Montag, 16. Juli 2018

Ist die "Alternative für Deutschland" eine rechtspopulistische Partei? Eine politisch-programmatische Verortung

Die Alternative für Deutschland ist eine im Jahr 2013 gegründete Partei, die seither große mediale und gesellschaftliche Aufmerksamkeit erregt hat. Besonders die Polarisierung der politischen Debatte, einhergehend mit der Frage der politischen Verortung dieser Partei. Während laut einem auf der Homepage der Bundeszentrale für politische Bildung erschienenen Beitrag von Karl-Rudolf Korte (2014) die AfD von „weiten Teilen der Politikwissenschaft als rechtspopulistisch [1] bezeichnet“ [2] wird, wehren sich die Partei und dessen Funktionäre gegen dieses vermeintliche Stigma [3].

Während sich europaweit diverse Parteien und Strömungen des sogenannten „Rechtspopulismus“ etablierten, galt Deutschland diesbezüglich lange als „weißer Fleck“ [4]. Doch wie lässt sich die AfD im politischen Spektrum verorten? Längst gehört der Populismusbegriff, insbesondere der des Rechtspopulismus, in Bezug auf die AfD zum Sprachrepertoire in der politischen Debatte. Doch wie lässt sich der Begriff Rechtspopulismus definieren? Kann die „Alternative für Deutschland“ demnach als rechtspopulistisch bezeichnet werden?

Um diese Fragen zu beantworten, wird zunächst ein Überblick über die Gründung und den Aufstieg der AfD gegeben. Daran anschließend wird die wissenschaftliche Kontroverse um eine Definition des (Rechts-)Populismus beschrieben. Aufgrund der hohen Kontroversität dieser Definition muss dies relativ ausführlich geschehen. Daran anknüpfend wird die Methodik einer programmatischen Verortung beschrieben, um auf Grundlage dieser wissenschaftlichen Methodik eine Verortung der Partei „Alternative für Deutschland“ durchzuführen. Anhand der systematischen Analyse und auf Basis der Definition des Rechtspopulismus wird schließlich die Frage, ob die AfD als rechtspopulistisch bezeichnet werden kann, beantwortet.

Die Verortung wird auf Grundlage verschiedener Analysen der Politikwissenschaft geschehen. Dabei wird insbesondere auf die Ergebnisse der von der Hochschule Düsseldorf im Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus/Neonazismus veranstalteten Fachtagung „Politische Programmatik und Entwicklung der Partei Alternative für Deutschland“ (19.02.2015) Bezug genommen. Da bei einer solch jungen Partei der Ausrichtungsprozess noch nicht vollkommen abgeschlossen ist und tagespolitisches Geschehen erst mit einem gewissen Abstand analysiert werden kann, werden jüngere Ereignisse und Tendenzen in einem späteren Ausblick aufgegriffen. Die politische Verortung wird jedoch anhand gesicherter Daten und Analysen stattfinden. 


Die Alternative für Deutschland

Die Alternative für Deutschland ist eine im April 2013 gegründete Partei, die sich selbst im Zuge der Euro-Rettungspolitik der EU als Alternative zur von Merkel als „alternativlos“ angesehenen Politik vorstellte. Der Gründung der „Alternative für Deutschland“ ging ein etwa drei Jahre währender Prozess voraus. Als Meilenstein dieses Gründungsprozesses wird unter anderem das vom Gründungsmitglied Bernd Lucke im Herbst 2010 initiierte „Plenum der Ökonomen“ angesehen, welches sich gegen die Euro-Rettungspolitik aussprach. [5]

Die Zustimmung des Bundestags zum EU-Beschluss, Euro-Rettungsschirme zu verstetigen sowie den Europäischen Stabilitätsmechanismus als permanente Maßnahme zu etablieren, dürfte Lucke und seine Mitstreiter in der Annahme eines zu geringen Einflusses durch Ökonomen bestärkt haben, woraus das „Bündnis Bürgerwille“, das sich noch nicht als Partei, sondern als „Sammlungsbewegung“ verstand, etablierte. [6]

Die Resonanz aus Verbänden des Mittelstands, aber auch aus den etablierten Parteien, verhalf den späteren Gründern der AfD zu einer breiten gesellschaftlichen Vernetzung und den damit einhergehenden Ressourcen, die die bevorstehende Parteigründung ermöglichte. Der im Herbst 2012 gegründete Verein „Wahlalternative 2013“ kooperierte zunächst mit den Freien Wählern. Diese Kooperation mündete jedoch aufgrund schlechter Ergebnisse bei der niedersächsischen Landtagswahl 2013 in die Entscheidung, eine eigenständige Partei zu gründen.

Der offiziellen Parteigründung im April 2013 folgten rasch einige Erfolge. Zwar scheiterte sie bei der Bundestagswahl 2013 knapp an der Fünf-Prozent-Hürde. Dennoch gelang ihr bereits im März 2014 bei den Wahlen zum Europäischen Parlament mit 7,1% der abgegebenen Zweitstimmen ein beachtlicher Erfolg. Die im Jahr 2014 stattgefundenen Landtagswahlen spiegelten den Erfolg noch stärker wider. Hierbei erzielte die Partei in den ostdeutschen Bundesländern Brandenburg und Thüringen jeweils über 10%, in Sachsen knapp unter 10% der Stimmen.

Das bis dahin verfolgte Schwerpunktthema „Euro-Krise“ wurde in den darauffolgenden Landtagswahlen um Themen wie Familien-, Bildungs-, Energie- und Zuwanderungspolitik ergänzt. Begleitet wurde der Erfolg der Partei stets mit dem Vorwurf des Rechtspopulismus, was die Verantwortlichen von sich wiesen. Sie distanzierten sich von allen extremistischen und populistischen Strömungen. So formulierte der damalige Vorsitzende Bernd Lucke auf dem Gründungsparteitag 2013, man verstehe sich politisch als „weder links noch rechts“, sondern als „Partei des gesunden Menschenverstands“ [7].

Auf die Periode der Wahlerfolge folgte nach den Landtagswahlen eine Phase innerparteilicher Konflikte, die durch Führungsstreitigkeiten geprägt war. Diese Konflikte mündeten in die Spaltung der Partei, an der maßgeblich die zwei Spitzen Lucke und Frauke Petry um die zukünftige Ausrichtung der Partei rangen.

