Dienstag, 21. März 2017

Quo vadis, Osteuropa? Rechtspopulismus in den Visegrád-Staaten

Wer sich mit den europäischen Rechtspopulisten befassen und deren Beweggründe verstehen möchte, der sollte sich mit den verschiedenen Parteien auseinandersetzen. Seit der EU-Erweiterung im Jahr 2004 sind einige Staaten des europäischen Ostens hinzugekommen, worunter sich Polen, die Slowakei, Tschechien und Ungarn befinden. In den darauffolgenden Jahren entwickelten sich diese Staaten zu Hochburgen des Rechtspopulismus.

Im Folgenden werden wir uns die FIDESZ aus Ungarn, ANO 2011 aus Tschechien, die SNS aus der Slowakei und die PiS aus Polen anschauen. Wir werden uns über die Interessen der jeweiligen Parteien informieren, uns mit ihrer Parteigeschichte befassen und ihre Auswirkungen auf die Politik der jeweiligen Staaten untersuchen. Außerdem werden wir herauszufinden versuchen. wer die Rechtspopulisten der ehemaligen Ostblockstaaten sind und wo sie mit ihren Staaten hinwollen. In diesem Sinne: Quo vadis Osteuropa?!


Mit Polen hat Deutschland nicht nur eine 449 km lange Grenze, sondern auch eine lange Geschichte gemein. Als Nazideutschland 1939 einmarschierte, auf heute polnischem Territorium Vernichtungsanlagen errichtete und auf der anderen Seite die Rote Armee vordrang, war Polen scheinbar „verloren“.

Mit der polnischen Nationalhymne "Mazurek Dabrowskiego" wird unter anderem das besungen. „Noch ist Polen nicht verloren“ („Jeszcze Polska nie zginela“). Zudem heißt es: „Der Deutsche und der Moskauer werden sich nicht ansiedeln“ („Niemiec, Moskal nieosiedzie“). Es scheint, als würde sich die rechtspopulistische PiS-Partei an dieser Hymne bedienen. Die Partei für „Recht und Gerechtigkeit“ („Prawo i Sprawiedliwosc“) kreierte, basierend auf vergangenen Ereignissen, Feindbilder, welche den Untergang Polens beabsichtigen.

Nach dem Ende des Kommunismus 1989 durften sich ehemalige Träger und Unterstützer des Regimes an der jungen polnischen Republik beteiligen. Jaroslaw Kaczynski setzte sich dafür ein, dass man „Vorbelastete“ aus dem öffentlichen Dienst entfernt. Außerdem beschimpfte er alle seine Gegner als Kommunisten. So auch den ersten Präsidenten Polens nach der Wende. Lech Walesa gewann 1990 die erste Wahl in Polen, das er mit einem autoritärem Stil regierte. Der spätere Präsident und sein Bruder, Jaroslaw und Lech Kaczynski, damals noch Berater von Walesa, wollten ihn kontrollieren, worauf die Gebrüder gefeuert wurden. Von diesem Tag an war Walesa ihr neuer Todfeind und sie warfen ihm vor, er beabsichtige einen Rückschritt in ein kommunistisches Polen mit einem Geheimdienstsystem.

Diese Vorwürfe wurden wieder lauter, als im Jahr 2016 in einer Kiste des verstorbenen ehemaligen polnischen Generals Czeslaw Kiszczak Dokumente gefunden wurden, die Walesa in Verbindung mit dem polnischen Sicherheitsdienst bringen. So sagte der Staatsanwalt Andrzej Pozorski, Leiter der zuständigen Ermittlungsabteilung im Januar 2017:
„Die Sachverständigen haben ein umfangreiches Gutachten von insgesamt 235 Seiten verfasst. Ihre Schlussfolgerungen lassen keine Zweifel zu. Aus dem Gutachten ergibt sich, dass die handschriftliche Verpflichtung über die Aufnahme der Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheitsdienst vom 21. Dezember 1970 von Lech Walesa geschrieben und unterzeichnet wurde.“

Ein offensichtlicher Erfolg auch für PiS und Lech Kaczynski.

