Samstag, 18. November 2017

Rückblick auf den Vortrag von Thomas Greven zum Rechtspopulismus in den USA

Bericht zum Vortrag von Dr. Thomas Greven, John F. Kennedy Institute FU Berlin, am 14.11.2017 im DAZ (Deutsch-Amerikanisches Zentrum) in Stuttgart.

Thema des Vortrags:
Rechtspopulismus und autoritärer Nationalismus in Europa und den USA

Populismus – Versuch einer Definition
  • „Wir gegen Sie“ – aggressive Frontstellung Volk gegen „korrupte“ Elite.
  • Anti-Pluralismus – Die Behauptung wird aufgestellt: Homogenität des Volkes.
  • Angst und Wut – Genutzt werden Verunsicherung, Provokation und Tabubrüche.
  • Bestimmte Elemente, die oben genannt wurden, findet man im täglichen politischen Geschäft wieder, die Populisten treiben dies jedoch auf die Spitze.
Linkspopulismus vs. Rechtspopulismus

Der Linkspopulismus richtet sich nach Fragen der sozialen Ungleichheit zwischen dem Volk und den Eliten. Als Beispiel nennt Dr. Greven die 99%-Politik von Bernie Sanders, unter welchem er in den 1990er Jahren in dessen Büro gearbeitet hatte. Die 99% stellen das Volk dar, das eine Prozent die Elite. Den 99% wird von Sanders eine Homogenität unterstellt, was natürlich nicht der Realität entspricht, doch um die Massen zu mobilisieren, greift Sanders auf populistische Rhetorik zurück und spricht somit für das gesamte Volk (bis auf die Eliten).

Das zentrale Element der Rechtspopulisten ist die Abgrenzung bzw. der Ausschluss von „Anderen“. Dabei handelt es sich um eine horizontale Frontstellung. Dieser Ausschluss wird bei Rechtspopulisten schnell rassistisch oder völkisch. Ist das der Fall, spricht man von Extremismus.
Laut Greven sind die Populisten leider oft erst als Populisten zu enttarnen, wenn sie bereits im Amt sind und es zu spät ist.


Moderner Rechtspopulismus

„Paranoid style in American politics“: Dabei handelt es sich um Verschwörungstheorien (sowohl links als auch rechts) und um die Dämonisierung des politischen Gegners, was seit jeher ein beliebtes Element in der amerikanischen Politik ist. Als Konsequenz daraus folgt die Unmöglichkeit einer Kompromissfindung, da man mit dem Teufel (dem politischen Gegner) nicht verhandelt. Heute: Auch die großen Parteien in Amerika fallen in dieses Muster des „paranoid style in American politics“. Das Misstrauen gegen Eliten, Medien und Experten ist ein zentrales Element von modernem Rechtspopulismus.

Revolte gegen Globalisierung und Moderne

Dr. Greven erkennt als gemeinsamen Nenner, welcher den Aufstieg von Populisten maßgeblich befeuerte, den Unmut der Menschen. Dieser resultiert aus zwei Faktoren:
Erstens: Viele fühlen sich als Verlierer der Globalisierung oder werden als solche bezeichnet. Des Weiteren sehen sie die Gesellschaft als ungerechter an und sehen sich verschärfter Konkurrenz ausgesetzt, auch und vor allem durch Immigration.
Zweitens: Der rapide angezogene kulturelle Wandel löst enormen Widerstand in gewissen Teilen der Bevölkerung aus. Hierzu zählen beispielsweise der Feminismus, die gesellschaftliche Vielfalt (Homo-Ehe, Transgender), wobei der diesen Gruppen entgegengebrachte Respekt manchen irritiert, sowie das Phänomen der „political correctness“.
Greven: „Mich persönlich kann man ja mit der political correctness jagen. Bei manchen von mir verfassten Artikeln, die in Zeitschriften veröffentlicht werden, muss ich die Texte bezüglich des Genderings überarbeiten, mache dies jedoch nur bei positiv oder neutral assoziierten Wörtern. Terroristinnen schreibe ich nicht und raten sie mal, das ist noch nie aufgefallen!“
Der Auslöser ist die pessimistische Grundhaltung dieser Personen. Diese wird von einer Politik der Angst und Wut verschärft und auf Minderheiten gerichtet. Immigranten verkörpern die ökonomische und kulturelle Konkurrenz.

