Montag, 16. Oktober 2017

Die Identitäre Bewegung – Rechtsextremisten im populistischen Schafspelz?

Das Ergebnis der Bundestagswahl vom 24. September 2017 ist ein historisches. Mit 12,6 Prozent der Stimmen zieht erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eine rechtspopulistische Partei in das Parlament ein und ist mit diesem Ergebnis die drittstärkste Partei nach SPD und CDU. Von besonderer Brisanz ist dabei, dass die Partei auch extrem rechte Lager vertritt. Dies entfacht sowohl im wissenschaftlichen Diskurs als auch auf gesellschaftlicher und politischer Ebene eine neue Debatte um den Rechtsextremismus. Dabei ist nicht nur die parlamentarische Bedeutung der AfD zu beachten, sondern auch die Auswirkungen, die das Wahlergebnis auf rechtsextreme außerparlamentarische Strömungen wie die auf Jugendliche ausgerichtete Identitäre Bewegung haben könnte. Diese bezeichnet sich selbst nicht als rechtsextrem, sondern mobilisiert ein Gefühl der Angst vor Überfremdung und vertritt unter einem besorgten, patriotischen Deckmantel rechtsextremes Gedankengut.

Während die Alternative für Deutschland (AfD) dem rechtspopulistischen Spektrum zugeordnet wird, gilt die Identitäre Bewegung als Vertreterin der Neuen Rechten. Ob die Identitäre Bewegung tatsächlich in diesem Bereich anzusiedeln ist und welche Gefahr möglicherweise von ihr ausgeht, soll im Folgenden aufgezeigt werden.

Im Gegensatz zur AfD richtet sich die Identitäre Bewegung über die neuen Sozialen Medien wie Facebook, Twitter und YouTube vorwiegend an die jugendliche Bevölkerung. Dabei bedient sie sich auch "linken" Strategien, welche sonst typisch für Organisationen wie Greenpeace oder die Antifa sind. Aktionen sind zentrales Merkmal der Identitären, mit welchen sie für stark konservative Werte kämpfen wollen und Europa vor der, von ihnen empfundenen drohenden Übervölkerung und Islamisierung durch Migration schützen möchten.

Die Kampagne "Defend Europe" macht dabei deutlich, wie viel Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit tatsächlich von ihnen ausgeht. Bevor aber konkret auf die Identitäre Bewegung eingegangen werden kann, ist ein kurzer Definitionsversuch der Neuen Rechten hilfreich. 

Definition: Neue Rechte

Die Neue Rechte ist im erweiterten Sinne der Versuch einer intellektuellen Ausprägung von Rechtspopulismus und Rechtsextremismus. Anzumerken ist, dass sich die Neue Rechten selbst nicht innerhalb des rechtsextremistischen Spielfeldes, sondern als Vertreter des konservativen Spektrums sieht.
„Dieser Aspekt lässt viele Autoren von der ‚Neuen Rechten’ als einer ‚Grauzone’ oder einem ‚Scharnier’ zwischen Rechtsextremismus und Konservatismus, von einem ‚relativ eigenständigen Zwischenbereich im rechten Lager’ sprechen.“ (Zit. Bailer, 2004, S.165)
Samuel Salzborn sieht die Entwicklung der Neuen Rechten seit der Jahrtausendwende auf zwei Ebenen. Die erste Ebene bildet im Kontext des Intellektualismus die Schaffung von Institutionen wie dem Institut für Staatspolitik (IfS) oder der Bibliothek des Konservatismus und die Gründung verschiedener Zeitungsprojekte (Vgl. Salzborn, 2015, S.71). Durch die Verwendung von Begriffen wie Institut oder Bibliothek wird dabei ein wissenschaftliches, universitäres Niveau suggeriert, welches Salzborn als Strategie der Mimikry beschreibt:
„...also durch äußerliche (terminologische) Anpassung an die jeweilige (politische, mediale) Umgebung – die eigenen Ziele zu verschleiern und so in den gesellschaftlichen Mainstream hineinzuwirken, diesen nicht in Detailfragen zu verändern, sondern im Sinne einer Metapolitik grundlegende Denkrichtungen einer Gesellschaft zu prägen und zu bestimmen, um so den Bereich der (politischen) Kultur zu besetzen, der dann [...] zu einer politischen Neuordnung im Sinne der „Neuen Rechten“ führen soll.“ (Zit. Salzborn, 2015, S.67)
Die zweite Ebene bildet die Entstehung von sozialen Bewegungen von rechts, die sich unter anderem in Form der Identitären Bewegung zeigt (Vgl. Ebd.).
Durch diese Aufteilung entsteht eine „organisatorische Zersplitterung der Neuen Rechten in eine schwer überschaubare Vielzahl von Zeitschriften und kulturellen Projekten sowie Gruppen und einzelnen Personen [und] bietet bei dieser metapolitischen Option durchaus strategische Vorteile.“ (Zit. Weber, 1997, S.89)
Durch die weite Zerstreuung in verschiedene Handlungs- und Aktionsformen der Neuen Rechten sind sie untereinander gut vernetzt und unterstützen sich gegenseitig.

