Donnerstag, 11. Januar 2018

Rezension zu Carolin Emcke: Gegen den Hass

Emcke, Carolin (2016), Gegen den Hass, S. Fischer (oder: Lizenzausgabe für die bpb, Bonn 2017).

Rezension

Autorin: Lina Hielscher

Carolin Emcke wurde 1967 in Mühlheim an der Ruhr geboren und ist eine deutsche Autorin und Journalistin. Sie hat unter anderem an der Harvard-Universität Philosophie, Politik und Geschichte studiert. Im Jahr 2016 erhielt sie den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Emcke selbst hat eine Autobiographie verfasst, in der sie über die Entdeckung ihrer Homosexualität und die daraus resultierende Ausgrenzung schreibt.

In dem Buch „Gegen den Hass“ möchte Emcke dem Hass gegenüber anderen näherkommen und die Frage nach dem „Warum“ klären. Sie zeigt in ihrem Buch die verschiedenen Feindbilder auf, die mit der Zeit entwickelt wurden.


Die Liebe ist, laut Emcke, eine positive Überblendung. Sie kann negative Eigenschaften oder sogar negative Äußerlichkeiten aufwerten und sie positiv wirken lassen. Man befindet sich als Liebender oder Verliebter in einer anderen Welt. Um die eventuelle Enttäuschung einer solchen Überblendung zu umgehen, werden in anderen Ländern die Frauen für ihre Männer von den Eltern ausgesucht. Ein Vorteil von dieser Art und Weise ist, dass man nicht enttäuscht ist, wenn die geistige Umnachtung einmal nachlässt.

Die Hoffnung blendet oft Situationen im Leben aus, die wir nicht wahrhaben wollen. Doch die Hoffnung auf eine Verbesserung des Zustandes eines anderen verhindert den Blick auf die Wirklichkeit. Alles wird unsichtbar, was die eigene Erwartung als unrealistisch oder naiv entlarven könnte. Konflikte mit dem, der krank ist oder Hilfe braucht, werden vermieden, um der Hoffnung eine weitere Chance zu geben.

Die Sorge wird hier in Bezug auf die aktuelle politische Flüchtlingssituation genannt. Es geht nicht nur um die Sorgen der Bürger, sondern auch um die Sorgen, die die Flüchtlinge haben, die nach Deutschland kommen. Wie schützt man die Flüchtlinge vor Rassismus und Gewalt? Wie lässt sich die wachsende soziale Ungleichheit bewerten? Es ist keine Schande, dass diese Sorgen nach außen getragen werden, aber man muss damit umgehen können, wenn diese Sorgen betrachtet und in ihre Bestandteile zerteilt werden.
„Wen sie einnimmt, dem verdunkelt die Sorge den Blick und den lässt sie alles, was stabil und sicher ist, alles Glück und allen Wohlstand nicht mehr erkennen.“ (S. 40)
Hass und Missachtung wird im ersten Teil mit einer Ankunft eines Busses mit Flüchtlingen beschrieben. Es handelt sich also um gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Vor dem Bus versammelt sich eine Menschenmenge, die gegen diese Flüchtlinge wettern. Verwunderlich, laut Emcke, ist, dass diese Massen immer sagen, dass sie Angst und Sorge verspüren, doch wer Angst und Sorge hat, sucht nicht die Konfrontation und die Nähe mit dem Gegenüber, sondern die Entfernung.
„Der Hass bezieht sich zwar auf diese Geflüchteten, hat sie zum Objekt, aber sie selbst verursachen ihn nicht.“ (S. 59)
Die Menschen in dem Bus werden plötzlich unsichtbar und werden sichtbar zu etwas Monströses gemacht. Erwähnt wird außerdem, dass die Geflüchteten oft nicht mehr als Individuen gesehen werden, sondern als Kollektiv. Jede Straftat, die von einem Flüchtling ausgeht, wird auf alle Flüchtlinge projiziert.

