Dienstag, 5. Dezember 2017

Rezension zu Arlie Russell Hochschild: Strangers in their own land

Hochschild, Arlie Russell (2016), Strangers in their own land. Anger and mourning on the American right, New Press.

Rezension

Autorin: Sabrina Gehrung

Arlie Russell Hochschild, am 15. Januar 1940 in Boston, Massachusetts geboren, ist von Beruf Professorin für Soziologie an der University of California (UC) in Berkeley sowie Autorin. Sie studierte International Relations und wurde nach ihrem Master in Soziologie an der UC in diesem Teilgebiet promoviert.

Dieses Werk führt Hochschild auf eine fünf Jahre lange Reise ins „Herz der amerikanischen Rechten“. In Louisiana versucht sie die individuellen Tiefengeschichten, wie sie die Erlebnisse ihrer Gesprächspartner bezeichnet, zu verstehen, um die „Empathiemauer“ zwischen ihrer politischen Überzeugung und der der Republikaner zu durchbrechen. Sie erhofft sich, das Geheimnis der zunehmend rechten Bewegungen, vor allem in den Südstaaten, zu lüften. Die Soziologin stößt auf viele Paradoxe, welchen sie näher auf den Grund geht. Hochschild erlebt eine bewegende Geschichte durch die immer größer werdende Kluft der amerikanischen, zweigeteilten Gesellschaft.


Das Schlüssellochthema des Werkes ist die Umweltverschmutzung. Hierbei sind erste paradoxe Sichtweisen zu erkennen. Die Bewohner Louisianas werden vor die Wahl gestellt. Sie müssen sich zwischen dem Umweltschutz ihrer „geliebten, belebten, längst vergangenen Welt“ und der Möglichkeit, einen guten Arbeitsplatz zu erhalten, entscheiden. Warum entscheidet sich die Mehrheit des Ölförderlandes gegen den Umweltschutz? Diese Thematik ist sehr komplex und benötigt ein tieferes Verständnis verschiedener Vorkommnisse in Amerika.

Um den zunehmenden Rechtsruck zu verstehen, muss man in der amerikanischen Geschichte bis ins 19. Jahrhundert und den Bürgerkrieg zurückblicken. 1960 trat die Bürgerrechtsbewegung auf. Schwarzen, Frauen und Homosexuellen wurde ein neuer Stellenwert in der amerikanischen Gesellschaft zugesprochen.

Durch die Ölexploration kam es zu einem industriellen Fortschritt Louisianas. Unterirdische Pipelines wurden verlegt, um Bohrfirmen die Erdölgewinnung zu ermöglichen. Trotz wirtschaftlichem Wachstum hat die Industrie viele Nachteile mit sich gebracht. Das größte Problem sind die Umweltkatastrophen. 1994 kam es zum größten chemischen Leckage der US-Geschichte.

Ethyldichlorid (EDC) drang aus den Pipelines. Man entdeckte, dass EDC durch die Tonschicht gedrungen ist, und es drohte die Gefahr, dass es sich bis zur Interstate 10 ausbreitet. Dies ist nicht die einzige industrielle Umweltkatastrophe. 2008 kam es zur Wirtschaftskrise durch Wall Street Investoren, was zum Verlust von Arbeitsplätzen führte.

2010 explodierte im Golf von Mexiko die Ölplattform Deepwater Horizon, wodurch es zu erheblichen Erdölemissionen kam. Die Gesundheit von Menschen und Tieren stand auf dem Spiel. Eine zunehmende Krebsrate war nur ein Teil der gravierenden Folgen. 2012 entstand ein Einsturzkrater als Folge von zu nahen Bohrungen an unterirdischen Kavernen, welche die Firma Texas Brine veranlasste. Der austretende Gasschlamm gelangte in das Grundwasser.

Nach diesen Vorkommnissen müsste man, so Hochschild, eigentlich zu dem Schluss kommen, dass die Industrie für die Naturliebhaber Louisianas nur negative Auswirkungen hat. Trotzdem unterstützen die Gesprächspartner Wall Street und freie Marktwirtschaft. Grund dafür ist die Möglichkeit, in der „Schlange“ auf dem Weg zum amerikanischen Traum weiter vorzudringen.

Die Ablehnung gegenüber dem Staat liegt den verschiedenen Tiefengeschichten zugrunde. Laut den Republikanern nimmt er ihnen das Geld und verteilt es an die „ falschen Leute“. Sozialhilfeempfänger, Beamte, Frauen, Schwarze, Homosexuelle, Einwanderer, Flüchtlinge und zuletzt sogar der Braunpelikan, als Symbol für den Umweltschutz, haben das Recht, sich in der „Schlange“ nach oben vorzudrängeln.

Zu ihrer Empörung hilft ihr (damaliger) Präsident, Barack Obama, den „Minderheiten“, an ihnen vorbeizuziehen. Es kommt die Frage auf, wie Obama, welcher nicht aus reichem Haus stammt, überhaupt in die Position gekommen ist. Spekulationen zu Folge muss ihm der Staat finanziell geholfen haben, um seinen amerikanischen Traum zu verwirklichen.

Die Republikaner verspüren den Verlust an Ehre und Anerkennung und fühlen sich „fremd in ihrem Land“, auf welches sie stolz sein wollen. Viele fleißige Gesprächspartner, die überwiegend weiß, höheren Alters, verheiratete Christen mit mittlerem bis niedrigem Einkomme sind, fühlen sich dazu gedrängt, Mitgefühl für die bereits „bevorzugten“ Gruppierungen aufbringen zu müssen. Einwanderungsströme lassen Ängste aufkommen. Möglicherweise befinden sich unter den Einwanderern Terroristen.

Ein weiteres Problem sehen die Republikaner in der Bedrohung der Kirche, welche ihnen Halt, Sicherheit und das Gemeinschaftsgefühl gibt, welches ihnen der Staat nicht geben kann.

Donald Trump kann dort ansetzen, wo der Staat „versagt“. Seine rhetorische Vorgehensweise hilft ihm dabei, die Unzufriedenen zu erreichen. Er lässt ein Wir-Gefühl aufkommen, ist Symbol der „Identitätspolitik weißer Männer“ und kann die Menschen auf der Gefühlsebene treffen. Verständnis und ein Gemeinschaftsgefühl verführt zahlreiche Amerikaner dazu, seinem Wahlprogramm zuzustimmen.

Kurz zusammengefasst: Republikaner stehen für die Nation, die Kirche und sind gegen staatliche Regulierungen, welche sie mit dem Feststecken in Beton vergleichen. Schlussendlich muss man sich zwischen der sauberen Umwelt und den Arbeitsplätzen in der Industriebranche entscheiden.

Hochschild fokussiert in ihrem Werk die Umweltverschmutzung. Sie mahnt alle Leser abseits von Tiefengeschichten und Politik, auf diesen wesentlichen Aspekt Rücksicht zu nehmen. Außerdem ruft sie alle Leser auf, aufeinander zuzugehen, um die Hintergründe politischer Meinungen besser zu verstehen. Sie meint: „Unsere Polarisierung und die Tatsache, dass wir uns zunehmend schlicht nicht kennen, macht es allzu einfach, uns mit Abneigung und Verachtung zufriedenzugeben.“

Das Werk bietet einen Aufschluss über den zunehmenden Rechtsruck. Man erfährt Tiefengeschichten von Südstaatlern und versteht die zunehmende Anzahl an Trump-Anhängern. Jeder, der Amerikas Politik verstehen möchte, muss dieses Buch lesen. Es ist nicht nur informativ, sondern interessant, empathisch und aufschlussreich.

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