Freitag, 5. Januar 2018

Rezension zu Daniel-Pascal Zorn: Logik für Demokraten

Zorn, Daniel-Pascal (2017), Logik für Demokraten. Eine Anleitung, Klett-Cotta.

Rezension

Autorin: Sophia Keller

Daniel-Pascal Zorn wurde 1981 geboren und studierte Philosophie, Geschichte und Komparatistik. Im Jahr 2015 promovierte er mit einer Komparatistik philosophischer Ansätze und gewann damit den Preis der Universität Eichstätt. Zorn schreibt die Kolumne „Na logisch!“ in dem Philosophie-Magazin „Hohe Luft“. Des Weiteren kommentiert er immer wieder aktuelle politische Äußerungen auf seiner Facebook-Seite.

Zorn möchte in seinem Buch „Logik für Demokraten“ den öffentlichen Diskurs näher betrachten und eine Möglichkeit bieten, von den momentan verhärteten Fronten zu einem vernünftigen Dialog zurück zu gelangen. Zorn beschäftigt sich ausführlich mit der Dialektik und Redepraxis. Für ihn ist Populismus weder eine Eigenschaft noch ein Wesenszug, sondern die Art und Weise, wie argumentiert wird bzw. wie sich der Redner zum Argument verhält.

Der öffentliche Diskurs spielt für die Demokratie eine entscheidende Rolle. Zorn bezeichnet das demokratische Denken als das Denken einer Gemeinschaft, die auf das Gemeinsame achtet. Damit ein Leben in der Gesellschaft möglich ist, müssen sich ihre Mitglieder auf grundlegende Regeln einigen. Damit diese Grundlage gebildet werden kann, ist immer ein öffentlicher Diskurs nötig.

Wir leben in einer freien Gesellschaft, weshalb wir diese Freiheit oft als selbstverständlich ansehen. Dadurch kann es passieren, dass wir unaufmerksam werden und es so den Feinden der Demokratie leicht machen. Um die Demokratie zu schützen, müssen wir laut Zorn Begriffe wie Freiheit, Würde und Gleichberechtigung immer wieder reflektieren und begründen.

Um hier argumentativ vorgehen zu können, muss die Gegenseite verstanden und ihre Argumente logisch erklärt werden können. Nur wer den Widerspruch der Demokratie verstanden hat, kann ihn überzeugend widerlegen. Um dieses Verständnis möglich zu machen, holt Zorn sehr weit aus. Er beschreibt ausführlich das populistische, totalitäre und demokratische Denken.

Der Mensch sehnt sich nach einer geschlossenen Umwelt, die Grenzen hat. An dieser Ordnung hält er fest, das Unbekannte macht ihm Angst. Dies kann schnell dazu führen, dass das eigene Verständnis anderen aufgezwungen wird. Die Alternative ist, eine Ordnung zu akzeptieren, die nicht mit aller Gewalt geschlossen sein muss. Das Unbekannte also nicht als Bedrohung wahrzunehmen, sondern als Möglichkeit.

Im Fremden kann das Eigene erkannt werden. Das eigene Verständnis soll nicht als dogmatische Setzung festgelegt werden. Auch ein anderes Verständnis kann akzeptiert werden. Wird dieses andere Verständnis verdrängt oder verleugnet, beschränkt man sich selbst. Dadurch werden Gesellschaften, Vielfalt und vor allem der öffentliche Diskurs zerstört, der aber gerade für eine funktionierende Demokratie so wichtig ist.

Zorn ist der Meinung, dass der Mensch sehr wohl einen Anspruch erheben kann, nur nicht auf alles. Um einen Anspruch zu erheben, müssen andere zustimmen. Hierbei geht es jedoch nicht nur darum, dass zugestimmt wird, sondern vor allem warum. Ein Widerspruch bleibt aus, wenn die eigene Sichtweise nicht auf alles und jeden übertragen wird.

Genau in diesem Alleinvertretungsanspruch, den Populisten so gerne für sich beanspruchen, sieht Zorn das Problem. Die eigene Perspektive gilt automatisch für alle anderen, ohne dass sie zugestimmt haben. Einer spricht für alle und entweder man stimmt zu oder ist dagegen. Die Nichtanerkennung dieser dogmatischen Setzung ist dem Populisten natürlich ein Dorn im Auge, da er ja voraussetzt, für alle zu sprechen und genau zu wissen, was alle wollen.