Als Katalysator dieser Spaltung wird die Dresdner Protestbewegung PEGIDA angesehen, deren Anhänger durch Lucke, aufgrund von aus seiner Sicht „ausländerfeindlichen und islamophoben Tendenzen“ nicht mehr als „bürgerlich“ angesehen werden konnten. Demgegenüber waren insbesondere die ostdeutschen Landesvorsitzenden der AfD für eine Inklusion dieser „politischen Unzufriedenheit“ der PEGIDA-Anhänger.

Weitere Versuche Luckes, die Ausrichtung der Partei in seinem Sinne zu gestalten, scheiterten, so dass fünf der sieben Abgeordneten des EU-Parlaments, darunter zwei Landtagsabgeordnete und Lucke selbst, aus der Partei mit der Begründung eines „Rechtsrucks“ austraten. Dieser Rechtsruck wurde allerdings vom neuen Vorstand unter der Führung von Petry mit Verweis auf die „unveränderte Programmatik“ der Partei bestritten. [8] Im weiteren Verlauf kam es zu weiteren personellen Streitigkeiten. Die Frage, inwieweit diese inhaltlicher Natur waren oder personelle Streitigkeiten darstellten, wird später erneut aufgegriffen.

Doch wie lässt sich die Alternative für Deutschland im politischen Spektrum verorten? Um eine politische Verortung der Partei vorzunehmen, werden zunächst die Begriffe des Populismus und Rechtspopulismus definiert. Daran anschließend wird die Verortung der politischen Programmatik der AfD durchgeführt, um schließlich die Eingangsfrage, ob die Bezeichnung der AfD als rechtspopulistisch zutreffend ist, beantwortet zu können. 

Populismus und Rechtspopulismus 

Um sich einer Begriffsdefinition des Rechtspopulismus zu nähern, muss zunächst geklärt werden, wie Populismus im Allgemeinen definiert werden kann. Daher werden zunächst verschiedene Definitionen des Populismusbegriffs vorgestellt. Dabei treten Überschneidungen auf, die an dieser Stelle als definitorischer Konsens gesehen werden können. Diese werden im Anschluss an die Definition der Autoren um die Ausprägung des Rechtspopulismus erweitert.

Zunächst muss festgestellt werden, dass zum Begriff des „Populismus“ bisher keine einheitlichen Definitionen existieren. [9] Es besteht diesbezüglich eine Kontroverse, ob es sich beim Populismus ausschließlich um einen Politikstil, eine Ideologie oder aber auch ein Geflecht beider handelt. [10] Daher muss darauf hingewiesen werden, dass die Einschätzung, was nun als Rechtspopulismus gilt und was nicht, auch bedingt ist durch das grundsätzliche Verständnis von Populismus. [11]

Nach Tanja Wolf sei Populismus „in seiner einfachsten Form“ zunächst ein rhetorisches Stilmittel, das durch eine Reduktion der Komplexität gekennzeichnet sei. [12] Des Weiteren sei eine Ablehnung einer „political-correctness“, in Form von „man wird ja wohl noch sagen dürfen…“ ein wichtiges Mittel des Populismus, um einerseits durch provokative Tabubrüche Aufmerksamkeit zu generieren, andererseits, um sich als Person zu präsentieren, die sich von einer vermeintlich herrschenden Elite, die eine „political-correctness“ formuliert, nicht einschüchtern lässt. Dies diene auch dazu, sich als volksnah zu präsentieren und sei ein wichtiger Abgrenzungsfaktor. [13]

Ist dieser rhetorische Stil darüber hinaus gekoppelt mit einer provokanten Konfrontation von „Volk“ und „Elite“, entstehe eine sogenannte „dünne“ populistische Ideologie. [14] Grenze man des Weiteren das „eigene Volk“ respektive die eigene Nation von „den Fremden, den Anderen bzw. den Ausländern“ ab, handele es sich um Rechtspopulismus. [15]

Wie bereits erwähnt, gibt es um den Begriff des Populismus eine starke Kontroverse, ob Populismus überhaupt eine eigenständige Ideologie darstellt und wie diese denn ausgestaltet sei. [16] Zudem muss angemerkt werden, dass insbesondere der Begriff des Rechtspopulismus umstritten ist, da er im politischen Geschehen oft als abwertender Kampfbegriff angesehen wird. Darüber hinaus wird bemängelt, dass der Begriff des (Rechts)-Populismus auch medial inflationär und unreflektiert benutzt würde. [17] Dies sollte im Rahmen einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung jedoch kein Hindernis sein, ihn als Analysekategorie zu verwenden und zu beschreiben. [18]

Populismusforscher Frank Decker sieht Populismus als Sammelbegriff für teils stark differierende Parteien und Bewegungen. Das ideologische Spektrum reiche hier von konservativen und nationalistischen bis hin zu sozialistischen Kräften, die sich wiederum in ihrer programmatischen Ausrichtung stark unterscheiden. [19]

Ihren Ursprung haben sie hier in der Regel aus dem Protestpotenzial gegenüber bestimmten politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. So seien populistische Bewegungen eine Art Produkt von Modernisierungserfahrungen und wiesen eine tendenzielle Kurzlebigkeit auf, bedingt durch einen mit der Zeit einhergehenden Verlust gesamtgesellschaftlicher Bedeutung, wenn ein Themenkomplex zentral hervorstäche. [20]

Populismus als rhetorisches Stilmittel hingegen sei ein allgegenwärtiges Phänomen, welches – unterschiedlich stark - „bei beinahe allen Politikern zu finden“ sei. [21] Der Begriff des Populismus leitet sich aus dem lateinischen „populus“ (= Volk) ab und bezeichnete in der römischen Republik die „Gesamtheit der erwachsenen Bürger“. Heute hingegen setze der Populismus das Volk nicht mit populus, sondern mit „Plebs“ (= Masse der einfachen Leute) gleich. [22]

Das herausstechende Merkmal des Populismus sei eine gewisse inhaltliche Flexibilität. Demnach orientiere sich Populismus an dem, „was das Publikum hören möchte“. Dieser Artikulation folgten aber nie realistische Alternativen respektive konstruktive Lösungsansätze. Darüber hinaus gehörten starke Vereinfachungen (Komplexitätsreduktion), Provokationen, Tabubrüche und Emotionalisierung zu Kernmerkmalen.