Hass und Missachtung bezieht sich im zweiten Teil auf den institutionellen Rassismus. Es handelt sich um eine Situation in Staten Island, in der ein schwarzer Mann von der Polizei festgenommen wird, obwohl er keine Straftat begangen hat. Nur der schwarze Körper des Mannes wird hier als Bedrohung für die Polizisten gesehen. Der Tatverdächtige wird wie ein Schwerverbrecher behandelt, wird zu Boden gedrückt und sogar erwürgt. Bestraft wird der Polizist nicht, denn in der Vergangenheit war es normal, dass Schwarze misshandelt, erniedrigt oder missachtet wurden. Die Schwarzen werden nicht als Individuen angesehen, sondern als eine große Gruppe.
„Die Wahrnehmung, das sichtbare Feld, ist nicht neutral, sondern es ist vorgeformt durch historische Raster, in denen auch nur bemerkt und registriert wird, was diesem Raster entspricht.“ (S. 88)
Im zweiten Kapitel wird zwischen homogen, ursprünglich und rein unterschieden. Der Begriff homogen aus der Politik wird hier biopolitisch erläutert. Man vergleicht die Homogenität mit einem Körper. Ein Körper ist als ein Ganzes zu betrachten, nur Krankheiten oder Infektionen können ihn aus dem Gleichgewicht bringen. Die Krankheiten oder Infektionen sind in der Politik die kulturelle und religiöse Vielfalt. Emcke fragt in dem Kapitel, warum Homogenität besser sein sollte als Heterogenität. Antworten darauf geben die Parteien, die eine homogene Gesellschaft fordern, nicht.
„Es unterstellt lediglich den vermeintlich `Anderen´ die eigene Missachtung für Vielfalt und Hybridität.“ (S. 127)
Unter ursprünglich versteht Emcke die „Unnatürlichkeit“ der Geschlechter. Sobald jemand lesbisch oder schwul ist, wird er als unnatürlich bezeichnet. Ebenfalls erwähnt sie die Frage nach der „echten Familie“. Sie stellt sich in diesem Kapitel die Frage, woran Menschen glauben, wenn sie von „Natürlichkeit“ oder „Ursprünglichkeit“ sprechen.

Bei der Bezeichnung „rein“ handelt es sich um die Menschen, die andere Menschen aussondern oder bestrafen, weil sie unrein sind. Verdeutlicht wird dies durch die zahlreichen Anschläge des IS aus den letzten Monaten beziehungsweise Jahren. Es wird die Frage gestellt, warum Menschen dazu gebracht werden, andere Menschen zu töten, und mit welchem Raster des Hasses sie dieses rechtfertigen. Dieser Hass ergibt sich nicht einfach aus dem Islam, dieser Hass muss erst gemacht werden.

Beim Lesen des Klappentextes des Buches „Gegen den Hass“ habe ich ein Buch über den Hass der Menschen gegen Minderheiten erwartet. In den ersten Kapiteln erwartet den Leser etwas anderes. Nämlich eine ganz andere Seite von der Liebe, der Hoffnung und der Sorge. Eine Sicht auf diese Dinge, wie man sie sonst nicht sieht. Eine Sicht, die zwischen unsichtbar und sichtbar unterscheidet. Wie ich finde, ist dies eine neue und sehr interessante Sicht. Vielleicht auch eine Sicht, aus der man lernen kann.

Im vierten Kapitel geht Emcke mehr und mehr auf die aktuelle politische Flüchtlingssituation ein. Sie gewährt wieder einen anderen Blick auf die Situation. Außerdem ist zu erwähnen, dass sie in ihrem Buch nicht durchgängig die Flüchtlinge in Schutz nimmt, sondern auch zeigt, dass es die schlechten Seiten gibt.

In ihre Argumentation bezieht Emcke die aktuelle politische Situation und die Themen aus der Bevölkerung mit ein. Dadurch wird das Lesen des Buches vereinfacht und die Argumentationen werden deutlicher.
„Hass und Gewalt nicht allein zu verurteilen, sondern in ihrer Funktionsweise zu betrachten, heißt immer auch zu zeigen, wo etwas anderes möglich gewesen wäre, wo jemand sich hätte anders entscheiden können, wo jemand hätte einschreiten, wo jemand hätte aussteigen können.“ (S. 170)

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