen Grenzen zusammenfallen. In ihrer idealen Form ist eine solche Gesellschaft ethnisch homogen. (…) Länder, in denen mehrere relativ starke Kulturen zusammenleben, tendieren dazu, die unterschiedlichen ethnischen Zugehörigkeiten abzuschwächen und ihre eigene Identität auszulöschen. Wir, die Schwedischen Demokraten, glauben, dass die Vielfalt der Kulturen am besten geschützt werden kann (wobei wir die Achtung der Menschenrechte mit einschließen), wenn wir unser Handeln so weit wie möglich unter das Paradigma des Nationalstaates stellen“. (Sverigedemokraterna 2003; zit. n. Rydgren 2006, S. 184f.)
Die Zuwanderung und die Angst vor einer „Islamisierung“ der traditionellen einheimischen Gesellschaft sind die wichtigsten Themen. Es wird neben der Rückkehr zu einer „homogenen Gesellschaft“ die rasche Heimführung von Ausländern, insbesondere von Asylsuchenden, gefordert. Offiziell distanziert sich die Partei jedoch von jeder Form des Rassismus.

Wegen der offenkundigen Verbindungen zu rechtsextremen Organisationen weigern sich einige schwedische Medien, Inserate oder Wahlkampfspots der Schwedendemokraten zu schalten. Darüber hinaus zeichnet sich die Partei durch eine betont europaskeptische Rhetorik aus; sie verwehrt sich gegen den Einfluss der EU auf die Eigenstaatlichkeit Schwedens. Die Partei tritt außerdem für Steuersenkungen und einen geringeren Einfluss der Politik auf die Wirtschaft ein. In gesellschaftspolitischen Fragen geben sich die Schwedendemokraten wertkonservativ. Sie befürworten die traditionelle Form der Familie und setzen sich für die Abschaffung der sogenannten „Homo-Ehe“, gegen das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare, für härtere Strafen für Kriminelle und für einen Ausbau der Altenfürsorge ein (vgl. Bauer 2010).

Schwedendemokraten – eine rechtspopulistische Partei?

Welche Merkmale zeigen, dass es sich bei den Schwedendemokraten um eine rechtspopulistische Partei handelt? Populisten agieren nach der Definition von Jan-Werner Müller anti-elitär und anti-pluralistisch, d.h. sie sind gegen die Eliten und reklamieren für sich einen „moralischen Alleinvertretungsanspruch“ für einen von ihnen angenommenen „reinen Volkswillen" (vgl. Müller 2016, S. 20). Sie vertreten demnach eine schweigende Mehrheit, die sich nicht zu äußern wagt oder von der „Lügenpresse“ und „dem System“ in die Irre geführt wird.
„Populisten behaupten: ‚Wir sind das Volk!‘ Sie meinen jedoch […] ‚Wir – und nur wir – repräsentieren das Volk.‘ Damit werden alle, die anders denken, ob nun Gegendemonstranten auf der Straße oder Abgeordnete im Bundestag, als illegitim abgestempelt. […] Alle Populisten sind gegen das ‚Establishment‘. […] Populisten sind zwangsläufig anti-pluralistisch; wer sich ihnen entgegenstellt und ihren moralischen Alleinvertretungsanspruch bestreitet, gehört automatisch nicht zum wahren Volk. Demokratie ist ohne Pluralität jedoch nicht zu haben“ (Müller 2016, S. 18f).
Jede populistische Bewegung stelle die repräsentative Demokratie grundsätzlich in Frage. Denn mit ihrer Argumentation, eine schon seit Jahren schweigende Mehrheit zu repräsentieren, säen sie grundsätzlichen Zweifel an einem System, dass solch eine "schweigende Mehrheit" nicht zu Wort kommen lasse (vgl. Müller 2016 S.19).

