Dienstag, 28. Juli 2020

Chronologie: Gründung der L'SNS (2010)

Dies ist ein Hintergrundtext von Patrik Lehmann zu folgenden Einträgen in der Chronologie: 

2010: L'SNS wird gegründet (Slowakei)

Marian Kotleba (43), früher Lehrkraft an weiterführenden Schulen, ist der Gründer der Partei LSNS (Ľudová Strana Naše Slovensko). In seiner Jugend marschierte Kotleba in der Uniform der Hlinka-Garde, einer faschistischen paramilitärischen Wehrorganisation, welche in die SS integriert wurde. Daher scheint Marian Kotleba auch seine rechtsextremistischen Ansichten zu haben.

Die erste Partei, die Kotleba gründete, war die "Slowakische Gemeinschaft – Nationalpartei (Slovenska pospolitost). Seine "Kotlebovci" patrouillierten an öffentlichen Orten wie Bahnhöfen, um für die Sicherheit der „anständigen“ Slowaken zu sorgen. Die "Kotlebovci" hetzten auch gegen die Roma im Land. Die Partei stellte sich für die Wahlen im Jahr 2006 auf, jedoch mit sehr geringem Erfolg. Die Partei erhielt nur 0,16 % der Stimmen. Nach der Wahl 2006 wurde die „Slowakische Gemeinschaft“ aufgrund ihres anti-demokratischen Charakters schließlich verboten.

2013 wurde Kotleba in das erste öffentliche Amt gewählt, als Landeshauptmann in der Region Banska Bystrica. Er stellte viele seiner Parteimitglieder in seiner lokalen Administration an. Eine seiner ersten Amtshandlungen damals war die Entfernung der Flagge der EU vom Administrationsgebäude. Obwohl wenige Leute seine Ideologie teilten, war er erfolgreich aufgrund seines Interesses an den Problemen der Bürger. Er zeigte sich unter anderem auch in den kleineren Dörfern, was sein Ansehen stärkte, da ihnen zuvor niemand so große Beachtung schenkte.

Vor seiner Amtszeit 2013 gründete er im Jahr 2010 eine neue Partei. Die LSNS Kotlebovci – Ľudová strana Naše Slovensko (Kotlebianer – Volkspartei Unsere Slowakei).

Seinen rechtsextremistischen Charakter zeigte Kotleba unter anderem bei der Gedenkfeier für den 1939 von NS-Deutschland eingesetzten slowakischen Diktator Jozef Tiso, ein Gefolgsmann Hitlers. Indem er bedürftigen Familien einen Scheck von 1488 € ausstellte. 1488 ist ein Neonazi-Code der unter Neonazis weltweit als Kombination eines rassistischen Slogans mit dem Gruß "Heil Hitler!" gilt. Am Jahrestag des Slowakischen Aufstandes gegen die Wehrmacht hisste er die schwarze Flagge auf der Regionalverwaltung.

2017 wurde ein Verbotsantrag gegen die Partei von der Generalstaatsanwaltschaft gestellt, nachdem sie 2016 mit 8 % der Stimmen ins slowakische Parlament eingezogen war. Nach einem knapp zwei Jahre dauernden Verfahren hat das Gericht entschieden, die LSNS nicht zu verbieten aufgrund von mangelnden Beweisen. Unabhängig von dem nun abgeschlossenen Verbotsverfahren laufen weitere Gerichtsverfahren gegen Parteichef Marian Kotleba und mehrere Parlamentsabgeordnete wegen des Verdachts auf rassistische Hetze.

Politische Lage in der Slowakei vor den Wahlen am 29.02.20

Seit dem Mord an dem Investigativjournalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten im Jahr 2018 steigt bei den Bürgern der Slowakei das Gefühl, von korrupten Politikern und Oligarchen geführt zu werden. Grund dafür ist unter anderem, dass Jan Kuciak versucht hat, die Verflechtungen zwischen Kriminalität, Justiz und Politik aufzudecken.

Nach dem Mordfall gab es Massenproteste im ganzen Land, was den damaligen Premier Robert Fico zum Rücktritt zwang. Seine Partei, die Smer-SD, ist seit 15 Jahren durchgängig an der Macht gewesen. Zwar hat die Slowakei mit Pellegrini formal einen neuen Ministerpräsidenten bekommen, jedoch sind sich die Bürger bewusst, dass Fico im Hintergrund weiterhin die Fäden zieht. Das Besondere an den Protesten war, dass durchweg alle Bürger, egal welcher Partei sie angehörten, protestierten unter dem Motto: Anständige Slowakei.