Was ist die „Identitäre Bewegung“?

Die Identitäre Bewegung Deutschland (IBD) gründete sich im Oktober 2012 nach dem französischen Vorbild der Génération Identitaire auf Facebook und sieht sich selbst als aktionistischer Arm der Neuen Rechten (Vgl. Salzborn, 2015, S.74).

Sie zeichnet sich insbesondere durch vier Hauptmerkmale aus: Jugendlichkeit, Aktionismus, Popkultur und Corporate Identity (Vgl. Bruns, Glösel & Strobl, 2016, S.68). Tatsächlich liegt der Altersdurchschnitt der Aktionisten zwischen 20 und 30 Jahren und rekrutiert sich aus Schülern, Auszubildenden und Studenten.

Der aktionistische Charakter orientiert sich dabei an linken Aktionsformen, wie beispielsweise der Besetzung von Gebäuden, oder äußert sich in Flashmobs. Zudem wird versucht, durch Beflaggung, Aufkleber und Graffitis das Lambda-Symbol der Bewegung in der Öffentlichkeit zu manifestieren (Vgl. Ebd., S.68f). Der popkulturelle Aspekt wird dabei vor allem in den Sozialen Medien deutlich.
„In ihrer Bildkommunikation bringen sie populärkulturelle Elemente wie Memes, Zeichentrick- und Filmfiguren, aber auch historische Persönlichkeiten unter [...], die allesamt grafisch und textuell so angepasst wurden, dass sie den antimuslimisch-rassistischen Botschaften und einer Propaganda gegen Flüchtlinge entsprechen.“ (Zit. Ebd., S.69)
Corporate Identity ist innerhalb der Identitären Bewegung eines der wichtigsten Merkmale. Das Lambda-Symbol, das eigentlich der elfte Buchstabe des griechischen Alphabets ist, wurde bereits von den Spartanern als Kampfsymbol genutzt (Vgl. Sieber, 2016, S.371). Roland Sieber erklärt den historischen Zusammenhang:
„Die Schlacht an den Thermopylen 480 v. Chr. und das Aushalten von 300 Spartanern gegen eine vielfache Überzahl an persischen Kämpfern wird in rechten Kreisen gerne zum (west-) europäischen Gründungsmythos stilisiert.“ (Zit. Ebd.)
Im Jahr 2007 ist diese Schlacht von Frank Miller in einer Graphic-Novel Verfilmung wiederaufbereitet worden und wurde damit zum Bezugspunkt der Identitären (Vgl. Bruns, Glösel & Strobl, 2016, S.70). Dabei wird das Ereignis metaphorisch für ihren europäischen Kampf gegen Einwanderung verwendet.

Das Symbol der Identitären wird leuchtgelb auf schwarzem Hintergrund dargestellt, findet aber auch in Variationen in umgekehrter Farbgebung Verwendung. Die Vorteile des Symbols bestehen zum einen darin, dass nach außen eine wirkungsvolle Einheit repräsentiert und innerhalb der Bewegung ein identitätsstiftender, gruppendynamischer Effekt erzeugt wird (Vgl. Ebd.).

Der über die Homepage und Facebook-Seite der Identitären Bewegung betriebene Onlineshop IB-Laden vermarktet das Lambda-Symbol im Stil einer Rock- oder Popband. Es werden Flugblätter, Aufkleber, Taschen und eine beachtliche Auswahl an T-Shirts angeboten, die neben dem Symbol Schriftzüge wie heimatverliebt, Heimat, Freiheit, Tradition tragen oder die Befreiung Europas fordern (Vgl. Identitäre Bewegung, ibladen.de, 2017). In den beschriebenen Merkmalen der Identitären Bewegung sehen Bruns, Glösel und Strobl die tatsächliche Gefahr und warnen:
„Diese vier Merkmale machen die Identitären zu einem neuen, sehr niederschwelligen Angebot für den Einstieg in die rechtsextreme Szene.“ (Zit. Bruns, Glösel & Strobl, 2016, S.70)
Ein weiteres Merkmal ist die gesamteuropäische Vernetzung der Identitären Bewegung. Ableger gibt es unter anderem in Deutschland, Österreich, Frankreich, Tschechien, der Schweiz, Italien, Dänemark, Norwegen und Schweden. Europaweit stellen sie dabei den jugendlichen, aktionistischen Flügel der Neuen Rechten dar und stehen dabei, je nach Staat, mehr oder weniger eng in Kontakt mit rechtsextremen Parteien oder Organisationen (Vgl. Ebd., S.265).