Die Schwedendemokraten brüsten sich damit, dass sie sich nicht um die Gebote der politischen Korrektheit scheren, sondern laut aussprechen, was die einfachen Leute denken. Als „wahre Stimme des Volkes“ schwingt sich die Partei zur eigentlichen Verteidigerin der Demokratie auf, die gegen die Meinungsdiktatur der „international anerkannten Politiker“ und ihre Medienmacht einen gerechten Kampf führe (Sverigedemokraterna 2002 zit. n. Rydgren 2006, S. 186). Tatsächlich gewinnt die SD zunehmend an Unterstützung durch den neuen öffentlichen Diskurs, der hauptsächlich in Internetblogs und sozialen Medien stattfindet, wo Einwanderung offen als Belastung des Wohlfahrtsstaates und als Bedrohung für den Zusammenhalt der Gesellschaft dargestellt wird.

Die heutigen westeuropäischen Demokratien zeichnen sich allesamt durch zwei Hauptkonfliktlinien (cleavages) aus: eine sozioökonomische (Reichtum und Wohlstand) und eine soziokulturelle (Werte und Freiheiten). Die Stärke und Ausprägung dieser Konfliktlinien beeinflusst die Chancen der rechtspopulistischen Akteure, die Wählerschaft für sich einzunehmen. Wenn ein starker Sozialstaat die ökonomischen Verteilungskonflikte entschärft (wie es in Schweden der Fall war), wird der Streit um Werte wichtiger. Gesellschaftliche Liberalisierungen, wie etwa die Gleichberechtigung von Frauen oder stärkere Rechte für Homosexuelle, wurden meist von sozialdemokratischen Regierungen durchgesetzt. Damit haben sie einen Teil ihrer Wähler bedient, vor allem Akademiker, sich von einem anderen Teil ihres traditionellen Milieus aber entfernt: von den formal eher niedrig gebildeten Arbeitern, die wertkonservativ eingestellt sind, aber aus ökonomischen Gründen einst sozialdemokratisch wählten (vgl. Staud 2015/ Rydgren 2006, S. 166f.). 

Vergleich mit rechtspopulistischen Parteien Europas

In allen skandinavischen Ländern sind inzwischen rechtspopulistische Parteien in erheblichem Umfang Teil der politischen Landschaft. Die Rechtspopulisten sind allerdings in Schweden deutlich schwächer als im Rest Skandinaviens. Sie nehmen erst seit wenigen Jahren an der politischen Arbeit im Land teil. Die Dänische Volkspartei (DVP) dagegen wurde zu einem der erfolgreichsten Beispiele einer Partei der radikalen Rechten in Westeuropa. Die Partei hatte im zurückliegenden Jahrzehnt einen großen Einfluss auf die dänische Politik. Auch in Finnland sind „Die Finnen“ schon seit 1999 im Landesparlament vertreten und in Norwegen erreichte die „Fortschrittspartei“ 2013 16,3 Prozent (vgl. Staud 2014).

Ein deutlicher Unterschied zeigt sich bei den rechtspopulistischen Parteien hinsichtlich ihres Ursprungs. Sowohl die Dänische Volkspartei als auch die Fortschrittspartei profitieren davon, dass sie aus eher wirtschaftspopulistischen Steuersenkungsparteien hervorgegangen sind und nicht, wie die Schwedendemokraten, rechtsextreme Wurzeln haben.

Zudem wurde die Einwanderungsthematik in Norwegen und insbesondere in Dänemark viel früher und polarisierender in den Medien debattiert und von den anderen Parteien zum Teil aufgenommen. In Schweden herrschte seit den 1970er Jahren ein Konsens zwischen Politik, Intellektuellen und Medien, Immigration im öffentlichen und politischen Diskurs positiv erscheinen zu lassen und Multikulturalismus als Bereicherung für das Land anzusehen (vgl. Gmeiner 2014).

Die Enttäuschung der Wähler über die Neue Demokratie (Ny Demokrati) mag dazu beigetraten haben, dass die Schwedendemokraten anfangs nur wenig Erfolg hatten. In der Bevölkerung war zwar die grundsätzliche Nachfrage nach einer solchen Partei gegeben, doch gelang es der SD zunächst nicht, dieser mit einer entsprechenden Programmatik und Organisation zu begegnen.

Gemeinsamkeiten

Die veränderte politische Rhetorik der Schwedendemokraten deutet auf die Beeinflussung durch das Auftreten anderer rechtspopulistischer Parteien in Europa hin. Impulse gingen vom französischen Front National, von der österreichischen FPÖ und der Dänischen Volkspartei aus. So beteiligte sich beispielsweise der Front National an der Finanzierung der Wahlkampagne von 1998. Angesichts der großen Wahlerfolge dieser Parteien in ihren Ländern war es für die SD ein naheliegender Wunsch, mit Europas Rechtspopulisten verstärkt zusammenzuarbeiten.