Vergleicht man die PiS mit rechtspopulistischen Parteien anderer Länder, fällt eine stabile Regelmäßigkeit von 25% bis 30% bei Wahlergebnissen auf. Diese Wahlerfolge sind auf die „Verlierer“ der wirtschaftlichen Entwicklung zurückzuführen, da der polnische Kapitalismus große Unterschiede zwischen den Schichten verursachte. Die Partei“ Prawo i Sprawiedliwosc“ verspricht den „Benachteiligten“ Schutz vor den Eliten.

Eine weitere wichtige Gruppe der Wählerschaft sind Wähler, die Angst vor Veränderungen haben. Die Demokratisierung und Liberalisierung ging ihnen zu schnell und sie fühlen sich fremd mit den „neuen“ Wertevorstellungen . Diese Bevölkerungs- und Wählergruppen sorgten 2005 für den bis dahin größten Wahlerfolg der PiS, und sie gewann sowohl die Präsidentschaftswahl als auch die Parlamentswahl mit 27%. Damals teilten sich die Zwillinge Kaczynski die Führung des Landes, wobei Lech Kaczynski Präsident wurde. In den Jahren 2005-2007 entstand in Warschau ein zentrales Antikorruptionsbüro, das sich vor allem den politischen Gegnern der PiS widmete. Das Verfassungsgericht wurde instrumentalisiert und die Geschichtspolitik wurde zur Propaganda.

Dieser Wahlerfolg wurde 2015 übertroffen und der damalige PiS-Kandidat Andrzej Duda wurde mit 51,55% zum Präsidenten gewählt, zudem erhielt die Partei 37,58% der Stimmen bei der Parlamentswahl und hat nun 235 von 460 Sitzen. Auch in der zweiten Kammer (Senat) bekam sie 61 von 100 Sitzen. Das bedeutet, dass die PiS die Regierung alleine stellen kann und auch stellt.

Sehr schnell wurden Proteste laut und die Opposition und PiS-Kritiker befürchteten eine Wiederholung der Geschehnisse aus der Legislatur von 2005-2007. So geschah es auch. Die Regierung unter der PiS-Ministerpräsidentin Beata Szydlo schrieb dem Verfassungsgericht vor, wie es künftig arbeiten soll. Das Verfassungsgericht erklärte dies für verfassungswidrig, daraufhin wurde das Verfassungsgericht von der Regierung blockiert.

Jaroslaw Kaczynski erweiterte das Kabinett von 17 auf 21 Minister, die allesamt nach PiS und Kaczynski handeln. Der Parteivorsitzende Lech Kaczynski holte sich zudem die Bewegung Kukiz'15 und Jaroslaw Gowin, der die Partei „Polska Razem“ gründete und zum Wissenschaftsminister ernannt wurde, ins Boot.

Anhand der Geschichte der PiS wird deutlich: Je demokratischer die polnische Gesellschaft wird, desto national-katholischer wird die Ideologie der Rechtspopulisten in Polen. Ihre Wertvorstellungen bestehen aus der Bewahrung von Norm und Moralvorstellung, sind gegen die Regionalisierung der Politik, fordern, dass sich Minderheiten der Mehrheit beugen müssen, und propagieren strenge katholische Weltanschauungen, wie zum Beispiel das Verbot der Abtreibung und die Unterordnung der Frau gegenüber ihrem Mann. So prägten sie seit 2007 als stärkste Oppositionspartei den Slogan „Heiligkeit der Familie“

Diese Wertvorstellungen radikalisierten die Anhänger der PiS, als der damalige Präsident Lech Kaczynski bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Jaroslaw gab den Russen die Schuld und behauptete, dass der Tod seines Bruders Lech ein Anschlag gewesen sei. Aus dem Todesfall des Präsidenten und der Behauptung seines Bruders Jaroslaw entstand eine neue Gruppierung. Die Smolensk-Bewegung, die eigene Nachrichten, Symbole und sogar Eliten besitzt. Ein Staat im Staat. Ein weiteres Ereignis waren die Kommunalwahlen im November 2014. Ein Auszählfehler wurde zum Anlass für Jaroslaw Kaczynski, Wahlfälschung zu unterstellen und zu behaupten, dass die Wahlen manipuliert wurden.

