Sonntag, 20. Januar 2019

Rezension zu Ruth Wodak: Politik mit der Angst

Wodak, Ruth (2016), Politik mit der Angst. Zur Wirkung rechtspopulistischer Diskurse, Edition Konturen.

Rezension

Autorin: Alena Knöllinger
 „Obwohl ich im Jahr 2000 davon überzeugt war, dass Rechtspopulismus sich nicht als kurzlebige Erscheinung erweisen würde, hätten sich wahrscheinlich nur sehr wenige Wissenschaftler vorstellen können, dass diese Parteien im Jahr 2014 in der Lage sein würden, die Wahlen zum Europäischen Parlament in Frankreich und Großbritannien zu gewinnen […]“ (Wodak 2016, 203).
Ruth Wodak stellt in ihrem Buch „Politik mit der Angst“ in erster Linie den Aufstieg rechtspopulistischer Parteien dar. Sie beschäftigt sich primär mit den folgenden Fragen:
  • Warum sind diese Parteien so erfolgreich?
  • Sind allgemeine Muster erkennbar?
  • Wie ziehen sie so viele Wählerinnen und Wähler an?
Das Buch umfasst acht Kapitel mit insgesamt 254 Seiten. Die Kapitel beginnen jeweils mit einem zutreffenden Zitat und enthalten Textbeispiele, die der Veranschaulichung dienen. Wodak möchte in ihrem Buch aufzeigen, wie es Rechtspopulisten gelingt, politische Wahlen zunehmend zu ihren Gunsten zu entscheiden, und geht hierbei ausführlich auf rhetorische Mittel und andere Aspekte, mit denen Rechtspopulisten arbeiten, ein.


Zum Einstieg beschreibt die Autorin einige allgemeine Aspekte des (Rechts-)Populismus. Hier spricht sie beispielsweise die Haiderisierung an, in der Jörg Haider, der ehemalige Obmann der FPÖ, eine Vorbildrolle für weitere rechtspopulistische Parteien hinsichtlich des Auftretens, der Rhetorik und der Ideologie einnimmt.

Außerdem spricht sie Aspekte wie die Stützung von Rechtsparteien auf unterschiedliche politische Visionen und Traditionen an, beschäftigt sich aber auch mit den sogenannten Identitäts-Narrativen, die sich auf bestimmte nationale Vergangenheiten berufen. Ebenfalls Teil der ersten Komponente des Buchs ist die Angst als manifestiertes Phänomen. Alle Parteien würden eine Art von ethnischer, religiöser, sprachlicher oder politischer Minderheit als Sündenbock für die meisten aktuellen Probleme instrumentalisieren.

Wodak legt großen Wert auf den Aspekt der rhetorischen Mittel. Die behandelten Parteien arbeiten vor allem mit einer angstbasierten Rhetorik, die beispielsweise die Angst vor Veränderungen, Globalisierung und Verlust von sozialer Sicherheit inkludiert. Sie reden grundsätzlich von „Wir“ – von einem imaginierten homogenen Volk, das auf gut geschütztem Territorium lebt. Gleichzeitig bezeichnen diese Parteien ausländische Mitbürger als „die Anderen“. Die Rechtspopulisten stehen für „uns“ als „Retter“ ein, die „uns vor denen“ schützen wollen.

Sie versucht in ihrem Buch unter anderem die „Mikropolitik des Rechtspopulismus“ (Wodak 2016, S. 13) nachzuzeichnen. Dabei benutzt sie 14 Textbeispiele über alle Kapitel verteilt, die der Vertiefung und Veranschaulichung dienen. Hierbei geht es besonders darum, wie diese Parteien ihre Ideologie und ihre ausgrenzende Propaganda tatsächlich produzieren und reproduzieren, sowohl im politischen Alltag, in den Medien, im Wahlkampf, auf Plakaten als auch in Parolen und Reden.

Sie beschäftigt sich auch mit den vielfältigen Methoden, welche die Rechtspopulisten nutzen, um kontinuierlich Angst zu erzeugen. Außerdem spricht Wodak rhetorische Strategien an, wie die Erzeugung von Angst durch eine Politik der Ausgrenzung oder das rechtspopulistische Perpetuum mobile.