Eine kurze Geschichte der Globalisierung

Die ökonomische Theorie besagt, dass die Globalisierung zu Wohlstand, Demokratie und Frieden führt. Die Gewinne durch die Globalisierung sind so groß, um damit die „Verlierer“ der Globalisierung ausreichend kompensieren zu können, was jedoch nicht geschieht. Dadurch ist eine Gerechtigkeitslücke entstanden. Durch grenzüberschreitende Dienstleistungen, die Automatisierung und die neoliberale Politik geraten die Arbeitsplätze von einfach ausgebildeten Menschen in Gefahr, was wiederum Ängste und Wut hervorruft.

Die amerikanische Erfahrung: Populismus im 19. Jahrhundert

Greven erläutert die progressive Kraft: Präsident Andrew Jackson (im Amt von 1829-1837) kritisierte das Wahlrecht, welches es lediglich weißen Männern erlaubte zu wählen. Jackson wurde von der Bevölkerung erhört und konnte das erweiterte Wahlrecht umsetzen. Er konnte somit eine Repräsentationslücke schließen. Eine zweite progressive Entwicklung im 19. Jahrhundert ging von der People´s Party aus, von der Bevölkerung auch „Populist Party“ genannt. Diese trat für die Interessen von Bauern und Arbeitern ein.

Populismus im 20. Jahrhundert
Father Charles Coughlin und Senator Joseph McCarthy: Bekannt für ihren Antisemitismus. Patrick Buchanan und Ross Perot: Erste Revolte gegen die Globalisierung (außerhalb der demokratischen Partei).

Populismus und Donald Trump
Trump äußerte bereits in den 1980er Jahren den Wunsch und seine Absicht, einmal Präsident der Vereinigten Statten von Amerika zu werden. Er wurde schon früh zum Star. Auf einmal macht Trump Ernst. Er steht ständig im Fokus der Öffentlichkeit und will sein Vorhaben nun in die Tat umsetzen.

Trump und die „Grand Old Party“ (Republikaner)
Trump musste sich gegen das Establishment der Partei durchsetzen, um Präsidentschaftskandidat zu werden. Sein Wahlkampf zeichnete sich dadurch aus, dass er die gleichen, altbewährten Wahlkampfstrategien der Republikanischen Partei umsetzte, nur mit deutlich mehr Schärfe. Im Folgenden werden diese Strategien kurz vorgestellt:
  • Nativismus: Die GOP ist traditionell die immigrantenfeindliche Partei, Trump führt dies fort.
  • Islamophobie: Die GOP zeichnete lange eine antikatholische Haltung aus. Trump münzt das auf den Islam um.
  • Rassismus: Die GOP hat seit den 1960er Jahren eine Politik unterschwelliger rassistischer Botschaften perfektioniert. Ein Beispiel: Wenn von Kriminalität oder Drogen die Rede ist, ist allen Adressaten der Republikaner klar, dass damit die schwarze Bevölkerung gemeint ist. Die Symbolik ist klar. Der Meister dieser Rhetorik war Ronald Reagan.
  • Anti-Establishment: Seit den 1990er Jahren geht die GOP aggressiv gegen die Regierung sowie die Mainstream-Medien vor. Trump setzt das konsequent fort, zumindest was die Medien angeht.