Rechtspopulismus im Speziellen sei dann gegeben, wenn der Fokus auf Inhalte wie Nationalität, Volk, Kultur oder Religion gelegt würde, der damit die Abgrenzung respektive Ausgrenzung bestimmter Teile der Gesellschaft durch eine sogenannte „negatorische Identitätsfindung“ betreibe. [23] Speziell dem Rechtspopulismus wohne hierbei eine klare Vorstellung des „Volksbegriffs“ inne. So seien weniger die Bürger eines Staates gemeint, sondern vielmehr das Volk als „homogene Gemeinschaft, was durch die gemeinsame Entstehungsgeschichte und Kultur begründet wird“ [24].

Der Rechtspopulismus erkenne als „Schadensfaktor“ des Volkes nicht lediglich die herrschende Elite, sondern auch eine „fremde Bedrohung“, die zumeist in Ausländern, Migranten und anderen Minderheiten gesehen werde. [25] Die beschriebene negatorische Identitätsfindung diene wiederum der klaren Abgrenzung und definiere ein „Wir“, das es vor den „Anderen“ zu schützen gelte. Tendenziell zeichne den Rechtspopulismus damit eine gewisse Xenophobie aus, die in Teilen rassistisch sei. [26] Obgleich der Rechtspopulismus „noch in einem demokratiefreundlichen und rechtsstaatlichen Spektrum angesiedelt“ sei, ließe sich ein Bilden von Feindbildern und die einhergehende Instrumentalisierung von Ressentiments erkennen. [27]

Jan-Werner Müller sieht in der Kritik an Eliten zwar ein notwendiges, allerdings kein hinreichendes Kriterium populistischer Rhetorik. [28] Vielmehr reklamierten Populisten für sich, nur sie verträten das Volk. Dieser Reklamation sei ein „moralischer Alleinvertretungsanspruch“ [29] inhärent. Radikaler und damit eindeutiger trete dieser Gedanke im Slogan auf, die aktuellen Politiker seien keine Volksvertreter, sondern Volksverräter. [30]

Ähnlich formuliert es Cas Mudde in „The Oxford Handbook Of Populism“: Demnach sei Populismus definiert als "an ideology, that considers society to be ultimately separated into two homogeneous and antagonistic groups, ‚the pure people‘ versus ‚the corrupt elite‘, and which argues that politics should be an expression of the volonté générale (general will) of the people" [31].

Ein wichtiges Element dieses „general will“ des Volkes sind sogenannte „common sense“-Argumente. Diese „common-sense“-Argumente seien ein Produkt des gesunden Menschenverstands und würden dadurch unangreifbar. Demnach würde jeder, der diese anzweifelt, „special interests“ verfolgen. Diese „special interests“ würde nach Meinung der Populisten eine korrupte Elite verfolgen. [32]

Als Konsens der Autoren bezüglich der Definition des Populismusbegriffs können somit vor allem Aspekte der Rhetorik stehen: Eine erhebliche Komplexitätsreduktion, stark provokative Äußerungen bis hin zu „Tabubrüchen“ (Ablehnung einer „politcal correctness“), sowie ein moralischer Alleinvertretungsanspruch eines vermeintlich homogenen Volkes, das von einer allumfassenden Elite bedroht würde. Als rechtspopulistisch gelte demnach, wenn der Begriff des Volkes zudem durch eine negatorische Identitätsfindung, folglich einer exkludierenden Idee von Nationalität, Kultur, und Religion aufgeladen würde. Zudem würde dieses „eigene Volk“ auch durch eine externe Bedrohung gefährdet, die meist in Ausländern, Migranten und Minderheiten gesehen werden. 

Die politische Verortung der Alternative für Deutschland 

Um eine politische Verortung dieser noch recht jungen Partei vorzunehmen, muss zunächst geklärt werden, nach welchen Kriterien eine solche Verortung stattfindet. Dazu hat sich in der Parteienforschung ein Schema etabliert, welches im Folgenden dargestellt wird, um im Anschluss daran eine konkrete Verortung vorzunehmen. Darüber hinaus muss erwähnt werden, dass die Parteienforschung sich sowohl mit den Parteien als solchen, aber auch mit den Parteiensystemen beschäftigt. Beides sind zunächst unterschiedliche Analyseebenen, die jedoch enge Verknüpfungspunkte aufweisen und in der Darstellung häufig vermischt werden. [33] Im Folgenden soll es daher primär um den Begriff der Partei gehen, wobei Überschneidungen möglich sind.

Der Begriff der Partei wird in der Wissenschaft unterschiedlich definiert. [34] Als breiter Konsens haben sich hierzu jedoch drei Wesensmerkmale herausgestellt: Es handelt sich um einen mehr oder weniger fest gefügten (= organisierten) Personenverband; diese Personen vertreten gemeinsame politische Ansichten und Interessen; ihr Ziel ist die Beteiligung an der staatlichen Herrschaft (= Erringung von Regierungsmacht) [35].

Diese Definition bietet aufgrund ihrer Offenheit Grundlage für weitergehende typologische Differenzierungen. Als wichtig und für ein demokratisches System relevant werden folgende typologischen Merkmale zur Unterscheidung der Parteien aufgeführt [36]:
  • politisch-ideologische Zugehörigkeit und Programmatik;
  • historischer Ursprung und Entstehung;
  • Organisationsstruktur;
  • Struktur der Anhängerschaft;
  • Zielorientierung und Funktion im politischen System.
Wie bereits angemerkt, können diese Merkmale jedoch nicht losgelöst voneinander betrachtet werden, sondern beeinflussten sich gegenseitig und weisen vielfältige Überschneidungen auf. Um eine politische Verortung der Partei „Alternative für Deutschland“ vorzunehmen, werden im Folgenden diese Merkmals zunächst erläutert und im Anschluss systematisch angewandt. 