Den rechtspopulistischen Parteien ist ein grundlegender ideologischer Kern gemeinsam, der zum einen aus ethnisch-nationalistischer Fremdenfeindlichkeit und zum anderen aus einem gegen das politische Establishment gerichteten Populismus besteht (vgl. Rydgren, S. 165). Extremistische Wurzeln und eine faschistische Herkunft treffen neben der SD auch auf den FN zu.

Der Anti-Islam Kurs der SD ist vergleichbar mit den anderen rechtspopulistischen Parteien Europas. Der einwanderungspolitische Diskurs der SD lässt sich in verschiedene Bereiche bzw. Themen unterteilen. Immigration wird als Gefahr für die schwedische Kultur und die nationale Identität betrachtet. Darüber hinaus wird Immigration als Ursache von Verbrechen, wobei sexuelle und Gewaltdelikte besonders prominent herausgestellt werden, behauptet. Und weiterhin wird die Einwanderung als Grund für Arbeitslosigkeit und die Probleme des Wohlfahrtstaates dargestellt. Die Partei glaubt, dass die „schwedische Staatsbürgerschaft ein Privileg für Schweden“ sein sollte und dass nicht einmal Einwanderer, welche sie erlangt haben, „richtige“ Schweden seien, da es „mehrere Generationen brauche“, um „vollständig Teil einer Nation zu werden“ (Sverigedemokraterna 2003, zit. n. Rydgren 2006, S. 185).

Zwischen dem Front National und den Schwedendemokraten sind Gemeinsamkeiten in Bezug auf das Prinzip der „nationalen Präferenz“ erkennbar. Die Kernaussage der FN-Ideologie beschreibt den Identitätsanspruch mit der Forderung: „Franzosen zuerst!“ Der Wahlkampfslogan der Schwedendemokraten „Wohlstand oder Masseneinwanderung“ beschreibt, dass die einheimischen Schweden beim Zugang zu Kinderbetreuungseinrichtungen, Arbeit und Gesundheitsversorgung Vorrang genießen sollten. Migranten werden dabei häufig gegen andere vermeintlich benachteiligte Gruppen wie z.B. die Rentner ausgespielt, indem man die Begrenzung oder Kürzung staatlicher Leistungen mit der Zuwanderung unmittelbar in Zusammenhang bringt. Die Partei zeigt dadurch auch ein weiteres Merkmal rechtspopulistischer Parteien, da sie einfache Antworten auf komplexe Sachverhalte bietet.

Die SD macht geschickt Stimmung gegen den Bau von Moscheen. Die gezielte Mediennutzung und Provokationen in der Öffentlichkeit sieht man beispielsweise auch bei der Alternative für Deutschland und bei den bewusst provokativen Wahlplakaten der Schweizerischen Volkspartei. Auch Geert Wilders, einziges Mitglied der niederländischen PVV, benötigt permanente Präsenz in den Medien, welche er durch immer radikalere Provokationen erreicht.

Jimmie Akesson ist mit seiner Partei auch sehr engagiert im Bereich der Familienpolitik, welche mit der AfD und dem FN vergleichbar ist. Die Entfremdung der Bevölkerung von den Institutionen und der politischen Klasse ist ein weiteres wesentliches Merkmal. Die anderen politischen Parteien werden als „liberal-marxistisches“ Establishment in einen Topf geworfen. Der Anti-EU Kurs der SD ist wiederum vergleichbar mit vielen rechtspopulistischen Nachbarn. Die Partei befürwortet stattdessen zwischenstaatliche Kooperationen, v.a. zwischen den „Nordischen Ländern“ (vgl. Bauer 2016).

