Dienstag, 9. Januar 2018

Rezension zu Jörke/Selk: Theorien des Populismus

Jörke, Dirk / Selk, Veith (2017), Theorien des Populismus zur Einführung, Junius.

Rezension

Autorin: Ann-Kathrin Regenhardt

Dirk Jörke, der 1971 in Ahlen geboren wurde, ist Professor am Institut für Politikwissenschaft der Technischen Universität Darmstadt. Er studierte Politikwissenschaft, Soziologie, Geschichte und Philosophie und widmet sich in seiner wissenschaftlichen Tätigkeit vor allem der zeitgenössischen Interpretation des Begriffs der Demokratie.

Veith Selk studierte Politikwissenschaft, Philosophie und Soziologie und promovierte 2013 an der Universität Hamburg. Seit 2014 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Darmstadt mit den Forschungsschwerpunkten „Populismus und Demokratie“, „Theorien der Politik“ und „Geschichte des politischen Denkens“.

Die Autoren geben in ihrem 192 Seiten langen Buch Antworten auf zentrale Fragen, die in der Öffentlichkeit aufgekommen sind: Was ist Populismus? Unter welchen Bedingungen entsteht er? Wie ist Populismus zu bewerten und was hat sein gegenwärtiger Aufstieg zu bedeuten? Indem sie ihr Buch nach diesen drei Fragen gliedern, wollen sie auf das Ineinanderwirken von Definition, Ursachenanalyse und Bewertung aufmerksam machen.

Zu Beginn des Buches geben Jörke und Selk einen Überblick über die verschiedenen Facetten des Populismus als ein historisch vielgestaltiges Phänomen. Dabei widmen sie sich einigen Akteuren und Bewegungen, die in der sozialwissenschaftlichen Literatur gemeinhin als „populistisch“ gelten und zeigen somit, dass es keine einheitliche, sondern sehr unterschiedliche Formen des Populismus gibt.

Als erstes behandeln sie die Geburt des Populismus in den USA: Ende des 19. Jahrhunderts bildete sich die populist movement, eine Protestbewegung der Kleinfarmer, die aus der Unzufriedenheit mit dem politischen System und dem gesellschaftlichen Wandel entstand. Auch in diesen Anfängen zeigten sich schon bestimmte Merkmale des Populismus, wie z.B. Fremdenfeindlichkeit oder der Hass gegen wirtschaftliche Eliten. Auch fand in Amerika die Unterscheidung des progressiven (linken) Populismus und des reaktionären (rechten) Populismus statt.

In Südamerika traten Populisten nicht nur in der Opposition, sondern auch in der Regierung, teilweise sogar als Staatoberhäupter, auf. Der Populismus ist vor allem sehr links geprägt und zeichnet sich durch die Inklusion von armen Bevölkerungsschichten aus, zum Beispiel durch die Ausweitung des Wahlrechts oder die Bekämpfung der Armut. Auch findet immer wieder eine symbolische Inklusion des jeweiligen Populisten durch den Sprachgebrauch oder Kleidungsstil statt. Jedoch zeigen sich auch hier deutliche Facetten des „klassischen“ Populismus: Die Mobilisierung der Massen, ein kritischer Umgang mit der Opposition, die Umverteilungspolitik und die Zentrierung auf eine Person.

Der Populismus in Westeuropa hat wenig Gemeinsamkeiten mit dem in Südamerika. Lediglich die Personalisierung und die Kritik an den bestehenden repräsentativen Formen der Demokratie haben sie gemeinsam. Die erste Welle des Populismus, der „Populismus der Mitte“, war geprägt durch die Steuerproteste und zeichnete sich vor allem durch eine sozialprotektionistische Agenda aus. Die Parteien der zweiten Welle verfolgten eine neoliberale Wirtschaftspolitik und eine autoritäre Kulturpolitik und lassen sich so überwiegend dem Rechtspopulismus zuordnen. In der dritten Welle ist die rassistische und antisemitische Haltung der Anti-EU- und Anti-Islam-Haltung gewichen. Die Parteien sind vor allem sozialprotektionistisch und globalisierungskritisch geprägt.

Vor dem Hintergrund dieser verschiedenen Facetten bemühen sich die Autoren um die Beantwortung ihrer drei Leitfragen:

Was ist Populismus? Nach Jörke und Veith kann Populismus nur mit Blick auf die Demokratie definiert werden, da nur in einem demokratischen System das Denken des Volkes, und somit das Volk, die primäre Legitimationsquelle ist. Nur so ist die politische Mobilisierung im Namen des Volkes (der Populismus) möglich. In den Sozialwissenschaften gibt es verschiedene Definitionen des Populismus. Um die erste Leitfrage zu beantworten wurden diese verschiedenen Definitionen im Laufe des Kapitels diskutiert und vom Faschismus und Rechtsradikalismus abgegrenzt.

Ebenso wie auf die erste gibt es auch auf die zweite Frage - Warum entsteht Populismus? - keine eindeutige Antwort. Die Entstehung von Populismus ist kein einheitlich verlaufender Prozess, sondern verläuft immer individuell. Verschiedene Ebenen wirken aufeinander ein und bewirken so das Entstehen des Populismus: Die Medien, gesamtgesellschaftliche Modernisierungsprozesse, eine (Weiter)Entwicklung des Parteisystems und sozialpsychologische Dynamiken wirken aufeinander ein und bewirken die Unzufriedenheit einer kritischen Masse von Bürgern mit der Demokratie.

Bei der Bewertung von Populismus spielt nicht nur das Wissen über die Programmatik populistischer Parteien und ihr politisches Handeln eine Rolle, sondern auch die eigenen Meinungen über die Demokratie, die Gesellschaft und Politik. Die Autoren stellen im vorletzten Kapitel ihres Buches verschiedene Positionen gegenüber populistischer Politik vor: Eine ablehnende, eine zustimmende und eine vermittelnde Position.

Im Epilog zu ihrem Werk nehmen die Autoren Stellung zur aktuellen Situation und kritisieren den Umgang der Sozialwissenschaften mit dem Populismus: Der Rechtspopulismus bringt Missstände und Probleme der Demokratie zum Vorschein, die nicht einfach durch den moralisierende Antipopulismus übergangen werden sollten. Vielmehr sollten die Sozialwissenschaften sich mit den Problemen und aufkommenden Fragen beschäftigen, um mögliche Lösungen für die herrschenden Probleme zu finden.

Jörkes und Veiths Einführung zu den „Theorien des Populismus“ ist ein interessantes Fachbuch für Personen, die sich bereits mit dem Gegenstand beschäftigt haben und ihr Wissen vertiefen möchten. Für Personen, die kein Vorwissen zu diesem Thema besitzen, ist das Buch meiner Meinung nach weniger geeignet: Oft wird Wissen vorausgesetzt oder erst im Laufe eines Kapitels eingeführt, daher ist es ohne jegliches Vorwissen sehr schwer zu folgen.

Das Buch wurde von zwei Politikwissenschaftlern geschrieben und richtet sich auch an Personen aus dem Bereich der Politikwissenschaft. Das Werk gibt auf 192 Seiten einen guten Überblick, die Autoren geben sich Mühe, einen neutralen Blick auf den Gegenstand zu ermöglichen, allerdings weisen sie auch darauf hin, dass auch ihre eigenen Ansichten mit in die Darstellung einfließen. Wer also sein Wissen über den Populismus und seine verschiedenen Facetten vertiefen möchte, dem kann ich dieses Buch nur empfehlen.

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