Ideologisch-politische Zugehörigkeit und Programmatik 

Untersuchen lässt sich die ideologische Zugehörigkeit an der „Programmatik der Partei, ihren öffentlichen Verlautbarungen und ihrem politischen Handeln.“ [37]. Dazu werden folgende Elemente verwendet:
  • weltanschauliche Strömungen,
  • Links-Rechts-Schema,
  • Intensität/Radikalität der Ausrichtung,
  • Reichweite des programmatischen Anspruchs.

Weltanschauliche Strömungen

Zu den im 19. Jahrhundert hervorgetretenen „großen“ Strömungen konnten sich seit den 70er/80er Jahren zwei neu entstandene Strömungen etablieren: die ökologischen/grünen Parteien und die Rechtspopulisten. Ein erster Versuch, rechtspopulistische Strömungen durch transnationale Parteiorganisationen wie beispielsweise Fraktionszugehörigkeit im Europäischen Parlament als Parteifamilie zu erkennen, scheiterte jedoch aufgrund der eindeutigen Zugehörigkeit eben dieser Strömungen.

Eine einheitliche Fraktion durch die Vertreter der rechtspopulistischen Strömung wurde nicht gebildet. Dadurch, dass die Kategorie des „Rechtspopulismus“ – ob zutreffend oder nicht – aus diversen Gründen oft unattraktiv scheint, sind viele Anhänger, die relativ eindeutig in rechtspopulistischen Strömungen verortet werden, der konservativen Fraktion (EKR) beigetreten [38].

Nach der Spaltung der AfD blieben beispielsweise die Anhänger Luckes als neue Partei in der EKR. Im weiteren Verlauf drängten die Abgeordneten der EKR aufgrund von Äußerungen im Zuge der Flüchtlingsthematik [39] auf den Ausschluss der zwei AfD-Abgeordneten Pretzell und von Storch. Während von Storch unmittelbar in die europaskeptisch bis europafeindliche EFDD-Fraktion wechselte, wechselte Pretzell nach einem Votum für seinen Ausschluss aus der EKR in die ENF.

Besonders die ENF unter Führung von Marine Le Pen (Front National) gilt gemeinhin als rechtspopulistisch. [40] Dies reicht jedoch nicht als Anhaltspunkt für eine politische Verortung. Kritiker verweisen beispielsweise auf die – insbesondere bei einer jungen Partei üblichen – personellen Streitigkeiten und Richtungskonflikte. [41] Demnach bestünde die AfD aus drei unvereinbaren Strömungen: einer wirtschaftsliberalen, einer national-konservativen und einer rechtspopulistischen Strömung. Dass diese Strömungen unvereinbar seien und sich damit einer Verortung entziehen, wird jedoch bezweifelt. [42]

Einen weiteren Anhaltspunkt hinsichtlich der weltanschaulichen Strömung kann die Namensgebung der Parteien bieten. Die „Alternative für Deutschland“ will hier laut eigener Aussage die Alternative zum vermeintlichen „politischen Mainstream“ respektive zum „Establishment der Altparteien“ bieten. Darüber hinaus ließe die Forderung nach mehr direktdemokratischen Beteiligungsrechten eine gewisse Anti-Establishment-Orientierung erkennen. [43]

Eine Anti-Establishment-Orientierung wird von Autoren wie Decker als Merkmal der (rechts)populistischen Strömung gesehen. [44] Diesbezüglich sei es jedoch keineswegs ein Alleinstellungsmerkmal rechter Parteien, da auch die Grünen in ihrer Gründungsphase eine Anti-Establishment-Orientierung erkennen lassen hätten. [45]

Links-Rechts-Schema

Das Links-Rechts-Schema soll als räumliche Orientierung und Einordnung der Positionen der Parteien dienen. Die dem Schema inhärenten Pole stellen zwei gesellschaftliche Grundkonflikte dar: Der sozioökonomische Verteilungskonflikt (Marktfreiheit als rechter Pol; soziale Gerechtigkeit als linker Pol) und der soziokulturelle Wertekonflikt (konservativ-autoritär als rechter Pol; libertäre Werthaltung als linker Pol). [46]

Auf Grundlage dieses Schemas lässt sich die AfD in beiden Fällen eindeutig dem rechten Pol zuordnen. [47] Eine Abgrenzung zu extremistischen Parteien und Organisationen wie der NPD und DVU wurde bereits zu Beginn der Parteigründung durch das Gründungsmitglied Lucke formuliert. [48] Dennoch hätten insbesondere einige ostdeutschen Landesverbände Vorbehalte, sich an diese Vorgabe zu halten und sich eindeutig von diesen abzugrenzen. [49] Hier stellt sich die Frage, ob dies einen Richtungskonflikt darstellt oder jedoch den Versuch, gemäßigte konservative Kräfte und extreme Rechte zu vereinen. Dies kann an dieser Stelle nicht geklärt werden und muss Gegenstand weiterer Beobachtung sein.

Im Unterschied zum „harten Kern“ des europäischen Rechtspopulismus – diese würden „eher sozialprotektionistische und somit wirtschaftspolitisch linke Positionen“ vertreten - lege die AfD einen starken Fokus auf Marktfreiheit. [50] Die vermeintlich „rechte“ Auffassung, der Euro sei gescheitert und es müsse eine Rückkehr zur nationalen Währung geben, wird vielfach auch im linken Spektrum diskutiert.

An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass, obgleich in einigen Bereichen linke und rechte Positionen Ähnlichkeiten aufweisen, die jeweilige politische Begründung klar voneinander abzugrenzen ist und diese somit nicht aus der bloßen Konsequenz heraus vergleichbar sind. Dennoch stellt dies eine weitere Kontroverse in der politischen Verortung dar.