Die Opferrolle ist ein gern-gesehenes Mittel in der PiS-Partei. So formuliert Jaroslaw Kaczynski nach der Regierungserklärung von Beata Szydlo vor dem Parlament (Sejm) am 18. November 2015:
„Es kann nicht sein, dass der Staat nicht auf das reagiert, was sich auf globaler Ebene ereignet. (Unser) Volk, das mit der Waffe in der Hand gegen Nazideutschland gekämpft hat, wird heute im Grunde genommen als Verbündeter Hitlers betrachtet. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Verantwortung für den Holocaust internalisiert wird, insbesondere mit Verweis auf Polen. Dem müssen wir entgegentreten.“

So nutzt die Partei für „Recht und Gerechtigkeit“ ihre Chance und lässt sich gerne als Ungerecht-Behandelte oder gar als Betrogene, trotz der vielen „Wohltaten“ ihrerseits und des polnischen Volkes, darstellen. Dasselbe Phänomen ist auch in der Slowakei zu beobachten.

SNS - die Slowakische Nationalpartei

Die Slowakische Nationalpartei „Slovenská národná strana“(SNS) beschreibt sich selbst als rechtsgerichtete konservative Partei, die sich auf christliche Werte beruft. Im Unterschied zur PiS-Partei in Polen geht die SNS von einem ethnischen Nationalismus aus. Der Nationalstaat gehöre einzig und alleine den ethnischen Slowaken.

Ein besonders für osteuropäische Staaten typisches Phänomen ist die Mythologisierung der Nationalgeschichte. Die SNS stellt die slowakische Nation älter dar, als sie in Wirklichkeit ist, und weist eine Tendenz zur übermäßig-positiven Darstellung von historischen slawischen Persönlichkeiten auf.

Dieses Phänomen wird besonders bei der Beanspruchung der aus Byzanz stammenden slawischen Apostel Kyrill (Konstantin) und Method deutlich. Die beiden Missionare brachten das Christentum im 9. Jahrhundert in die heutige Slowakei, wobei zu dieser Zeit allerdings noch nicht von der Slowakei gesprochen werden kann. Die Parteiführung der SNS äußert sich dazu folgendermaßen:
„[So] stellt die Tradition von Konstantin und Method den ältesten und stärksten Teil der slowakischen Identität dar. Die Slowaken sind anderen Nationen voraus, da das Erbe von Konstantin und Method östliche und westliche Werte des europäischen Denkens in sich vereint. Die Existenz der slowakischen Republik zeigt, dass die Tradition von Konstantin und Method stärker ist als der ungarische Chauvinismus, der Prager Tschechoslowakismus oder die kommunistische Diktatur.“

Nicht nur das Hervorheben eigener Kultur und Tradition, sondern auch eine deutliche Abgrenzung zu allem, was laut SNS nicht slowakisch ist, wird instrumentalisiert und für nationalistische Zwecke eingesetzt. Das größte Feindbild der Slowakischen Nationalpartei wird von Ungarn und der ungarischen Minderheit in der Slowakei verkörpert. Diese ungarische (aber auch andere) Minderheiten stellen, laut SNS, eine Gefahr dar, da diese nicht loyal zur slowakischen Nation handeln könnten.

Daraus folgerte Ján Mikolaj, der Bildungsminister der SNS von 2006-2010, dass ungarische Minderheiten eigene Schulbücher benötigen und Ortschaften mit ungarischen Namen auf slowakisch übersetzt werden sollen. Zudem verlangte der Vorsitzende der SNS Jan Slota bereits 2002, dem ungarischen Premierminister, Parlamentsvorsitzenden und Präsidenten gegenüber, diese sollen sich für alle Fehltaten der Ungarn an den Slowaken entschuldigen.

Dabei führte er unter anderem folgende Ereignisse auf: die Zwangsmagyarisierung, die Entführung von slowakischen Kindern (Ende des 18. Jahrhunderts), die Zwangsabschaffung der Matica slovenska (ein nationales Kulturinstitut, das 1875 durch die ungarische Regierung geschlossen wurde; matica slovenská bedeutet wörtlich übersetzt: Mutter der Slowakei) und die Schließung dreier slowakischer Sekundaroberstufen.

Diese historischen Ereignisse waren, nach SNS, der Anlass für ein Dekret, das ähnlich dem „Benes-Dekret“ der ungarischen Minderheit einen ungarischen Pass „verspricht“ und diese somit nach Ungarn auswandern können. (Das „Benes-Dekret“ wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von Tschechien gegenüber den Deutschen ausgeübt).