In dem Vernetzungscharakter wird eines der zentralen Elemente der Identitären Bewegung deutlich:  der Ethnopluralismus nach neurechtem Vorbild. Auf der Homepage der Identitären Bewegung fordern sie im ersten von insgesamt sechs Punkten (wobei der dritte Punkt denselben Wortlaut unter einer anderen Überschrift „Eine offene Debatte über Identität“ enthält) den Erhalt der ethnokulturellen Identität und führen die Forderung folgendermaßen aus:
„Bewusstsein für die eigene ethnokulturelle Identität – Wir wollen endlich eine offene Debatte über die Identitätsfrage im 21. Jahrhundert. Das etablierte Meinungsspektrum verengt diese Frage lediglich auf die Utopie einer einheitlichen One-World-Ideologie. Wir hingegen fordern eine Welt der Vielfalt, Völker und Kulturen. Die Bewahrung unserer ethnokulturellen Identität muss als Grundkonsens und als Grundrecht in der Gesellschaft verankert werden.“ (Zit. Identitäre Bewegung, 2017, „Politische Forderungen“)
Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass eine klare Definition von Identität von der Bewegung selbst nicht angeboten wird. Auch Bruns, Glösel und Stobl stellen fest, dass "identitär" namensgebend ist und der Begriff an jeder nur möglichen Stelle Verwendung findet und schlussfolgern, der Programmatik und den geäußerten Forderungen der Bewegung entnehmend: „dass es sich um eine weiße, nicht-migrantische und vor allem nicht-muslimische, eher christliche Identität handelt“ (Zit. Bruns, Glösel & Strobl, 2016, S.251). Was steckt aber hinter der Forderung nach Ethnopluralismus?

Tatsächlich verbirgt sich hinter der harmlos wirkenden Forderung eine alternative Rassentheorie. Klaus Dörre definiert den Ethnopluralismus als „Rassismus ohne Rassen“ (Zit. Dörre, 2016, S.265) und erklärt, dass im wesentlichen nur der Rassen- durch einen Kulturbegriff ersetzt werde und dabei paradoxerweise Vielfalt betone (Vgl. Ebd.). Salzborn versteht den Ethnopluralismus als eine
„Ungleichheit der Menschen [...], die nach wie vor ethnisch, aber nicht mehr explizit rassistisch zu begründen versucht wird und deren Antiuniversalismus nicht, wie in der NS-Ideologie, in der Vernichtungs-, sondern einer Segmentierungsvorstellung mündet, der konsequenten räumlichen Separierung und geopolitischen Trennung von Menschen nach ethnisch-kulturalistischen Kriterien.“ (Zit. Salzborn, 2015, S.67)
Bruns, Glösel und Strobl sehen im Ethnopluralismus eine Verfassungsfeindlichkeit und stellen fest, dass sich dieser sowohl gegen multi-, inter-, oder transkulturelle und pluralistische Gesellschaften stelle (Vgl. Bruns, Glösel & Strobl, 2016, S.210). Die Begriffe Kultur und Nation bilden dabei die ethnisch homogene Einheit, die es zu schützen gelte, um Konflikte zu vermeiden.

Zudem geht der Ethnopluralismus davon aus, dass menschliche Fähigkeiten und Verhaltensweisen nicht sozial erlernt, sondern biologisch und damit unveränderbar angeboren seien (Vgl. Ebd.).
„Menschen werden in ihrer Zugehörigkeit zu ‚Völkern’ und ‚Kulturen’ definiert und nicht als Individuen wahrgenommen. Dementsprechend geht ein Diskurs um Ethnopluralismus mit einer Ablehnung der Menschenrechte einher.“ (Zit. Ebd.)

Die Identitäre Bewegung im Visier des Verfassungsschutzes

Tatsächlich steht die Identitäre Bewegung seit dem 12. August 2016 unter Beobachtung des Verfassungsschutzes.
„Wir sehen bei der ‚Identitären Bewegung’ Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung [...]. So werden Zuwanderer islamischen Glaubens oder aus dem Nahen Osten in extremistischer Weise diffamiert. Deshalb beobachten wir die Bewegung nun auch.“ (Zit. n. Bundesamt für Verfassungsschutz, 2016)
Der Verfassungsschutz erklärt weiter, dass sich in der Anti-Asyl-Propaganda im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise eine weitere Radikalisierung gezeigt hätte. Dabei reagiert das Bundesverfassungsschutzamt auf Landesämter verschiedener Bundesländer, die die Bewegung bereits länger beobachten (Vgl. Ebd.).

Die Identitäre Bewegung selbst reagierte darauf mit einer Kampagne, in der sie erklärte, die Maßnahme sei unverhältnismäßig und dass sie sich in ihrer Meinungsfreiheit eingeschränkt fühle (Vgl. Identitäre Bewegung, 2017, „Kampagne – Wir schützen die Verfassung“). Mithilfe eines eingerichteten Spendenkontos wird versucht, Gelder für Anwälte zu sammeln, um gegen die Beobachtung juristisch vorzugehen. Sie selbst sieht sich dabei, in populistischer Manier, in der Opferrolle:
„Wir wollen zeigen, dass wir in einem stickigen Meinungsklima die legitime Stimme der patriotischen Jugend sind und mit der offenen Kritik an der ungebremsten Masseneinwanderung die tatsächlichen Schützer der Demokratie und damit auch der verfassungsmäßigen Ordnung sind.“ (Zit. Ebd.)
Dass sie das nicht sind, äußert sich sowohl in der „Defend Europe“-Kampagne, die im Sommer 2017 verstärkt betrieben wurde, als auch im deutlich radikalisierten Aktionismus der Identitären Bewegung.