Der Populismusforscher Frank Decker weist in diesem Zusammenhang auf einen „working-class authoritarianism“ [51] hin. Demnach wirkten „die konservativ-autoritären Positionen der Rechtspopulisten […] auch auf linke Wähler anziehend“, da diese häufig weiter rechts stünden als die eigentlich von ihnen präferierten Parteien. [52] Demnach ändere sich „nichts an der Verortung der AfD als rechts“, da für diese allein das Programm ausschlaggebend sei. [53]

Intensität/Radikalität der Ausrichtung

Da die ideologischen Positionen innerhalb einer Partei auf beiden Seiten des politischen Spektrums eine gewisse Streuung aufweisen, müsse zudem – neben dem Richtungsmerkmal – auch die Intensität respektive Radikalität der ideologischen Ausrichtung als Unterscheidungsmerkmal herangezogen werden. [54]

Diese können unterteilt werden in gemäßigte, radikale oder extremistische Positionen. Der europaweite Vergleich verdeutlicht, dass rechtspopulistische Parteien in allen dieser drei Ausrichtungen existieren. Am Beispiel der AfD lässt sich hierzu keine klare Verortung erkennen. Waren bisher, besonders unter der Führung Luckes, vermehrt wirtschaftsliberale Strömungen zu erkennen, kann die Spaltung der AfD, die besonders von der Basis zu Gunsten Petrys mitgetragen wurde, als eine Verlagerung der Thematik hin zu einer identitären, nationalen Ausrichtung verstanden werden.

Zuletzt brach auch Petry mit der AfD und bescheinigte ihr sogar „eine national-sozialistische Partei“ sein zu wollen und führte weiter aus, dass ihre Arbeit durch das Agieren vom als extrem rechts geltenden Funktionär Höcke „immer schon torpediert“ wurde. [55] Inwieweit Petry - die eine Verlagerung nach rechts selbst forciert hatte - ihren Bruch aus politisch-strategischen Gründen oder aber aus Gründen eines ihr zu extremen Rechtsrucks vollzogen hat, kann an dieser Stelle nicht ausreichend geklärt werden. Dennoch kann dies zumindest als Indiz für eine extremere Ausrichtung angesehen werden. [56]

In politischen Leitlinien und publizierten Programmen wird größtenteils eine gemäßigtere Positionierung beschrieben. Bemerkenswert sind jedoch Einzelaussagen vieler Spitzenfunktionäre. Diese weichen in ihrer Radikalität oftmals immens von der publizierten Programmatik ab, weshalb es an dieser Stelle sinnvoll ist, diese kurz zu skizzieren.

Besonders prominent und kritisch sehen Beobachter in diesem Zusammenhang geschichtsrevisionistische Tendenzen. So ist im Grundsatzprogramm von einer „Verengung der deutschen Erinnerungskultur auf die Zeit des Nationalsozialismus“ die Rede. [57] Durch großen Interpretationsspielraum ließe sich hieraus jedoch kein eindeutiges Programm zur Umdeutung der deutschen Geschichte ableiten. [58]

Demgegenüber stehen einige Äußerungen ehemaliger sowie aktueller Spitzenfunktionäre, die in öffentlichen Verlautbarungen eindeutiger wurden. Erwähnenswert sind an dieser Stelle Äußerungen Höckes zum Holocaust („Denkmal der Schande“, „dämliche Bewältigungspolitik“, Forderung nach „erinnerungspolitischer Wende um 180 Grad“) [59] zu nennen, Petrys Forderung, den Begriff „völkisch“ wieder positiv besetzen zu wollen [60], sowieso Gaulands „Vogelschiss“-Metapher“ [61]. Genutzte Vokabeln wie „Schuldkult“ [62] unterstreichen diesen Verdacht.

In den publizierten Programmdokumenten fänden sich solche Formulierungen „freilich“ nicht. [63] Dennoch muss hier klar darauf verwiesen werden, dass es sich bei den Äußerungen um „mehr als Einzelstimmen“ handelt und die hier skizzierten Äußerungen durch große Teile der Spitzenfunktionäre getätigt wurden. [64]

Dadurch, dass trotz teils extrem wirkender Äußerungen ein Interpretationsspielraum gelassen wird, ist es schwierig, diese für eine klare Verortung heranzuziehen. Beobachter sehen in der „Weigerung, klare Trennungsstriche zu ziehen“ [65], eine Strategie: durch bewusste, gezielte Äußerungen, würden extreme Rechte „gelockt“, während durch anschließende Relativierungen gemäßigtere Kräfte nicht verschreckt würden.

Reichweite der programmatischen Ausrichtung

Die nach ideologischen Merkmalen unterschiedenen Parteien verfügen in der Regel über ein sogenanntes „Vollprogramm“, das alle relevanten Themenfelder abdeckt. Andere Parteien, die die Interessen relativ kleiner Bevölkerungsgruppen vertreten, werden als Ein-Punkt- oder Nischenpartei bezeichnet [66]. Diese Parteien, ähnlich wie die Grünen, könnten auch aus monothematischer Ausrichtung heraus in den Status einer „Vollpartei“ heranwachsen, wenn es ihnen gelänge, „andere politische Fragen an ihren programmatischen Kern anzuschließen“. [67]

Die bisherige Fokussierung der AfD auf finanzpolitische Themen der EU sowie Kritik an der EU als solches scheint vergangen. Demnach habe es mit dem Grundsatzprogramm vom Mai 2016 eine Verschiebung zu asyl- und migrationspolitischen Themen gegeben. [68] Während sich das Grundsatzprogramm zuvor klar zu einem Grundrecht auf Asyl bekannte, würde nun gefordert, dieses durch eine „institutionelle Garantie in Form eines Asylgesetzes zu ersetzen“. [69] Weiter heißt es dazu:
„[Die] überkommene Politik der großzügigen Asylgewährung im Wissen um massenhaften Missbrauch […]“ münde in einer „unaufhaltsamen Besiedlung […] Deutschlands, durch Menschen aus anderen Kulturen“ [70].
Des Weiteren nehme das Thema Islam weiter Einzug in die Programmatik. Darüber hinaus zähle zu den Hauptthemen der AfD unter anderem die Innere Sicherheit, Familienpolitik und die Ablehnung eines vermeintlichen „Gender-Mainstreamings“ [71]. Dadurch, dass nun inhaltliche Positionen zu „fast allen wichtigen politischen Themen formuliert“ [72] würden, könne die AfD nicht mehr als „Ein-Themen-Partei“ gesehen werden. Dennoch sei ein ein klarer Fokus auf migrationspolitische Themen, insbesondere auf islamkritische bis islamfeindliche Programmatik, folglich eine Verschiebung hin zum national-konservativen Parteiflügel zu erkennen. [73]