Alles was der dogmatischen Setzung widerspricht, wird nach Möglichkeit ausgesiebt, alles was dafür spricht, wird als Beleg herangezogen. Zorn beschreibt diesen Prozess mit den vier Kernstrategien des populistischen Denkens: Dogmatische Setzung, falsches Dilemma, der Exzess der Positionierung und zum Schluss der Bestätigungsfehler.

Die Aufgabe eines Politikers kann aber nicht sein, die eigenen subjektiven Wünsche jedes Bürgers zu erfüllen. Jedes Individuum hat eigene Wünsche und Bedürfnisse, weshalb eine Parteienvielfalt ja gerade notwendig ist. Die Parteien sind auf Differenz, aber auch auf Gemeinsamkeit angewiesen. Die Gemeinsamkeit wird benötigt, damit Koalitionen geschlossen werden können, die regierungsfähig sind. Die Differenz der Inhalte ist nötig, damit jeder Bürger eine Auswahlmöglichkeit hat, um sich der Partei zuzuordnen, die am ehesten seine Wünsche vertritt. Demokratie beinhaltet also immer auch Vermittlung und Kompromisse.

Des Weiteren wirft Zorn einen kritischen Blick auf Begriffe wie „Volk“ und „Kultur“. Populisten versuchen oft die Einheit des „Volkes“ mit allen Mitteln herzustellen. Doch was genau ist das „Volk“ und wer gehört warum dazu? Zorn wirft die Frage auf, ob sich das Volk nicht viel eher aus einzelnen Individuen zusammensetzt? Das Volk stellt sich als Einheit unterschiedlicher Möglichkeiten dar. Diese unterschiedlichen Perspektiven werden von den einzelnen Parteien aufgegriffen und vertreten. Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff der „Kultur“. Auch hier ist fraglich, was genau eine Kultur ausmacht und welche Bereiche sie beinhaltet.

Nachdem Zorn die Strategien der Populisten kritisch beleuchtet und widerlegt hat, gibt er dem Leser Möglichkeiten an die Hand, wie er einem populistischen Redner gegenübertreten kann. Zorn ist der Meinung, dass die Strategie des Populisten für alle sichtbar offengelegt werden muss, um ihn zu entwaffnen. Er hat dann lediglich die Möglichkeit zu schweigen, einzulenken oder seine Strategie zu wiederholen. Wichtig scheint jedoch, den Populisten nicht von einer vermeintlich überlegenen Position aus zu verurteilen, sondern lediglich aufzuzeigen, wo er sich selbst widerspricht. Also einen Dialog ermöglichen, indem die Person von ihrer Meinung getrennt betrachtet wird.

Den Schluss bildet ein Namens- und Sachregister, das dem Leser bei einer Begriffssuche schnell Auskunft über die Seitenzahl gibt. Des Weiteren besitzt das Buch ein Glossar. Zorn erklärt in seinem Buch immer wieder Begriffe wie „falsches Dilemma“ oder „Nirvana-Fehlschluss“. Diese Begriffe werden später wieder aufgegriffen, weshalb sich das Glossar wunderbar zum kurzen Nachschlagen eignet. Der Anhang macht es dem Leser leicht, sich bestimmte Begriffe nochmals vor Augen zu führen oder bereits Vergessenes nachzuschlagen.

Daniel-Pascal Zorn möchte in seinem Buch weder Stellung beziehen noch belehren, was ihm meiner Meinung nach auch gelingt. Sein Werk soll lediglich eine neue Perspektive auf alte Probleme aufzeigen. Dem Leser wird immer wieder eine Perspektivübernahme ermöglicht, dabei hat man jedoch nie das Gefühl, in eine Position gedrängt zu werden. Zorn macht fast alle seine Thesen an Beispielen fest, welche den Zusammenhang nochmals deutlich und simpel darlegen. Seine Ausflüchte zu anthropologischen Gedankenexperimenten und Aristoteles und Platon ziehen sich jedoch sehr in die Länge, weshalb der Zusammenhang nicht immer klar erscheint.

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