Während vorausgegangene Aktionen, wie beispielsweise die Besetzung des Brandenburger Tors in Berlin im August 2016, friedlich verliefen und in erster Linie zum Ziel hatten, Propaganda für die eigene Sache zu betreiben, die Verbreitung des Lambda-Symbols zu fördern und Medienaufmerksamkeit auf sich zu ziehen, hatte die zuletzt verfolgte Kampagne ein deutlich extremeres Ziel (Vgl. Identitäre Bewegung, 2016, „Identitäre Bewegung besetzt das Brandenburger Tor“).

Mission: Defend Europe

Unter dem Titel "Mission: Defend Europe" sammelt die Identitäre Bewegung Spenden mit dem Ziel, Schiffe zu mieten, um auf dem Mittelmeer Rettungsaktionen von Flüchtlingshelfern zu behindern. Dies würde für Asylsuchende, die zu ertrinken drohen, den Tod bedeuten (Vgl. Garzke, 2017). Sie selbst erklärt auf ihrer Homepage zu der Kampagne:
„Um Europa zu verteidigen, wollen wir gegen die Schlepperschiffe vermeintlich ‚humanitärer’ NGOs an der italienischen Küste vorgehen. [...] Mit dieser Kampagne will die Identitäre Bewegung auf den kriminellen Schlepperwahnsinn im Mittelmeer hinweisen. Denn seit Monaten schleppen durch Spenden finanzierte NGOs unter dem Deckmantel humanitärer Rettungsaktionen hunderttausende illegale Migranten nach Europa und schrecken auch nicht davor zurück dafür mit kriminellen Menschenhändlern zusammen zu arbeiten. Damit sind diese Organisationen auch für das Ertrinken tausender Afrikaner im Mittelmeer verantwortlich [...].“ (Zit. Identitäre Bewegung, 2017, „Mission: Defend Europe“)
Weiter wird erklärt, die Politik und Medien stünden dabei in einer stillen Beobachterrolle und würden ihren Pflichten nicht nachkommen. Dadurch sehe sich die Identitäre Bewegung in der Pflicht einzuschreiten und im Sinne der Gerechtigkeit „diesen Wahnsinn“ zu beenden und ihre Aktion mit Interventions- und Aufklärungsarbeit zu unterstützen. Auf Spenden seien sie dabei angewiesen, denn im Gegensatz zu den NGOs würden sie nicht von der Einwanderungslobby unterstützt (Vgl. Ebd.).

In dieser Erklärung werden durch das verwendete Vokabular nicht nur antielitäre Elemente nach rechtspopulistischem Vorbild deutlich, sondern auch ein verschwörungstheoretisches Weltbild.
Auf der eigens für die Kampagne eingerichteten Homepage „defend-europe.org“ wird das Ziel konkreter formuliert:
„Unser Ziel ist die größtmögliche Behinderung der NGOs auf See. [...] Mit einem hochseetauglichen Schiff wollen wir sie abfangen, ihr Treiben dokumentieren und sie auf hoher See konfrontieren. Wie Greenpeace gegenüber Walfängern, so werden wir uns den Schleppern in den Weg stellen und sie friedlich an der Einhaltung ihrer Routen hindern. [...] Wir werden auf keinen Fall jemanden daran hindern Menschen zu Retten die tatsächlich in Seenot sind, sondern, sobald ein SOS Signal gegeben wird, jede Aktivität abbrechen und selbst versuchen zu helfen. [sic! Orthographie und Satzzeichen im Original]“ (Zit. Defend Europe, 2017, „FAQ – Welche Aktionen plant ihr?“)
Paradox erscheint in diesem Zusammenhang insbesondere die Aussage, in - für die Insassen der Fluchtboote - lebensgefährlichen Situationen selbst helfend eingreifen zu wollen, denn durch die Behinderung der Hilfsorganisationen entsteht ein Zeitverlust im tatsächlichen Rettungsversuch, in dem wenige Sekunden über Leben und Tod entscheiden. Es muss also davon ausgegangen werden, dass diese Konsequenz stillschweigend in Kauf genommen wird oder sogar beabsichtigt sein könnte.

Ein Beleg für diese These lässt sich in der direkten Gegenüberstellung des ersten und letzten Satzes des Zitats finden. Die „größtmögliche Behinderung der NGOs“ und „Wir werden auf kein fall jemand daran hindern Menschen zu Retten [sic!]“ sind in höchstem Maße widersprüchlich und lassen sowohl an der tatsächlichen Zielsetzung als auch an der folgenden Aussage, sie würden Aktionen abbrechen, um selbst zu helfen, zweifeln. Zumal dieses Versprechen in letzter Konsequenz die Aktion selbst gänzlich von ihrem erklärten Sinn und Zweck befreien würde.

Im Zusammenhang mit der erklärten Zielsetzung wird der widersprüchliche Charakter der Identitären Bewegung deutlich und bringt damit eine Verschleierungstaktik an die Oberfläche, die schlussfolgern lässt, dass trotz versuchter Gegenargumentationen seitens der Bewegung der menschenverachtende Aspekt der Aktion nicht widerlegt werden kann.