Die Autorin betont an mehreren Stellen, dass es keine allgemeingültige Erklärung für das komplexe System des Rechtspopulismus gibt, trotzdem konzipiert sie drei zentrale Aspekte, mithilfe derer man dieses Phänomen universell charakterisieren könne:
  • Es ist immer die Rede von „dem Volk“, also der Fiktion einer „reinen“ Gemeinschaft.
  • Das Vaterland richtet sich gegen „Andere“ (inkludiert „die da oben“, also Eliten, Minderheiten, Flüchtlinge und Migranten).
  • Zusammenspiel von Nähe („Uns“/ „Wir“) und Distanz („die Anderen“).
Ebenfalls zeigt Ruth Wodak auf, dass die heutige Politik subtiler vorgeht als die frühere, die Äußerungen seien heute eher „kodierte“ Versionen. Sie bringt zum Ausdruck, dass in rhetorischer Hinsicht einige Gemeinsamkeiten von Rechts- und Linkspopulismus existieren.

Daneben zeigt das Buch verschiedene Typen von Leugnung von Rassismus als Rechtfertigungsstrategien auf, welche mit Textbeispielen belegt werden (z.B. Haiders Politik mit der Vergangenheit / Antisemitismus in Ungarn – Opfer-Täter-Umkehr).

Die Autorin thematisiert darüber hinaus die immer noch bestehenden massiven Vorurteile gegenüber Juden und erläutert diese. Auch sekundärer Antisemitismus, antisemitistische Rhetorik und die Leugnung des Holocausts werden dargelegt, bevor sie einige antisemitistische Stereotype in knapper und eindrücklicher Darstellung aufzeigt. Sie definiert modernen Antisemitismus als festen Bestandteil des Rechtspopulismus, welcher auf Randgruppen beschränkt sei. In diesem Zusammenhang sagt Wodak: „Es ist traurig und gleichzeitig vielsagend, dass ein Buch über Rechtspopulismus im 21. Jahrhundert dieses Thema immer noch behandeln muss.“ Juden werden hier als die „ewigen Sündenböcke“ bezeichnet (Wodak 2016, S. 109).

Im Kapitel „Performance in den Medien: Politik und Charisma“ zeigt Ruth Wodak auf, dass es nicht nur um die reine Rhetorik gehe, sondern um die Kombination von Form und Inhalt – einer speziellen Verpackung der Politik. WählerInnen fühlen sich von rechtspopulistischen Parteien verstanden, indem diese „den richtigen Ton treffen“ und sich als „Retter“ für jene darstellen, die sich im Stich gelassen fühlen. Sie vermitteln sowohl im Fernsehen als auch auf Plakaten oder in Reden Empathie, indem sie Unzufriedenheit und Wut in einfachen Worten ansprechen. Sie betont, dass rechtspopulistische Rhetorik mehrere Elemente kombiniert, nämlich spezielle Themen, Ideologien, Strategien kalkulierter Ambivalenz sowie Provokationen. Es werden so absichtlich Skandale erzeugt und im nächsten Zug wieder relativiert, wodurch ein andauernder Wahlkampfmodus erzielt wird.

Starke, charismatische, männliche Führungspersonen dieser Parteien stechen durch neurolinguistisches Programmieren, Propaganda, Wiederholungen und Authentizität heraus. Nach Wodak gab es eine drastische Veränderung des Erscheinungsbildes der Rechtspopulisten. Von gemeinen „Schlägern“ zu gutgekleideten und gebildeten, „weichen und fürsorglichen“, verantwortungsbewussten Politikern. Sie spricht im gleichen Zug auch von der „Politik der Leugnung“, die als maßgebliches Kennzeichen von Rechtspopulismus gesehen werden kann.

Darüber hinaus geht die Autorin auf die patriarchalen Familienwerte ein, indem sie die Geschlechter- und Körperpolitik rechtspopulistischer Parteien untersucht und neue Geschlechterrollen, wie „Pappmascheemänner“ und „Plastikfrauen“ anspricht.

Rechtspopulismus wird als eine politische Kraft des Mainstreams gesehen, dessen Maßnahmen, Strategien, Ideologien und Programme ernst genommen werden müssen, um nachvollziehen und verstehen zu können, warum sie für so viele junge wie alte, männliche, aber auch weibliche Wähler in vielen Kontexten attraktiv sind.

Rechtspopulisten verfolgen häufig das Ziel, eine homogene, weiße, christliche Bevölkerung innerhalb der Grenzen des traditionellen Nationalstaats zu etablieren, in dem alle die jeweilige Muttersprache sprechen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ruth Wodak in anschaulicher Weise darstellt und beschreibt, wie politische Akteure sich mit einfachen aber wirkungsvollen Mitteln Einfluss verschaffen. Sie betont aber, dass es keine allgemeingültige Erklärung für den Aufstieg und Erfolg rechtspopulistischer Parteien und Bewegungen gebe.

Ihr Buch setzt durchaus Vorwissen voraus, trotzdem eignet es sich ebenfalls für unerfahrene Politikinteressierte, die sich einen Überblick über rechtspopulistische Parteien und deren Aufstieg verschaffen wollen.

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