Auch vor anderen Minderheiten wie zum Beispiel den Roma wird Angst geschürt. So hätten die Roma eine Mentalität, die mit der slowakischen unvereinbar wäre. Der im Jahr 2000 stellvertretende Vorsitzende der SNS Vitazosloav Móric wollte die Roma in ein Reservat bringen, in dem sie in einer Parallelgesellschaft leben.

„Wenn wir es jetzt nicht tun, machen [es] die Zigeuner in 20 Jahren mit uns.“ Alle diese Forderungen scheiterten jedoch, trotz des Zieles, „[...] der ganzen Welt zu zeigen, dass die slowakische Nation auf diesem Territorium ansässig ist, so dass jeder versteht, wo die Slowakei liegt und wem sie gehört.“

Die Partei „Slovenská národná strana“ wurde 1990, bereits ein Jahr nach dem Ende des kommunistischen Regimes gegründet. Sie vertrat anfangs eine sehr stark antikommunistische Rhetorik, wetterte gegen Minderheiten und war für die Unabhängigkeit der Slowakei von der Tschechoslowakei.

Schon seit der ersten Wahl 1990 ist die SNS regelmäßig Mitglied im Parlament. 1990 erreichten sie 13,94%, in der darauffolgenden Wahl 1992 nur noch 7,93%. Der Verlust der Stimmen ist vor allem auf noch radikalere Gruppierungen in der nationalistischen Szene zurückzuführen. Viele dieser Gruppierungen verharren auf Ideologien der 1930er und 40er Jahre - der sogenannte „altmodische“ Nationalismus.

Zu dieser Szene gehört auch die L'SNS, zu der die SNS Distanz hält. Die SNS behauptet, dies sei auf Grund der Radikalität der L'SNS, ist vermutlich aber dazu gedacht, den Verlust der Wähler, die eher Mitte-Rechts sind, zu verhindern.

Nach der Unabhängigkeit der Slowakei 1993 verlor die Partei 1994 weitere Stimmen und kam mit 5,40% nur knapp ins Parlament in Bratislava. 1998 erreichten die Rechtspopulisten aus der Slowakei wiederum 9,07%. In den 1990er Jahren pflegte die SNS Kontakt mit dem französischen Front National (FN) und der italienischen Alleanze Nationale (AN), später bauten sie die Beziehungen zur Fraktion „Union for Europe of the Nations“ (UEN) aus. Diese Beziehung war nicht von langer Dauer, als nach der EU-Wahl 2009 der einzige Kandidat der SNS der EFD („Europe of Freedom an Democracy“) beitrat, in der unter anderem auch Abgeordnete der UKIP und Lega Nord vertreten waren.

Im Jahr 2002 scheiterte die Partei an der 5%-Hürde, erreichte 2006 jedoch erneut den Einzug in das Parlament mit 11,73% der Stimmen. Durch einen rasanten Aufschwung der slowakischen Wirtschaft, der durch ausländische Investoren hervorgerufen wurde, gab es einige Menschen, die den Anschluss nicht fanden und sich als „Vergessene“ bezeichneten. Diese Situation nutzte die slowakische Nationalpartei zu ihren Gunsten und sammelte damit Stimmen.

Der damalige Parteichef Jan Slota propagierte die ungarische Minderheit, Roma und Homosexuelle als Sündenböcke. Diese Rhetorik der Beschuldigung und Ausgrenzung fiel besonders bei Arbeitslosen und bei der Bevölkerung auf dem Land im entlegenen Osten auf fruchtbaren Boden und bescherte der SNS einen großen Zuwachs an Stimmen. Dieses Hoch an Wählerstimmen hielt jedoch nur bis zur Parlamentswahl 2010, bei der die SNS nur 5,07% bekam und in der folgenden Wahlperiode mit 4,55% (2012) nicht mehr im Parlament vertreten war.

Slota wurde dafür zur Verantwortung gezogen und musste seinen Vorsitz abgeben, da er unter anderem auch alkoholisiert aufgetreten war. Die neue Führung unter Andrej Dano versucht nun, weniger radikal zu sein, um das Wählerspektrum zu erweitern. In der letzten Parlamentswahl am 5. März 2016 erreichte die SNS 8,64% und ist nun mit drei weiteren Parteien an einer Koalitionsregierung unter der Führung des „sozialdemokratischen“ Ministerpräsidenten Robert Fico beteiligt.