Auch der Finanzdienstleister PayPal stellte den extremen Charakter der im Juli 2017 geplanten Aktion fest und reagierte mit einer Sperrung des Spendenkontos (Vgl. Garzke, 2017). Martin Sellner, der zur Organisationsspitze der Identitären gehört, stellte in einem YouTube-Video vom 14.06.2017 jedoch fest, dass durch diese Maßnahme die Kampagne zwar einen kleinen Rückschlag erlitten hätte, jedoch keineswegs gestoppt sei und gerade erst anfinge (Vgl. YouTube, Sellner & Defend Europe, 2017, 0:13-0:15).

„Wir haben jetzt auch ein hochseetaugliches Schiff von einem Reeder in Aussicht gestellt bekommen, das, wenn wir es bezahlen können, die Crew zusammen bekommen, noch im Juli in See bringen wollen. Und jetzt gab es natürlich einen kleinen Rückschlag, in dem unser PayPal-Konto eingefroren wurde, aber das beendet die Mission keineswegs.“ (Zit. Ebd., 0:45-1:04)
In Bezugnahme auf die Sperrung des Kontos durch PayPal erklärt er stolz:
„Als wir erfahren haben, dass es eingefroren wird, haben wir veranlasst, dass alle Gelder die noch auf dem Konto waren, an die Leute, an die Spender, zurücküberwiesen wurden. Es ist also kein einziger Euro verlorengegangen, sondern das Geld ist wieder in den Umlauf gekommen.“ (Zit. Ebd., 2:08-2:22)
Im weiteren Verlauf seiner Stellungnahme verweist er auf das neu eingerichtete Spendenkonto auf der Homepage von Defend Europe und bittet um eine erneute Spende. Dieser Aufruf zeigte Wirkung, denn im Juli gelang es der Identitären Bewegung tatsächlich, ein Schiff zu chartern und damit Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen und SOS Méditeranée auf dem Mittelmeer zu verfolgen (Vgl. Spiegel Online, 2017, „Rechtsextreme Aktivisten brechen Mittelmeereinsatz ab“).

Das angekündigte Vorhaben, Flüchtlingsboote in Seenot an die lybische Küste zurückzubringen, konnte jedoch nicht umgesetzt werden. Der knapp einwöchige Einsatz der Identitären musste abgebrochen werden, nachdem ihr Schiff aufgrund technischer Probleme manövrierunfähig wurde. Dieser Umstand dürfte den Aktivisten sehr unangenehm gewesen sein. Ein Rettungsangebot der Flüchtlingshilfsorganisation Sea-Eye wurde seitens der Identitären Bewegung abgelehnt und die Seenot mit technischen Problemen erklärt, die keine Hilfe von außen erforderten (Vgl. ZEIT.de, 2017, „Schiff der Identitären Bewegung treibt manövrierunfähig in Mittelmeer“). Dennoch bedeuteten die Umstände den Abbruch der Aktion. Trotz der prekären Situation feiern die Aktivisten die Kampagne als Erfolg:
„Defend Europe just ended its first mission! It was a success. […] A political success, a media success, and a success in activism. This mission could only exist thanks to the mobilization of the thousands of people who supported us financially. Defend Europe has received an enormous amount of media coverage. While almost all were hostile, and several were lying, these articles and TV reports brought our action to the minds of millions of people. It is this media impact which allowed our political success.” (Zit. Defend Europe, 2017, “Our Mission”)
Die Kampagne stellte im Sommer 2017 den Fokus der Identitären dar, auch unter dem Aspekt ihrer europäischen Vernetzung. Gleichzeitig agieren sie auf nationaler und regionaler Ebene in Form von Demonstrationen, Stammtischen, Lese- und Filmabenden, Magazin- und Online Publikationen oder der Organisation von Sommerlagern (Vgl. Bruns, Glösel & Strobl, 2016, S.266).

Dabei stellen Bruns, Glösel und Strobl auch eine Radikalisierung in Bezug auf die Gewaltbereitschaft innerhalb der Organisation fest. Erkennbar wird diese unter anderem in dem Angebot für kostenlose Selbstverteidigungskurse und Sommerlager, in denen "körperliche Ertüchtigung" eine zentrale Rolle spielt (Vgl. Ebd.).

Weiter weisen sie darauf hin, dass führende Personen wie Martin Sellner vor der Gründung der Identitären Bewegung in der Neonazi-Szene aktiv waren, und geben zu bedenken, dass sie dabei wahrscheinlich bereits „Kenntnisse in Bezug auf Nahkampf und eventuell auch Waffen mitbringen“ (Zit. Ebd.). Obwohl die Bewegung sich nach außen betont friedlich zeigt, kommt es immer wieder zu gewaltsamen Ausschreitungen. Ein Beispiel dafür ist eine Demonstration vom 6. Juni 2015 in Wien, bei der Gegendemonstranten der Antifa von Identitären zu Boden geschlagen wurden (Vgl. Ebd.).