Historischer Ursprung und Entstehung

Die Geschichte der Gründung der „Alternative für Deutschland“ wurde bereits dargestellt, sodass diese im Folgenden lediglich um die an dieser Stelle relevanten Punkten ergänzt wird. Deutschland galt im Kontext der Etablierung des europäischen Rechtspopulismus lange als „weißer Fleck“ [74]. Einzelne Gruppierungen blieben auf die regionale Ebene beschränkt. [75]

Um „solche Parteien und Bewegungen hervorzubringen“, bedürfe es in der Regel einer bestimmten gesellschaftlichen Krisenkonstellation („populistischer Moment“) [76]. Dies sei im Falle der AfD die Finanz- und Eurokrise gewesen. [77] Dabei konnte sie jedoch an bereits bestehende Netzwerke anknüpfen. Darüber hinaus gebe es einige „Überläufer“ anderer Parteien. [78]

Diese Abspaltungstendenzen ließen sich laut Decker einerseits durch eine wirtschaftspolitische „Sozialdemokratisierung“ und einen gesellschaftspolitischen Linksruck der CDU unter Angela Merkel erklären. Andererseits sei es der FDP in der Koalition nicht gelungen, ein Gegengewicht (beispielsweise in europapolitischen Fragen) zu bilden. Dadurch habe sich eine Nische gebildet, in die die AfD „erfolgreich hereingesprungen“ sei. [79]

Darüber hinaus sieht Decker in den Ursprüngen und Erfolgsursachen der AfD die Thesen Sarrazins bezüglich der Einwanderungs- und Integrationspolitik (vgl. Sarrazin 2010) sowie darüber hinaus seine Ausführungen zur Eurokrise (vgl. Sarrazin 2012) und Political Correctness (vgl. Sarrazin 2014), mit denen er den „diskursiven Raum für den Rechtspopulismus“ geöffnet habe. [80] In diesem Zusammenhang spricht Decker sogar von einem „Spiritus Rector“ [81] der AfD. 

Organisationsstruktur 

Die spezifische Ausgestaltung der Organisationsform trägt, neben Inhalt und Stil, zu einer Profilbildung bei. Grundsätzliches Kennzeichen einer rechtspopulistischen Partei sei ein „ausgeprägter Bewegungscharakter mit losen Strukturen sowie eine charismatische Führungsfigur an der Spitze“ [82]. Diese Führungsfigur führe die Partei innen autoritär und symbolisiere sie nach außen.

Die nach außen getragene Forderung nach stärkerer Mitbestimmung durch die Bevölkerung stehe hier oft im Widerspruch zur internen Organisationsstruktur, die hierarchisch strukturiert sei und autoritär geführt würde. Aufgrund der antielitären Einstellung und der Kritik an etablierten Parteien werde hier ein Versuch unternommen, sich durch den Aufbau abzugrenzen. Demnach sei eine populistische Partei ständig bemüht, „sich von […] Konkurrenten auch in organisatorischer Hinsicht zu unterscheiden“ [83]. Dies werde oft über den engen Schulterschluss mit außerparlamentarisch agierenden Gruppen erreicht – um eine besondere Nähe zum „Volk“ zu demonstrieren. Häufig ist auch eine sprachliche Abgrenzung, indem man bewusst auf die Nennung des Begriffs „Partei“ im Namen verzichtet respektive diesen durch Begriffe wie Liga, Bund, Front oder Bewegung ersetzt [84].

Zunächst muss festgestellt werden, dass die Organisationsstruktur der AfD nicht zuletzt durch ihre wechselnden Spitzen das charakteristische Merkmal rechtspopulistischer Parteien eines eindeutig agierenden Führenden nicht erfüllt. Ob jedoch dieses Merkmal des „charismatischen Typus“ in jedem Fall erfüllt sein muss, ist strittig. Demnach sei dieses Merkmal „längst nicht mehr so stark verbreitet, wie vermutet.“ [85].

Darüber hinaus spiele die Funktion des Führenden vermehrt in der Entstehungsphase der Parteien eine Rolle, im weiteren Verlauf würde die „Organisation den Mainstream-Parteien angepasst“ [86]. Zudem ist durch das deutsche Parteienrecht eine Institutionalisierung ohnehin vorgegeben; rechtspopulistische Strömungen hätten folglich nicht die Möglichkeit, eine Partei nach dem „Führerprinzip“ zu organisieren. [87]

Dieses Merkmal muss somit ausgeklammert werden und kann daher weder für noch kann es gegen eine Verortung im rechtspopulistischen Spektrum stehen. Zumindest unüblich für die Organisationsstruktur rechtspopulistischer Parteien ist die gleichberechtigte Doppelspitze in der Führung der AfD, die bisher vermehrt im linken Spektrum zu beobachten war [88].

Auch die engere Kooperation mit der PEGIDA-Bewegung war in der AfD umstritten und mündete sogar in eine Spaltung. Große Teile der AfD stehen jedoch für eine Inklusion der dort versammelten Stimmungsbilder. Der Schulterschluss mit außerparlamentarischen Bewegungen wird oft als Kennzeichen der Rechtspopulisten gesehen, da so eine gewisse „Nähe zum Volk“ symbolisiert werde. Außerdem biete sich eine solche Kooperation an, um eine Debatte außerhalb der Parlamente „auf die Straße zu bringen“, um den Anschein, den „Volkswillen“ zu vertreten, erwecken zu können. Dennoch fehlt hier ein einheitliches, klares Bekenntnis zur PEGIDA-Bewegung. Obgleich Kritiker in diesem ausbleibenden Bekenntnis lediglich ein taktisches Manöver bei simultaner Vereinnahmung dieser Positionen sehen [89], kann dieses Kriterium nicht ausschlaggebend sein. Zusammenfassend bietet folglich die Organisationsstruktur der AfD keine klaren Anhaltspunkte für eine politische Verortung. 