Programmatik

Ein Schwerpunkt in der Programmatik ist die "Befreiung von den korrupten Eliten". Die Partei setzt sich für die „anständigen Leute“ ein, welche von den "korrupten Politikern ausgebeutet werden". Ebenfalls hat die Partei anti-europäische Vorstellungen. "Wir wollen einfach einen normalen Staat, ohne Oligarchen und die korrupte Elite, die sich bereichert, während unsere jungen Leute im Ausland arbeiten müssen" (Milan Mazurek).

Die LSNS gibt sich nicht nur volksnah, sondern auch als christliche Partei. also gegen Abtreibung und Homosexualität, für traditionelle christliche Werte. Wo in anderen Ländern ein starker Anti-islamischer Schwerpunkt liegt, wird in der Slowakei gegen die Roma gehetzt. Statt auf dem Migrationsthema liegt bei diesen Wahlen der Schwerpunkt auf sozialen Themen, um auch Wählerstimmen von der linken Partei Smer zu bekommen. Durch den Korruptionsskandal hat die Partei Smer an Ansehen verloren und die Wahrscheinlichkeit, dass diese Wähler verlieren, ist ziemlich hoch.

Wahlergebnisse

Eine Mehrheit der Wähler hat für Protestparteien mit rechtskonservativen, rechtspopulistischen und europaskeptischen Positionen gestimmt. Der große Durchbruch der rechtsextremen Parteien ist jedoch ausgeblieben. Allerdings ist nur eine Partei aus dem liberal-konservativen Spektrum vertreten.

Der große Wahlsieger ist die Partei OLaNO von Igor Matovic ("Gewöhnliche Leute und unabhängige Persönlichkeiten") mit 25 Prozent der Stimmen. Die OLaNO vertritt wie die LSNS viele rechtspopulistische und rechtskonservative Positionen. Zum Regieren braucht Matovic allerdings Koalitionspartner. Die so lange an der Regierung beteiligte Partei SMER wurde wie erwartet in den Wahlen abgestraft. Allerdings erhielt sie mit 18 % der Stimmen mehr als erwartet (10 % weniger als 2016). Die LSNS konnte dagegen nur 8 % der Stimmen erringen, sogar etwas weniger als bei der letzten Wahl. Nach Umfragen vor der Wahl wurden doppelt so viele Stimmen erwartet. Zum ersten Mal seit 1990 ist keine Partei der ungarischen Minderheit im Parlament vertreten.

Wählerschaft

Die LSNS wäre ohne die Darstellung auf Facebook nicht im Parlament (Vašecka, Soziologin). Viele Wähler wünschen sich einen tiefgreifenden Wandel hin zu mehr Rechtsstaatlichkeit, Transparenz und besserer Sozialpolitik. Vor allem bei jungen Slowaken punktet die LSNS. Nach Umfrage will etwa ein Fünftel der 18- bis 33-Jährigen die LSNS wählen. Vor allem die jungen, männlichen Wähler wollen eine Alternative zum aktuellen System, und wählen deshalb die LSNS. Der Historiker Jakub Drabik spricht auch von einer Rebellion gegen die Elterngeneration. Überraschend ist ebenfalls, dass eine hohe Anzahl der Wähler Nachrichten über Facebook konsumiert.

Konsequenzen der Parlamentswahl

„Die Wahlen habe es geschafft, das Erheben der Rechtsextremisten zu verhindern (Soziologin Olga Gyarfasova, Comenius University). Die 15-jährige Ära von Robert Fico und der Smer-Partei sind nun beendet. Die Frage, die sich nun nach der Wahl stellt, ist, welche Koalitionspartner sich die OLaNO sucht. Im Gegensatz zur LSNS ist die OLaNO zwar EU- und NATO-freundlich, aber im Hinblick auf Abtreibung, Homosexualität, Aufnahme von Flüchtlingen oder die Roma teilen sie die gleichen Ansichten. Es gab zwar nicht so eine starke Verschiebung nach rechts wie erwartet, dennoch wurden zum Großteil Parteien aus dem rechten Spektrum gewählt.

Quellen

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