Vernetzung mit Pegida und AfD

Dass die Identitäre Bewegung enge Kontakte zu anderen rechten Organisationen wie Pegida pflegt, kann anhand einer Demonstration vom 17. Juni 2017 in Berlin dargestellt werden. Die Bewegung hatte die Veranstaltung bereits Monate zuvor intensiv europaweit beworben und ihre Mitglieder und Sympathisanten dazu aufgefordert, anlässlich des Jahrestags des Aufstands in der DDR vom 17. Juni 1953 nach Berlin zu reisen, um unter dem Motto "Zukunft Europa - Bewegen und verändern" für „die Verteidigung des Eigenen und ein Europa der Völker und Kulturen zu demonstrieren“ (Zit. Identitäre Bewegung, 2017, „Zukunft für Europa – Identitäre Bewegung protestiert erfolgreich in Berlin“).

Die Demonstration wurde durch Gegendemonstranten behindert, sodass der geplante Demonstrationszug bereits nach 600 Metern gestoppt wurde. Allerdings stellt die Überschrift "Zukunft für Europa – Identitäre Bewegung protestiert erfolgreich in Berlin" unter der die Identitäre Bewegung selbst von der Demonstration berichtet, fest, dass dies keine Konsequenzen auf die geplanten Rednerbeiträge von Identitären aus ganz Europa, gehabt habe (Vgl. Ebd.).

Unterstützt wurde die Demonstration der Identitären von Pegida. Lutz Bachmann selbst, einer der Hauptinitiatoren Pegidas, war zu der Demonstration angereist und versprach den Identitären in seinem Bericht über die Veranstaltung, welcher auf der Pegida-Homepage veröffentlicht wurde, für die Zukunft weiterhin uneingeschränkte Unterstützung (Vgl. Pegida, 2017, „IB-Demo in Wedding – Ein grandioser Tag in Berlin“).

Das freundschaftliche Verhältnis der beiden Organisationen wird auch durch die Teilnahme von Identitären an den Montagskundgebungen der Pegida in Dresden deutlich, bei denen Identitäre wie Martin Sellner in regelmäßigen Abständen Rednerbeiträge stellen (Vgl. Bruns, Glösel & Strobl, 2016, S.92).

Dass die Identitäre Bewegung auch Verbindungen zur Alternative für Deutschland pflegt, wird zwar von offizieller Seite der Partei vehement verneint, jedoch gibt es Hinweise darauf, dass die Distanzierung nur eine strategische Reaktion auf die Unterbeobachtungstellung der IB durch den Verfassungsschutz ist, um das saubere Image der Partei aufrechtzuerhalten. So gilt seit Juni 2016 ein Unvereinbarkeitsbeschluss, in dem die AfD-Spitze erklärt:
„Der Bundesvorstand stellt fest, [...] dass es keine Zusammenarbeit der Partei Alternative für Deutschland und ihrer Gliederungen mit der sogenannten ‚Identitären Bewegung’ gibt.“ (Zit. n. Geisler, Polke-Majewski & Steffen, 2017)
Trotz des Beschlusses werden jedoch immer wieder Vorfälle bekannt, die darauf hinweisen, dass dieser nicht von allen Parteimitgliedern eingehalten wird. Ein Beispiel dafür findet sich in der am 19. Mai 2017 stattgefundenen Aktion der Identitären Bewegung, die einen Protest vor dem Berliner Bundesjustizministerium zum Ziel hatte. Die Aktion sollte sich insbesondere gegen Bundesjustizminister Heiko Maas richten. Jedoch scheiterte die Aktion, als ein Transporter der Identitären auf das Gebäude zusteuerte und dabei beinahe einen Zivilpolizisten überfuhr. Am Steuer soll dabei der Schatzmeister der Berliner AfD-Parteijugend, Jannik Brämer, gesessen haben (Vgl. Ebd.).

Brämer wurde deshalb aus der Parteijugend ausgeschlossen und wird sich einer Anklage wegen versuchter Körperverletzung zu stellen haben. Dennoch stellt der Jungpolitiker ein Beispiel für die Nichteinhaltung des Unvereinbarkeitsbeschlusses dar. Dass es sich dabei nicht um einen Einzelfall handelt, wird in einem Artikel des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) deutlich, in dem Agnes Taegener und Olaf Sundermeyer sich auf ein Bild von einer Gartenparty des Landesvorsitzenden der Jungen Alternative (JA) Thorsten Weiß beziehen, auf dem neben Vertretern der Partei auch Mitglieder der Identitären Bewegung zu sehen sind (Vgl. Taegener & Sundermeyer, 2017).

Anfang des Jahres betonte Weiß die Zusammenarbeit mit den Identitären noch ausdrücklich und legte dabei besonderen Wert auf den natürlichen Charakter der Zusammenarbeit zwischen AfD und Identitärer Bewegung (Vgl. Geisler, Polke-Majewski & Steffen, 2017). Auch der bayerische AfD-Landeschef Petr Bystron äußerte sich im März 2017 positiv zur Identitären Bewegung:
„Identitäre ist eine tolle Organisation, das ist eine Vorfeldorganisation von der AfD und die müssen wir unterstützen.“ (Zit. n. Ebd.)
Der bayerische Verfassungsschutz beobachtet Bystron seit der Äußerung. Die AfD selbst reagiert nach solchen Äußerungen, für die die Genannten nur beispielhaft für viele weitere stehen, mit Ausschlussverfahren, welche aber nicht notwendigerweise umgesetzt werden.