Struktur der Anhängerschaft 

Gegenüber dem Angebot der Parteien steht die Nachfrage seitens des Wählers. Durch eine abnehmende Bedeutung bestimmter Standes- oder Berufsgruppen gewann die Betrachtung der „ganzen“ Bevölkerung als Zielgruppe, im Sinne einer Volkspartei, zunehmend an Bedeutung. [90] Demnach gelänge es aufgrund einer durch ein hohes Maß an sozialstruktureller Pluralität gekennzeichneten Gesellschaft nur noch kleineren Parteien, sogenannten „Klientelparteien“, die Sympathie homogener Bevölkerungsgruppen zu gewinnen. [91]

Der Fokus der Parteienforschung liege daher heute mehr auf den von den Parteien vertretenen ideologisch-programmatischen Grundpositionen und weniger auf sozialökonomisch bestimmten gesellschaftlichen Gruppen. [92] Dies zeige die Wählerschaft der AfD „eindrucksvoll“: Laut Decker seien diese in allen sozialen Gruppen gleichermaßen vertreten, lediglich beim Geschlecht wiesen diese eine eindeutigere Struktur auf. Diese sei durch das Verhältnis 60:40 (männlich/weiblich) geprägt. Dies entspreche dem, was „wir [von] anderen rechtspopulistischen und -extremistischen Parteien in Europa kennen“ [93].

Klar träten die Diskrepanzen zu anderen Parteien beispielsweise in der kritischen bis ablehnenden Haltung der Wähler gegenüber Zuwanderung hervor, dies gelte auch stärker als für die zuvor im Mittelpunkt gestandenen euroskeptischen Positionen. [94] Stark vertreten sind zudem Positionen, die mit einer Unzufriedenheit mit der bestehenden Demokratie assoziiert werden können. [95]

Überwiegend rechte Einstellungsmuster der Wählerschaft ließen sich zudem in der Akzeptanz und Unterstützungsbereitschaft der in Tendenzen „fremdenfeindlichen und rechtsextremen“ Pegida-Bewegung erkennen. [96] Diese würde zwar offiziell von der AfD auf Distanz gehalten, jedoch bekennen sich einige Spitzenfunktionäre so stark zur Pegida-Bewegung [97], dass eine absolute Distanzierung unglaubwürdig erscheint. [98]

Darüber hinaus kann eine Unterstützung geschichtsrevisionistischer Tendenzen [99], die beispielsweise unter anderem beim Vorsitzenden der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag Björn Höcke beobachtet werden können, ausgemacht werden: In einer Befragung [100] haben 19,5% der befragten Mitglieder der These „Der industrialisierte Massenmord des nationalsozialistischen Regimes war in dieser Form einzigartig und darf weder vergessen noch verharmlost werden“, gar nicht oder eher nicht zugestimmt. 9,2 % haben sie danach sogar „uneingeschränkt zurückgewiesen“ [101]. Weiterhin hielten 13% „[…] den internationalen Einfluss des Judentums“ ohne Einschränkungen für zu groß, 25% stimmten dieser Aussage „eher zu“ [102]. Diese Zahlen spiegeln rein rechnerisch natürlich nicht die Mehrheit der Befragten wider, können jedoch auch nicht als Einzelstimmen wahrgenommen werden. [103] 

Zielorientierung und Funktionen im politischen System 

Allgemeines Ziel der Parteien ist laut Begriffsdefinition die Beteiligung an der staatlichen Herrschaft. Wie diese konkret ausgestaltet sein soll, lässt die Definition jedoch offen. [104] Eine weitere Aufschlüsselung dieser Definition benennt drei Hauptziele: vote-seeking (das Werben um Stimmen), office-seeking (Streben nach Regierungsämtern) und policy-seeking (Streben nach politischer Gestaltung). [105]

Diese drei Ziele sind offensichtlich eng miteinander verknüpft, stehen jedoch auch in einem Spannungsverhältnis: So kann es auch politisch nicht-opportun sein, Regierungsbeteiligung zu erlangen, wenn es in anderen oder nachfolgenden Wahlen schadet. [106] In Bezug zur AfD lässt sich noch kein einheitlicher Kurs erkennen. Während der gemäßigte Flügel um Bernd Lucke die Partei anschlussfähig halten wollte, scheinen die „radikaleren Kräfte um Alexander Gauland“ primär auf Polarisierung zu setzen, um eine Schwächung der Union zu erreichen und damit eine Integration des rechten Randes voranzutreiben. [107]

Zuletzt ließe zudem auch die Wählerstruktur der AfD darauf schließen, dass diese „radikale Strategie“ im Hinblick auf Wahlen erfolgversprechender sei. [108] Decker weist jedoch in diesem Zusammenhang darauf hin, dass „alle Versuche, eine Partei rechts von der Union zu etablieren - […] – am Ende an demselben Problem gescheitert sind: der Erosion der Abgrenzung nach rechtsaußen.“ [109].

Demnach müsse abgewartet, jedoch auch kritisch beobachtet werden, wie die weitere Entwicklung der Partei AfD verlaufe. 

Fazit 

Die Frage nach der politischen Verortung der AfD kann meines Erachtens und auf Basis der Analyse in beiden Fällen dem rechten Pol zugeordnet werden. Dies stellt auch einen Konsens vieler Autoren dar. Zwar lassen sich die Flügel um Höcke, dessen Fokus auf dem Parteitag in Augsburg (30.06/01.07.2018) auf der Sozialpolitik „nur für Deutsche“ lag, und dem Flügel um Meuthen, der für einen wirtschaftsliberalen Kurs warb, auf den ersten Blick schwer zusammenführen. Einige Autoren sehen in diesem Zusammenhang jedoch einen Wettbewerbspopulismus, der sogar explizit die Möglichkeiten rechtspopulistischer Rhetorik und Handelns ermöglicht.

Sicherlich wäre es nicht angemessen, die Kontroverse um die eigentliche Definition des Rechtspopulismus in diesem Kontext außer Acht zu lassen. Dennoch erfüllt das Personal der AfD meines Erachtens bezüglich ihrer Rhetorik die Charakteristika des herausgearbeiteten Konsenses, was als rechtspopulistisch definiert werden kann: Offiziell - also in Wahlprogrammen, programmatischen Leitlinien etc. – distanziert man sich von extremistischen und rassistischen Organisationen und Gedankengut, stimmt jedoch in öffentlichen Verlautbarungen genau diese Töne an.