Populismus und die 2016er Wahl
Die entscheidenden Kriterien für den Wahlerfolg Trumps sind laut Greven:
  • Die Stammwähler: Ohne die Stammwähler der GOP wäre es für Trump unmöglich gewesen, Präsident zu werden. 
  • Das Wahlsystem: Trump hatte weniger Stimmen als Clinton, gewann die Wahl jedoch aufgrund des amerikanischen Wahlsystems. Interessant ist jedoch: Nimmt man die progressiven Küstenstaaten New York sowie Kalifornien aus der Berechnung raus und schaut sich den Kern der Vereinigten Staaten an, gewinnt Trump und hat die meisten Stimmen. 
  • Das Zweiparteiensystem. 
  • Der populistische Faktor: Greven kommt an diesem Punkt seines Vortrages auf seine oben erläuterte Globalisierungsthese zurück. Für die „white working class“ in der geografischen Mitte der USA ist der amerikanische Traum verloren gegangen, er wurde zerstört. Es findet eine Revolte gegen die Globalisierung und kulturelle Modernisierung statt. Die Angst vor dem Verlust des eigenen Status, dem Verlust der Industriearbeitsplätze, vor den Migranten und vor einer ungewissen Zukunft für die nächste Generation führten dazu, Donald Trump und seinen populistischen Parolen Gehör zu schenken und ihm die Stimme zu geben.
  • Die Hoffnung der Trump-Wähler besteht in der versprochenen Deregulierung anstatt der Ansicht „Never Trump“.
  • Hillary Clinton wurde bei vielen Amerikanern als das „größere Übel“ angesehen.
  • Der wirtschaftliche Faktor: Trump hatte uneingeschränkte, kostenlose und unendliche Medienpräsens.

Die Trump-Präsidentschaft: Populistische oder klassische Republikanische Politik?
  • Trumps Konstanten: Er ist ein dünnhäutiger Narzisst. Er ist unberechenbar. Er ist hyperaktiv. Und er ist Anti-Obama.
  • Grevens These: Donald Trump ist ein Möchtegern-Autokrat. Ein echter Autokrat kann er aufgrund der checks & balances nicht sein.
  • „America First“: Bisher hat Trump nichts von seinen großspurigen Ankündigungen umgesetzt (abgesehen davon, dass er TTIP verhindert hat).
  • Handelt es sich bei seiner Politik um ökonomischen Nationalismus oder um verdeckten Globalismus? Die republikanische Politik ist pro Globalisierung eingestellt.
  • Grevens These: Trump geht es um Markenschutz, zum Beispiel der „Marke Trump“.
  • Trumps Politik: Prinzip Hoffnung. Die Deregulierung läuft und die versprochenen Steuersenkungen sind noch im Spiel.

Europa: Schlaglichter einer Politik der Wut und Angst
  • Verflogene Euphorie: Kein Trump-Effekt. 
  • Rechtspopulisten und die Arbeiterklasse: das Versprechen von sozialer und kultureller Sicherheit. 
  • Rechtspopulisten und die Mittelklasse: Abstiegsängste. 
  • Wunschwirklichkeiten, Verschwörungstheorien und Islamophobie: „Le Grand Replacement“. 
  • Rechtspopulisten in der Regierung: Autoritärer, illiberaler Nationalismus in Polen und Ungarn. 
  • Sonderfall AfD? Neoliberaler Rechtspopulismus.
Greven: Eine Gerechtigkeits- sowie Repräsentationslücke ist offensichtlich.
Griechenland wurde jahrelang mit der Flüchtlingskrise alleingelassen.
Die Globalisierungskonkurrenz geht weiter: Europa steht unter Druck.
Abspaltung Katalonien: Grund sind ökonomische Motive, die Identitätsthese wird lediglich vorgeschoben. Hierbei handelt es sich um klassischen Populismus.
Grevens Befürchtung: Die Links- und Rechtspopulisten werden sich über die Notwendigkeit von direktdemokratischen Elementen einig sein, worin eine große Gefahr besteht. Die wenigsten Fragen lassen sich auf ein Ja oder Nein, auf ein weiß oder schwarz runterbrechen. Das Beste wird auch in Zukunft sein, Kompromisse zu schließen.

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