Die Beispiele zeigen, dass es zwischen IB und AfD nicht nur Annäherungsversuche gibt, sondern dass unter ihnen Gemeinsamkeiten festgestellt werden und zumindest stellenweise Kooperationen, trotz Unvereinbarkeitsbeschluss von offizieller Seite der Partei, stattfinden. Gleichzeitig sind sie ein weiterer Hinweis im Hinblick auf die Fragwürdigkeit der politischen Positionierung der AfD, da die Unterstützung einer Organisation, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, die als demokratiefeindlich eingeschätzt wird und damit in das rechtsextreme Spektrum fällt, äußert fragwürdig ist.

Die Einschätzung des Verfassungsschutzes, die von der Identitären Bewegung betriebene Mittelmeer-Kampagne, die offizielle Negierung rechtsextremer Tendenzen und ihr modernes Auftreten, das perfekt inszeniert scheint, sind Beispiele dafür, dass von der Organisation tatsächlich eine Gefahr ausgeht. Dabei muss erwähnt werden, dass sich die IB medial größer und einflussreicher darstellt, als sie es wahrscheinlich wirklich ist. Eine Recherche von ZEIT ONLINE stellt fest:
„Nach eigenen Angaben hat der Verein in Deutschland rund 400 ‚Fördermitglieder’, die regelmäßig Geld überweisen. Doch nur ein Bruchteil von ihnen ist aktiv. Am Ende der Recherche kommen kaum mehr als 100 Namen zusammen: fast nur Männer, hauptsächlich Studenten zwischen 20 und 30 Jahren. Sie sind die ‚Identitären’.“ (Zit. Biermann, Faigle, Geisler & Steinhagen, 2017)
Die Facebook-Seite der Identitären Bewegung haben bis zum 9. Oktober 2017 insgesamt 62.359 Personen mit "Gefällt mir" markiert und 65.011 haben die Seite abonniert (Vgl. Facebook, Identitäre Bewegung, 2017). Dabei wird eine große Diskrepanz zwischen offiziellen Zahlen und den Ergebnissen der ZEIT ONLINE-Recherche deutlich.

Diese Differenz zwischen aktiven Mitgliedern und Sympathisanten ist zum einen dadurch zu erklären, dass davon auszugehen ist, dass die Anzahl an Personen, die die Bewegung in Deutschland beobachten, natürlich größer ausfällt als die tatsächliche Anzahl aktiver Mitglieder. Zum anderen ist zu erwähnen, dass das Internet Möglichkeiten anbietet, Gefällt-mir-Angaben zu kaufen und so eine Seite in ihrer Popularität manipuliert werden kann.

Dass dies stattgefunden haben könnte, ist nicht zu beweisen und stellt nur einen möglichen Erklärungsansatz für die große Differenz zwischen virtuellen und realen Werten dar. Die verfolgten Ziele, der Aktionismus und ihre große mediale Inszenierung im Internet sind in keinem Fall zu unterschätzen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz sieht dabei insbesondere Jugendliche gefährdet und stellt fest:
„Die Propaganda soll Leute emotional ansprechen. Junge Leute sind da in besonderer Weise anfällig. Das ist gefährlich.“ (Zit. Bundesamt für Verfassungsschutz, 2016)
Als gefährlich einzuschätzen ist insbesondere die Einstellung der Identitären Bewegung zum bevorstehenden Einzug der AfD in den Bundestag. Sie sieht sich als metapolitischer Kooperationspartner der AfD, der die parteipolitischen Forderungen außerparlamentarisch umsetzen will.