Für Robert Fico ist das bereits die dritte Amtszeit. In den vergangenen 7 Jahren wurde er für eine „restriktive“ Flüchtlingspolitik, die Ablehnung von muslimischen Flüchtlingen und für eine Klage gegen die Aufteilung von Flüchtlingen nach Länderquoten vor dem Europäischen Gerichtshof bekannt. An der neuen Regierung sind die Sozialdemokraten, die ungarisch-slowakische Verständigungspartei Most-Hid, die konservative Siet und die SNS vertreten. Die Slowakische Nationalpartei darf drei Minister stellen und hat somit ein großes Mitspracherecht in der Regierung.

Durch die Beteiligung der SNS an der Regierung und durch den aktuellen Amtsträger Robert Fico, einen vermeintlichen „Sozialdemokraten“, kam es in der Slowakei zu einem Rechtsruck in der Politik, der auch durch den Einzug einer rechtsextremen Partei in das Parlament in Bratislava verkörpert wurde. Fremdenfeindlichkeit und Xenophobie haben Konjunktur in der Slowakei. Dies spiegelt sich auch dadurch wider, dass 2014 nur 14 Ausländer Asyl bekamen und im Gegenzug 200.000 Slowaken die Slowakei in den letzten zehn Jahren verlassen haben.

Die nationalistischen Rechtspopulisten der SNS wollen den scheinbaren „Untergang“ der Slowakei verhindern, erreichen jedoch nur sehr wenig, und im Gegenteil gibt es mehr und mehr Emigration aus der Slowakei. Ohne im Gegenzug Immigration zur Aufrechterhaltung der Bevölkerung und zum Entgegenwirken des demographischen Wandels zu unterstützen, sieht die Zukunft der slowakischen Republik schlechter aus, als es der SNS recht sein kann.

Andrej Babis - ANO 2011

Der aus der heutigen Slowakei stammende Andrej Babis ist ein Multimillardär und der zweitreichste Mann in Tschechien. Er ist Eigentümer des Agrofert-Konzerns, der etwa 250 Unternehmen in 18 Ländern umfasst. Alleine in Deutschland beschäftigt er 4.500 Mitarbeiter und bringt es auf einen weltweiten Umsatz von ungefähr 6 Millarden Euro pro Jahr (Stand 2014).

Der Unternehmeroligarch entschied sich, eine politische Karriere einzuschlagen - ähnlich dem aktuellen US-Präsidenten Donald Trump - und gründete im Novemver 2011 eine Partei namens ANO 2011. ANO 2011 ist ein Akronym für „Aktion unzufriedener Bürger“ und bedeutet zudem „Ja“, was für „ANO, bude líp“ („Ja, es wird besser“) steht.

Der erste Wahlerfolg gelang Babis bereits 2011, als er mit 18,65% zur zweitstärksten Partei im Parlament in Prag wurde (diese Formulierung ist bewusst gewählt, da ANO 2011 de facto eine Ein- Mann-Partei ist). Andrej Babis wurde Finanzminister und stellvertretender Premierminister unter der von dem Sozialdemokraten Bohuslav Sobotka geführten Regierungskoalition.

Ideologisch ist der beliebteste tschechische Politiker nicht begrenzt und zeigt keine klare politische Linie, wodurch er aus allen politischen Lagern Stimmen bekommt und es weder ein starkes Stadt- Land-Gefälle noch einen Unterschied zwischen den sozialen Schichten gibt. Er äußert sich weder fremdenfeindlich noch pflegt er eine Anti-EU-Rhetorik. Er scheint ein Präsident für alle Tschechen sein zu wollen.

Nach dem Zerfall der Ostblockstaaten und der Bildung osteuropäischer Demokratien wurde 1990 die Tschechoslowakei gegründet und 1993 zu zwei unabhängigen Staaten erklärt - Tschechien und die Slowakei. In der noch jungen Tschechischen Republik hat sich seitdem viel verändert, jedoch blieben oft Denkmuster der kommunistischen Ideologie.

