Mittwoch, 29. Juli 2020

Chronologie: Anschlag in Hanau (2020)

Dies ist ein Hintergrundtext von Lukas Gotthelf zu folgendem Eintrag in der Chronologie: 

2020: Anschlag in Hanau

Seit der Gründung der Alternative für Deutschland 2013 hat sich diese von einer Euro-kritischen zu einer rechtspopulistischen Partei mit rechtsextremen Tendenzen entwickelt. Nicht zuletzt durch die "Flüchtlingskrise" erlebte die Partei einen massiven Zulauf an Wähler*innen und erzielte bei der Bundestagswahl 2017 einen Stimmenanteil von 12,6% (vgl. Holtmann 2018). Man kann daraus ableiten, dass in den letzten Jahren die Zustimmung zu rechtspopulistischen Positionen deutlich zugenommen hat. Nach Jan-Werner Müller ist (Rechts-)Populismus durch zwei Hauptmerkmale gekennzeichnet: Anti-Elitismus und Anti-Pluralismus (vgl. Müller 2016). Durch diese Entwicklung kam es in den letzten Jahren immer wieder zu Übergriffen gegen Migranten, jedoch sticht hierbei besonders der Anschlag von Hanau heraus.

Am Abend des 19. Februar 2020 gegen 21:50 Uhr nähert sich der Attentäter der Bar La Votre und der Shisha-Lounge Midnight. Mit zwei Schusswaffen eröffnet er das Feuer. Kaloyan Velkov, ein Mitarbeiter des La Votre, Fatih Saraçoğlu, ein Passant und der Eigentümer des Midnight, Sedat Gürbüz, werden getötet. Der Täter flieht vom Tatort in seinem Fahrzeug.

Gegen 22:00 Uhr erreicht er den Kurt-Schumacher-Platz. Auf dem Parkplatz erschießt er Vili Viorel Păun. Daraufhin dringt der Täter in das Lokal mit angeschlossenem Kiosk Arena Bar & Café ein. In diesem Kiosk erschießt er Gökhan Gültekin, Mercedes Kierpacz und Ferhat Unvar. Kurze Zeit später werden in der Nähe der Bar Said Nesar Hashemi und Hamza Kurtović vom Attentäter getötet.

Um 22:50 findet die Polizei das Fluchtfahrzeug des Todesschützen in der Nähe seines Wohnhauses. Um 3:03 Uhr stürmt ein Spezialkommando das Wohnhaus des Attentäters, dort finden die Beamten die Leichen des Täters und dessen Mutter, welche er vermutlich tötete, bevor er sich selbst erschoss. Insgesamt werden in dieser Nacht zehn Menschen vom Attentäter erschossen, fünf weitere werden verletzt.


Gegen 7:30 Uhr am 20. Februar 2020 wird bekannt, dass der Attentäter ein Bekennerschreiben und ein Video hinterlassen hat. Um 8:27 Uhr teilt die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe mit, dass sie die Ermittlungen an sich gezogen hat, was bedeutet, dass man von einem terroristischen Anschlag ausgeht. Circa eine Stunde später verkündet der hessische Innenminister Peter Beuth im Landtag in Wiesbaden die Übernahme der Ermittlungen durch die Generalbundesanwaltschaft und bestätigt, dass von einem rechtsextremen Hintergrund ausgegangen wird (vgl. Hessenschau.de 2020).

Das Manifest, welches der Todesschütze von Hanau verfasst hatte, war geprägt von Verschwörungsmythen und rassistischen Elementen. Er schrieb, dass er von einem Geheimdienst überwacht würde, welcher in der Lage sei, seine Gedanken zu lesen und diese zu manipulieren, auch von einer Schattenregierung ist die Rede.

Neben diesen Verschwörungsmythen finden sich auch einige rassistische Aussagen in dem Schreiben (vgl. Belousova/Klein 2020). So bezeichnet er andere Kulturen und Nationalitäten als destruktiv und plädiert für deren vollständige Vernichtung, schreibt von kriminellen Ausländern und der Unfähigkeit einiger Deutscher, dieses Problem zu lösen. Als möglichen Grund sieht er die deutsche Geschichte.

Auch nimmt er eine Differenzierung zwischen "Passdeutschen" und "Biodeutschen" vor: Nicht jeder mit einem deutschen Pass sei reinrassig und wertvoll. Vergleicht man diese Aussagen mit jenen von AfD-Mitgliedern, lassen sich einige Parallelen erkennen. Im Narrativ der AfD ist der „Schuld-Kult“ (Gebhard 2020) eine falsch verstandene Verantwortung für historische Ereignisse (Holocaust), deren Resultat eine „einwandererfreundliche Politik“ (Gebhard 2020) sei. Ebenso diffamieren AfD-Mitglieder immer wieder aufs neue Ausländer, sprechen von „Passdeutschen“ (ebd.), welche nur zur Manipulation der Kriminalitätsstatistik dienen würden (vgl. Gebhard 2020).

Zwar beteuert die AfD, dass ihre Rhetorik nichts mit dem Anschlag zu tun habe, dass dies das Werk eines Wahnsinnigen sei, jedoch lassen sich ganz eindeutig Überschneidungen im Manifest des Täters mit Aussagen von AfD-Mitgliedern feststellen. Der Attentäter mag zwar an einer psychischen Erkrankung gelitten haben und von Wahnvorstellungen besessen gewesen sein, allerdings weisen alle Opfer des Anschlags einen Migrationshintergrund auf, was darauf schließen lässt, dass deren Auswahl systematisch aufgrund ihres Aufenthaltsortes erfolgte, der Täter vermutete hier besonders viele Menschen mit Migrationshintergrund (vgl. Flade/Mascolo 2020). Man kann, beziehungsweise sollte, in diesem Fall von einem rassistischen Anschlag sprechen.

Literatur

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