Samstag, 18. Juli 2020

Wie der Aufstieg der Rechtspopulisten mit der Finanzkrise zusammenhängt

Ein Beitrag von Ani Israelyan

Die Gründe, weshalb die Rechtspopulisten sowohl in Europa als auch den USA Hochkonjunktur haben, sind vielfältig und liegen in vielen (sozial)politischen und sozioökonomischen Krisen begründet; die Flüchtlingskrise aus dem Jahr 2015, islamistische Terroranschläge, Wachstums- und Finanzkrisen sowie soziale Unruhen überfordern etablierte Politiker auf der ganzen Welt, da es keine transnationalen Ordnungsregeln gibt, die die Probleme regulieren könnten. Viele Rechte sehen daher die Lösung im Rückzug zum autoritären Nationalstaat (vgl. Assheuer 2016).

Auffällig ist jedoch, dass viele rechtspopulistische Parteien gerade am Anfang der 2010er Jahre einen besonders starken Zuwachs der Wählerstimmen in Europa erhalten haben: Österreich mit 28%, Norwegen mit 22%, Finnland mit 19,1% gefolgt von den Niederlanden mit 15,4%, Dänemark mit 13,9%, Frankreich mit 10% sowie Italien und Belgien mit einem Wert von 7-8% (vgl. Stern 2011, S.29).

An dieser Stelle muss man erwähnen, dass Deutschland in dem Jahr noch das Schlusslicht mit einem Stimmenanteil von gerade mal 2% bildet. Mit der Gründung der AfD im Jahr 2013 wird sich dieser Trend jedoch ebenfalls ändern. Diesen Zuwächsen geht die Weltfinanzkrise aus dem Jahr 2007/08 voran, deren Nachwirkungen noch bis heute zu spüren sind. Daher haben sich drei Wissenschaftler mit der Frage beschäftigt, ob und wie Finanzkrisen mit dem Aufstieg von rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen zusammenhängt.

Das Team um die Wissenschaftler Prof. Christoph Trebesch und Dr. Manuel Funke vom Kieler Institut für Weltwirtschaft sowie Dr. Moritz Schularick von der Universität Bonn untersuchte in diesem Zusammenhang in einer Studie mehr als 800 Wahlen aus 20 Ländern zwischen 1870-2014 (Titel: „Going to Extremes: Politics after Financial Crises, 1870-2014).

Die Ergebnisse ihrer Studie erschienen 2017 in kurzgefasster Form unter dem Titel „Financial Crises and Populist Right“ im „ifo DICE Report“ des Münchener ifo Instituts. Sie fanden heraus, dass in der Zeit nach größeren Finanzkrisen stabile etablierte Parteien ihre Wählerschaft verlieren und (besonders rechts-) populistische Parteien an Bedeutung gewinnen. Als „jüngste Auswüchse“ (vgl. Killy 2018) dieses Trends lässt sich die Wahl Donald Trumps in den USA beobachten sowie die Brexit-Bewegung der UKIP in Großbritannien.

Ebenso konnten die Forscher nachweisen, dass die Rechtsaußen-Parteien in den Ländern Dänemark, Norwegen, Italien, Frankreich und der Schweiz nach den Wirtschaftskrisen in den 80er und 90er Jahren und die darauffolgenden Jahre stark zulegen konnten (vgl. ebd.). Dieses Prinzip bestätigte sich nach der Lehman Pleite 2008 in Frankreich in Form des Front National sowie den Schwedendemokraten in Schweden, den Wahren Finnen in Finnland, der britischen UKIP sowie der AfD in Deutschland nach der "Eurokrise" von 2011; die Wählerstimmen stiegen in einem Zeitraum von 5 Jahren nach der Finanzkrise um 30% (vgl. ebd.).

Den kausalen Zusammenhang beschreiben die Wissenschaftler so, dass einerseits die Finanzkrise von der Bevölkerung nicht als eine externe Erschütterung wahrgenommen wird, sondern als unentschuldbare Ereignisse, die mit Politversagen und mangelnder Regulierung zusammenhängen, was zu einem Misstrauen gegenüber der Regierungen und der „Mainstream“-Politik führt.

Weiter erklären sie, dass Finanzkrisen die Konflikte zwischen Gläubigern und Schuldnern verschärfen und somit die Schere zwischen Arm und Reich beim Einkommen und Vermögen weiter vergrößern. Das lässt sich aktuell auch daran erkennen, dass als Folgeerscheinung nach Finanzkrisen wenig investiert wird und kaum noch Kredite nachgefragt werden, was zum Zinsverlust der sparenden Bevölkerung wird, während sich einige wenige durch weitere Spekulationen am Markt weiter bereichern können (vgl. Fricke 2016).

Darüber hinaus führen Finanzkrisen zu sehr teuren Banken-Rettungsaktionen, die sowohl hochkontrovers als auch extrem unpopulär bei der Bevölkerung sind. Diese sogenannten „Bail-outs“ befeuern extremistisches Gedankengut an den politischen Rändern und führen zu einer Atmosphäre des Misstrauens, der Unsicherheit und Frustration.

Die durch diese Ereignisse entstehende Unzufriedenheit wissen Rechtspopulisten für sich zu nutzen, indem sie gelernt haben, mit scheinbar einfachen Lösungen komplexer Probleme Wählerstimmen für sich zu gewinnen und gleichzeitig Minderheiten und Ausländer zum Sündenbock für diese zu machen (vgl. ebd.).

Berechtigte Kritik am neoliberalen Finanzkapitalismus sowie der ihnen zugehörigen Finanzeliten wird radikal und völkisch scharfgemacht sowie mit Fremdenfeindlichkeit verwoben (vgl. Assheuer 2016 / Crouch 2016, S. 4). Die Geschädigten der großen Finanzkrisen wissen auch häufig nicht, dass strukturierte Finanzprodukte wie Hedgefonds oder Derivate an ihren prekären Situationen schuld sind, daher ist es einfacher, die angestaute Wut auf Ausländer und Migranten zu entladen (vgl. Fricke 2016). Dr. Manuel Finke bestätigt die These zum Zusammenhang zwischen Finanz-Clashs und dem Erstarken rechtspopulistischer Parteien folgendermaßen:
“Die Finanzkrise war die notwendige Bedingung dafür, dass die AfD überhaupt entstanden ist. Und die Flüchtlingskrise war dann die hinreichende Bedingung dafür, dass die AfD in den deutschen Bundestag eingezogen ist.“

Quellen

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