Zur Zeit des kommunistischen Regimes gab es in der Tschechoslowakei klare Trennlinien zwischen Freund und Feind und daher auch klare Feinde. Man unterschied zwischen „Wir“ und „Sie“. „Wir“ Sozialisten und „Sie“, die Kapitalisten. Auch während und nach dem Zweiten Weltkrieg, also vor dem Kommunismus in Tschechien, entwickelte man ein „Wir“ (die Tschechien) und ein „Sie“ (die Deutschen).

Dieses Denksystem prägte und prägt bis heute die tschechische Politik. Das war auch einer der Hauptgründe, warum die Partei „Obcanská demokratická strana“ (ODS) seit der Gründung der „neuen“ Tschechoslowakei und darüber hinaus in allen Wahlen erfolgreich in das Parlament einzog. Sie waren die treibende Kraft zur Teilung der Republik 1993.

Unter Václav Klaus, dem ehemaligen Präsidenten der Tschechischen Republik und Parteivorstand der ODS, entwickelte sich die Partei zu einer nationalen, xenophoben und konservativen Partei und blieb trotzdem in einer dominanten Position. Im Jahr 2010 wurde die ODS in einen Korruptionsskandal verwickelt. Der Vorwurf lautete, dass die Parteispitze Steuergelder als Parteibudget verwendet oder gar auf privaten Konten angelegt hat.

Daraus resultierte ein Misstrauen den traditionellen Parteien gegenüber. Sowohl die ODS als auch die Sozialdemokraten verloren bei den Parlamentswahen 2010 einiges an Stimmen, und zwei populistische Parteien gewannen genug Stimmen, um mit den Sozialdemokraten zu koalieren. Die Populisten von TOP 09 und die Partei „Öffentliche Angelegenheit“ („Veci Verejné“) verwickelten sich jedoch oft in Skandale und Andrej Babis übernahm deren Rolle.

Er spitzte den Antielitarismus weiter zu und verwendete wiederum ein Denkmuster aus der kommunistischen Zeit: „Wir“ gegen „Sie“. „Wir“, das ist das Volk, und „Sie“, das sind die "korrupten Eliten" von ODS & Co. Einer seiner Wahlsprüche war: „ Wir sind keine Politiker, wir arbeiten“, der für die Distanz zu den etablierten Parteien paradigmatisch ist. Auch kam ihm zugute, dass er Unternehmer ist und keinen Schaden aus der globalen Wirtschaftskrise erlitt. Die Wähler hofften, er könne sein Land wie ein Unternehmen führen und nicht wie die traditionellen Parteien, die nicht kompetent genug seien.

Was in den Medien als kompetent oder inkompetent erachtet wird, darauf hat Andrej Babis sehr großen Einfluss. Der tschechische Finanzminister besitzt die beiden Zeitungen Mladá Fronta Dnes und Lidové noving, außerdem den Radiosender Radió Impuls und viele weitere Medien. Seine Unternehmen erhalten oft Staatsaufträge, da EU-Gelder unter seinem Kompetenzbereich stehen. Aus diesem Grund ermittelt die tschechische Polizei und die Anti-Betrugsbehörde der EU (OLAF) aktuell gegen Andrej Babis wegen Subventionsbetrug.

Der Populismus von Andrej Babis in der Tschechischen Republik ist, anders als in den meisten anderen Ländern, besonders in Osteuropa, nicht direkt fremdenfeindlich. Man kann die Politik Andrej Babis jedoch als „rechts“ einordnen, da sie ganz klar in Frontstellung zum Kommunismus steht. Der Begriff Rechtspopulismus ist daher auch eher wirtschaftlich zu verstehen und kann mit dem Begriff des „Unternehmerpopulismus“ ersetzt werden. Andrej Babis verspricht Veränderung und produziert ein starkes Misstrauen gegenüber den Eliten, was ein klar populistisches Vorgehen ist.


Ein weiterer autoritärer Vorsitzender der Rechtspopulisten in Osteuropa ist, neben Jaroslaw Kaczynski (Polen), Jan Slota, Andrej Danko (beide Slowakei) und Andrej Babis (Tschechien), der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán. Er war 1990 Mitbegründer des ungarischen Bürgerbundes FIDESZ, was für „Fiatala Demokraták Szövetsége“ („Bund Junger Demokraten“) steht.