Der Stadt-Land Gegensatz ist in vielen rechtspopulistischen Partien erkennbar. In Frankreich bedient der Front National das „periphere Frankreich“ der Klein- und mittelgroßen Städte sowie der ländlichen Gebiete. Dies lässt sich auch in Schweden erkennen. In Stockholm bekamen die Schwedendemokraten nur einen halb so hohen Stimmenanteil wie im gesamten Land. Die SD besitzt ihre Hochburgen in den südschwedischen Gebieten, in Blekinge und Schonen. Diese Regionen sind besonders von der Deindustrialisierung und der Wirtschaftskrise während der 1990er Jahre getroffen worden (vgl. Gmeiner 2014 S. 33).
„Wie der Aufstieg des französischen Front National, der britischen UKIP, der niederländischen PVV, aber auch der flandrischen und der skandinavischen Populisten zeigt, ist der Populismus ein Phänomen der unter Druck geratenen Mitte.“ (zit. n. René Cuperus; in Hillebrand 2015, S. 150)
Der durchschnittliche Wähler ist männlich, Arbeiter und hat ein eher niedriges Bildungsniveau. Das gilt für die Wähler der Dänischen Volkspartei genauso wie für die Wähler der Schwedendemokraten (vgl. Staud 2015). Durch ihr neues Programm versucht die SD, auch Wähler aus dem bürgerlichen Lager anzusprechen, und sie konnte auch ehemalige Nichtwähler mobilisieren (vgl. Bauer 2010), was man auch bei der Alternative für Deutschland beobachten kann. Rechtspopulisten profitieren nicht nur von den sogenannten Modernisierungsverlierern, sondern auch vom Wohlstandschauvinismus der bedrohten Mittelschichten.
„Der Populismus ist hauptsächlich ein kulturelles Phänomen. In seiner europäischen Ausprägung hat er nicht etwa in den Krisenregionen, sondern in wohlhabenderen Gegenden seinen Anfang genommen. Der Populismus ist keine Bewegung der Armen, sondern eine der unteren Mittelschicht in wohlhabenden Gesellschaften.“ (zit. n. René Cuperus; in Hillebrand 2015, S. 153)
Ein typisches Merkmal erfolgreicher rechtspopulistischer Bewegungen ist oftmals ein charismatischer Leader, der häufig auch aus dem konservativen Spektrum stammt. Jimmi Akesson war ein Mitglied der konservativen Moderaten Sammlungspartei und wird in vielen Medien als ein „Schwiegermutter-Traum“ bezeichnet (Beispiel Handelsblatt-Artikel). Er möchte seine Partei zu einer Partei der „vergessenen kleinen Leute“ machen (Gnauer 2014 S.33). Einen charismatischen Leader, der den Anti-Politiker repräsentiert, findet man in Christoph Blocher (SVP), Jörg Haider (FPÖ), Geert Wilders (PVV) oder Silvio Berlusconi.

Meiner Meinung nach ist die vergleichsweise späte Entwicklung der Schwedendemokraten auf ihre rechtsextremen Wurzeln und auf den Umgang der etablierten Parteien mit der SD zurückzuführen. In Dänemark und Norwegen gab es keine prinzipielle Ausgrenzung der rechtspopulistischen Parteien. Zudem nahmen die etablierten Parteien das von den Rechtspopulisten gesetzte Thema Migration früh auf und bedienten es mit eigenen Vorschlägen. Anders als in den meisten anderen westeuropäischen Ländern haben es die Mainstream-Parteien in Schweden lange geschafft, einen wirksamen cordon sanitaire gegen die Schwedendemokraten aufzubauen, indem sie jede Art von Zusammenarbeit mit der Partei verweigerten (vgl. Rydgren 2006, S. 179). Auch die Gewerkschaften setzen sich gegen den Rechtspopulismus ein (mehr dazu im IPG-Journal).

Doch seit dem Einzug in den Reichstag kann die strikte Ausgrenzung der Schwedendemokraten nicht mehr gewährleistet werden. Der Partei kommt einiges an Einfluss zu zwischen den zwei politischen Blöcken, was ihre langfristige Etablierung befördern dürfte. Auch wenn die SD im Vergleich zu ihren skandinavischen Pendants relativ schwach war, könnte sich das in Zukunft – vielleicht schon im Wahljahr 2018 – ändern. 