Deutlich wird diese kooperative Einstellung in einer Stellungnahme zum Wahlergebnis von Martin Sellner in einem YouTube-Video vom 29.09.2017. Unter dem Titel „Merkel jagen – die AfD nach der Schicksalswahl“ prognostiziert Sellner das Ende der Sozialdemokratie und betont die Möglichkeiten, die sich aus einer Zusammenarbeit zwischen AfD und Identitärer Bewegung zukünftig ergeben könnten:
„Die IB hat sich im metapolitischen Raum festgesetzt, Wachstum wird stärker und die AfD hat es im parteipolitischen Raum mit der Schicksalswahl klar getan. Und gemeinsam werden diese beiden Kräfte, politisch und metapolitisch, das gesamte Bild der Bundesrepublik und damit auch das Gesicht Europas, die metapolitische und politische Landschaft Europas, nachhaltig ändern.“ (Zit. YouTube, Sellner, 2017, 8:31-8:52)
Für die Arbeit im Bundestag empfiehlt Sellner der AfD, die „emotionale Barriere“ abzubauen, um so weitere Wählerstimmen für sich zu gewinnen. Das größte Potential sieht er dabei in der Wählerschaft der FDP, die er zur „Fake-Partei“ erklärt:
„Die FDP ist eine reine Fake-Partei. Eine Partei, die meiner Meinung nach eine Art Proxi, eine Vorwandpartei ist, für Leute, die noch ein bisschen kag [?], ein bisschen bürgerlich sind und noch nicht bereit sind, intern und im Freundeskreis vollkommen zu brechen mit der Multikulti-Ideologie, aber unterbewusst schon längst wissen, dass die Masseneinwanderung und Islamisierung beendet werden müsste und eigentlich die AfD gewählt werden sollte. [...] Und damit ist auch schon die gesamte notwendige Strategie benannt, die die AfD jetzt betreiben muss und die sie hoffentlich betreiben wird. Nachdem Gauland in diesem historischen Moment gesagt hat ‚Die Jagd ist eröffnet, wir werden sie jagen’.“ (Zit. Ebd., 10:48-11:24)
Die Jagd als politische Strategie wird von Sellner mehrfach zitiert und letztlich zu einer Kriegserklärung gesteigert. Im letzten Teil seiner Stellungnahme ruft er konkret zum Aktionismus und zur Unterstützung der AfD auf und verharmlost die rechtsextremen Tendenzen, die insbesondere durch Björn Höcke im völkischen Lager der Partei vertreten sind, als „Schmuddel-Image“.
„Wir alle, [...] können die AfD dahin unterstützen, indem wir die emotionale Barriere senken. Indem wir das Überlaufen genau dieser patriotischen und einwanderungskritischen Kräfte in allen Parteien, allen voran FDP und CDU, zur AfD erleichtern. Und das erleichtern wir, indem wir genau das Schmuddel-Image von Holocaust, Nazi, Terror, Blablabla, das die Medien um die AfD aufbauen, als letzte und einzige Waffe gegen die AfD, abbauen. Stein für Stein abbauen, indem wir Gesicht zeigen, indem wir einen Dialog eröffnen, indem wir diesen Ganzen verhinderten AfD-Wählern in allen Parteien ihre Ängste nehmen. Das können wir gemeinsam machen in einem metapolitischen Krieg, Kampf, in einem Infokrieg in dem wir auftreten, in dem wir Informationen verbreiten, in dem wir aber vor allem Gesicht zeigen. [...] Wenn wir alle aktiv werden, dann können wir aus dem politischen Erfolg der AfD einen metapolitischen Triumph machen.“ (Zit. Ebd., 13:05-15:03)
Die Aufzählung, die das „Schmuddel-Image“ seiner Meinung nach beinhaltet, umfasst sensible und emotionale Begriffe wie „Holocaust“, „Nazi“ und „Terror“, die mit einem denunzierenden „Blablabla“ beendet werden. Dadurch wird die persönliche Einstellung Sellners deutlich. Bereits die Verwendung des Begriffes „Image“, deutet darauf hin, dass es sich aus Sellners Perspektive um ein projiziertes Bild handelt, welches der AfD durch die Medien auferlegt worden ist und nicht der Wahrheit entspricht, sondern als „Waffe“ gegen sie eingesetzt wird. Mit der folgenden Begriffsklimax, die ihren Höhepunkt in einem abwertenden „Blablabla“ erfährt, findet eine Verharmlosung statt, die eine rechtsextreme Ideologie offenbart.

Fazit

Die Identitäre Bewegung ist dem rechtsextremistischen Spektrum zuzuordnen. Die Unterbeobachtungstellung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz, die betriebenen Kampagnen sowie die jüngsten Äußerungen Sellners stehen dafür exemplarisch. Der Einzug der AfD in den Bundestag wird von der Identitären Bewegung als „großartiger Erfolg“ und „Lichtblick“ gefeiert (Vgl. Sellner, (8:19)).

Mit der parlamentarischen Repräsentation durch die Partei sieht sich die Identitäre Bewegung in ihrem Aktionismus bestätigt und legitimiert. Es gilt also, die tatsächlichen Konsequenzen, die die Bundestagswahl vom 24. September 2017 mit sich bringt, mit einem sehr wachsamen Auge zu beobachten.

Literatur

Bailer, B. (2004). Partei- statt Metapolitik - "Neue Rechte" und FPÖ in Österreich. In W. Gessenharter, & T. Pfeiffer (Hrsg.), Die Neue Rechte - eine Gefahr für die Demokratie? (1.Ausg., S. 163-173). Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.

Bruns, J., Glösel, K., & Strobl, N. (2016). Die Identitären - Handbuch zur Jugendbewegung der Neuen Rechten in Europa (2 Ausg.). Münster: UNRAST Verlag.


Dörre, K. (2016). Die national-soziale Gefahr. In K.-S. Rehberg, F. Kunz, T. Schlinzig, K.- S. Rehberg, F. Kunz, & T. Schlinzig (Hrsg.), Rechtspopulismus zwischen Fremdenangst und "Wende"-Enttäuschung? Analysen im Üerblick (S. 260-274). Bielefeld: transcript Verlag.

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