So warnen Spitzenfunktionäre der AfD vor „Mischvölkern“ durch Migration und Flucht, sprechen im Zusammenhang von Flüchtlingen von „Invasoren“ und einer „Einwanderung in die deutschen Sozialsysteme“. Durch eine negatorische Identitätsfindung wird das Bild eines homogenen Volkes skizziert, das einerseits durch einen einheitlichen „politischen Mainstream der Alt-Parteien“, andererseits durch eine „Umvolkung“ bedroht würde.

Dazu wird die aktuelle Regierung wahlweise als „Regime“, respektive alle Politiker jedweder Parteien als „Politkaste“ oder „Volksverräter“ bezeichnet. Medienvertreter und Journalisten würden „staatstragende Propaganda“ betreiben. Die AfD erhebt den Anspruch, als einzige Partei ein homogenes, schweigendes Volk zu vertreten, welches durch alle anderen Parteien, Medien, internationalen Institutionen wie beispielsweise der EU und nicht zuletzt durch „ausländische Invasoren“ bedroht würde. Zudem werden Argumente als „gesunder Menschenverstand“ verkauft, die eine unantastbare Wahrheit darstellen sollen.

Darüber hinaus ist meines Erachtens eine klare zukünftige Ausrichtung der Partei nach rechts zu erkennen: Bestimmten zunächst eher gemäßigte wirtschaftsliberale Funktionäre wie Lucke den Kurs der Partei, bestimmt mittlerweile das national-konservative Personal um Gauland und rechts- bis rechtsextreme Strömungen um Björn Höcke den Kurs. Mit steigendem Einfluss dieser Strömungen verließen immer mehr Liberale die AfD, auch weil eine klare Abgrenzung zum rechten Rand nach wie vor vermieden wird. Zwar findet eine Debatte diesbezüglich statt. Dass der Großteil der AfD-Spitzenfunktionäre eine ernsthafte Abgrenzung sucht, ist jedoch aus meiner Sicht höchst unglaubwürdig. Hierin steckt meines Erachtens vornehmlich eine Strategie: Während „bürgerlich-konservative“ nicht verschreckt werden sollen, soll das Potenzial nach rechtsaußen ausgeschöpft werden.

Kritisch ist die Bezeichnung als rechtspopulistisch dennoch: Zum einen, da diese Bezeichnung aus politikwissenschaftlicher Sicht nicht immer trennscharf ist, und zum anderen, da durch eine solche Etikettierung zwar auf ein gewisses Gefährdungspotenzial hingewiesen wird, jedoch oftmals einen Entlarvungsgedanken und in der politischen Praxis damit eben doch einen politischen Kampfbegriff widerspiegelt. Sicherlich lässt sich der Begriff auch als wissenschaftliche Analysekategorie verwenden. Eine produktive Lösung zum Umgang mit einer möglichen Gefahr birgt dieser Begriff jedoch nicht.

Potentielle AfD-Wähler scheinen davon schließlich kaum beeindruckt, fühlen sich vielleicht sogar eher in der oft propagierten Opferrolle bestätigt. Eine rhetorische Ausgrenzung durch diese Bezeichnung bringt keinerlei Vorteile, auch wenn sie zutreffen mag. Meines Erachtens sind die beachtlichen Erfolge der AfD auch einer allgemeinen Politikverdrossenheit geschuldet.

Wer wie Angela Merkel die eigene Politik als alternativlos darstellt, nimmt damit zugleich den Raum für politische Kontroversen. Lange schien es, als gebe es keine Koalitionskonstellationen, die Merkels Alternativlosigkeit etwas gegenüberstellen könnte. Aus dieser Perspektive scheint es wenig verwunderlich, wenn nun eine Partei, die sogar im Namen eine vermeintliche Alternative zu bieten hat, Erfolge einstreicht.

Manche Autoren sehen im Populismus sogar die Möglichkeit, „das entleerte Politische neu zu konstruieren“. Sicherlich geht damit eine Simplifizierung des Politischen einher. Eine Ablehnung dessen käme jedoch einer Ablehnung des Politischen an sich gleich. Eine Polarisierung der Debatte darf keinesfalls bedeuten, die chauvinistische Rhetorik der AfD, geschweige denn Thematiken, zu übernehmen. Dennoch sollten vor allem Politiker im linken Spektrum, die einen Veränderungsanspruch für sich proklamieren, eine Wiederbelebung des Politischen nicht fürchten. Andernfalls muss befürchtet werden, dass die AfD eben doch wirkt. Ebenso gilt es, Forschungsdesiderate in Bezug auf den bisherigen Abgrenzungskurs etablierter Parteien gegenüber der AfD aufzuarbeiten, um weitere Strategien und Konsequenzen daraus abzuleiten zu können. 

Literaturverzeichnis
  • Decker, Frank (2004): Der neue Rechtspopulismus. 2. überarbeitete Auflage. Wiesbaden, s.l.: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Hartleb, Florian (2011): Nach ihrer Etablierung - rechtspopulistische Parteien in Europa. Begriff - Strategie - Wirkung. Sankt Augustin, Berlin: Konrad-Adenauer-Stiftung (Zukunftsforum Politik, 107).
  • Kleinert, Hubert (2018): Die AfD und ihre Mitglieder. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden.
  • Müller, Jan-Werner (2017): Was ist Populismus? Ein Essay. Originalausgabe, 5. Auflage 2017. Berlin: Suhrkamp (Edition Suhrkamp Sonderdruck).
  • Rovira Kaltwasser, Cristóbal; Taggart, Paul A.; Ochoa Espejo, Paulina (2017): The Oxford handbook of populism. First edition (Oxford handbooks).
  • Wolf, Tanja (2017): Rechtspopulismus. Überblick über Theorie und Praxis (essentials).
  • Häusler, Alexander (Hg.) (2016): Die Alternative für Deutschland. Programmatik, Entwicklung und politische Verortung. Wiesbaden: Springer VS.
  • Niedermayer, Oskar (Hg.) (2015): Die Parteien nach der Bundestagswahl 2013. Wiesbaden: Springer VS. 

Internetquellen 

Fußnoten 

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