Schlusswort

Die Partei ist seit 2014 drittstärkste Kraft im Land und laut Umfrageergebnisse vom Oktober 2016 liegt sie bei 18 Prozent. Die Schwedendemokraten sind im Spektrum der nordischen Rechtspopulisten ein Sonderfall, vor allem aufgrund ihrer Herkunft, bestehend aus Alt-Nazis, Rassisten und gewaltbereiten Neonazis (vgl. Krell 2016). Dennoch sind sie in vielen Punkten vergleichbar mit europäischen Rechtspopulisten. Dies trifft vor allem auf die Anti-Islam und Anti-EU Haltung, sowie auf den Stadt-Land Gegensatz, auf die Wählerschaft und auf die medialen Provokationen zu. Es scheint auf jeden Fall so, dass sich die SD, um größeren Erfolg zu erreichen, ihre Nachbarparteien zum Vorbild genommen hat.

Zuletzt ist noch unbedingt der am 23.02.2017 erschienene Artikel über Trump und Schweden lesenswert, der davon handelt, wie Rechte oder Rechtspopulisten das Land wegen der Zuwanderung als "failed state" bezeichnen. Auch die Schwedendemokraten befürworten die Kritik, die Präsident Trump an der Einwanderungspolitik Schwedens geäußert hat. Besonders ansprechend ist das Schlusswort aus der schwedischen Zeitung "Aftonbladet", wo es heißt: "Im Großen und Ganzen ist Schweden ein Land, von dem Donald Trump und die meisten Menschen in der Welt nur träumen können."

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Notwendigkeit besteht, über die verschiedenen Formen des Populismus in Europa zu sprechen, um Zusammenhänge und Antworten auf das komplexe Phänomen des Populismus zu finden. Erst dann können Gegenstrategien und Lösungsansätze für den Umgang mit Populisten gefunden werden. Denn der „Populismus ist eine gefährliche Sache für die Demokratie - keine, auf der man sich dann ausruhen kann […]“ (Müller 2016, S. 23).

Literatur 

Müller, Jan-Werner: Was ist Populismus? Ein Essay. Suhrkamp Verlag Berlin 2016

Hillebrand, Ernst (Hrsg.): Rechtspopulismus in Europa. Gefahr für die Demokratie? Bonn 2015

Rydgren, Jens: Vom Wohlfahrtschauvinismus zur ideologisch begründeten Fremdenfeindlichkeit. Rechtspopulismus in Schweden und Dänemark. In Decker, Frank (Hrsg.): Populismus in Europa. Gefahr für die Demokratie oder nützliches Korrektiv? Wiesbaden 2006 

Internetquellen

Bauer, Werner T.: Willkommen in der Normalität? Anmerkungen zum Wahlerfolg der rechten Schwedendemokraten. Friedrich Ebert Stiftung Internationale Politikanalyse. Oktober 2010. Zugriff am 14.02.2017 unter http://library.fes.de/pdf-files/id/ipa/07502.pdf 

Bauer, Werner T.: Rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien in Europa. Wien, November 2016. Zugriff am 17.02.2017 unter http://www.politikberatung.or.at/uploads/media/Rechtspopulismus_01.pdf

Gmeiner, Jens: Endlich raus aus der rechten Ecke. Der lange Weg der Schwedendemokraten. In : Rechtspopulismus in Europa. Europawahlen 2014 – der rechte Rand im Aufwind? Göttinger Themenhefte Ausgabe 01/2014 Göttingen 2014 Zugriff am 17.02.2017 unter http://www.demokratie-goettingen.de/content/uploads/2014/05/Themenheft_2_web.pdf

Krell, Christian: Klare Kante. Wie die schwedischen Gewerkschaften gegen Rechtspopulismus mobil machen. In Internationale Politik und Gesellschaft 11.10.2016. Zugriff am 23.02.17 unter http://www.ipg-journal.de/kommentar/artikel/klaare-kaante-1649/

Parusel, Bernd: Einwanderung in Schweden: Zukünftige Herausforderungen. 26.01.2015 Länderprofil bpb. Zugriff am 15.02.2017 unter http://www.bpb.de/gesellschaft/migration/laenderprofile/57862/herausforderungn

Staud, Toralf: Angst um den eigenen Wohlstand. 12.5.2015 bpb. Zugriff am 15.02.2017 unter http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/184196/angst-um-den-eigenen-wohlstand

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