Die nach dem Ende des Kommunismus entstandene Partei hatte anfangs noch deutlich andere Beweggründe, sich an der Politik Ungarns zu beteiligen. Ein erster „Ruck Richtung Rechts“ geschah 1992, als das in die Regierungsverantwortung gewählte Ungarische Demokratische Forum (MDF) den Aufgaben der postkommunistischen Republik nicht gerecht wurde und 1994 nicht wiedergewählt wurde. Es entstand ein Vakuum am rechten Rand, das von FIDESZ gefüllt wurde.

Das erste Mal kam FIDESZ 1998 durch eine Koalitionsregierung an die Macht, und Viktor Orbán wurde zum ersten Ministerpräsidenten der FIDESZ. Die Wählerschaft bestand zu dieser Zeit eher aus Wähler der Mittelschicht, welche die FIDESZ durch konservative Politik erreichte.

Nach einer Niederlage im Jahr 2002 wurde die Sozialistische Partei Ungarns (MSZP) zur stärksten Partei gewählt und die FIDESZ blieb bis 2010 in der Opposition. In dieser Zeit erfand sich die FIDESZ neu und entwickelte sich nach und nach zu einer rechtspopulistischen Partei. Die Wählerbasis veränderte sich entsprechend. In den 90er Jahren stammten die Wähler eher aus der jüngeren Generation und waren zumeist städtische Intellektuelle, während sich die Partei in den 2000ern für die weniger gebildete Unterschicht öffnete. Durch dies Öffnung erreichte Viktor Orbán eine Stammwählerschaft von zwischen 1,2 und 1,5 Millionen Menschen.

Bei der Wahl 2010 bekam FIDESZ unter Viktor Orbán eine Zweidrittelmehrheit, wodurch sie das politische System umbauen und die Berichterstattung zu ihren Gunsten verändern konnte. Das Verfassungsgericht und die Nationalbank wurden eingeschränkt und die Verfassung teilweise neu geschrieben. Für die schlechte wirtschaftlichen Lage wurden die bisherigen Eliten verantwortlich gemacht, welche dieselben seien, die damals das Land an den Kommunismus verraten hätten.

Das heutige Russland scheint dem Parteivorsitzenden Viktor Orbán hingegen sehr gut zu gefallen, da er ein großer Putin-Freund ist. Auch die politische Ideologie der beiden hat viele Ähnlichkeiten und so wird vom Begriff des „Putinismus“ oft der „Orbánismus“ abgeleitet, welcher die Nation, das Volk, die Regierung und den Staat als Einheit definiert.

Wie bei allen Rechtspopulisten gibt es auch bei Orbán klare Feindbilder, zu denen die Roma-Minderheit gehört, die 5% der Bevölkerung ausmacht, die Politik der EU und der Islam, der durch die Flüchtlinge nach Ungarn kommt. Der Mittel-/Osteuropa-Experte Kai-Olaf Lang bei der Berliner Stiftung für Wissenschaft und Politik fasst das folgendermaßen zusammen:
„Das waren zum einen natürlich Postkommunisten, die regierenden Sozialisten, die sich tatsächlich mit der Hochfinanz teilweise liiert hatten und auch mit Oligarchen im Bunde waren, tatsächlich. Dazu kam aber generell natürlich das weltoffene, das pro- europäische, businessfreundliche und die intellektuellen Milieus in Ungarn, die er [Viktor Orbán] entgegenstellte den kleinen Leuten und dem wahren Ungarntum.“

Auch sind die Wähler und Anhänger Orbáns enttäuscht vom EU-Beitritt, da die Erwartungen sehr hoch waren, ebenso hoch wie die Hoffnung nach dem Ende des Kommunismus auf eine bessere Zukunft. Daraus resultierend haben viele Bürger kein Vertrauen in die Marktwirtschaft, in staatliche Institution und wünschen sich einen starken illiberalen Staat.

Mitverantwortlich ist zudem die Weltwirtschaftskrise von 2008 sowie eine innerungarische Wirtschaftskrise aus dem Jahr 2006, für welche die Regierung von 2002 bis 2010 und die EU zur Verantwortung gezogen werden. Doch gäbe es die EU nicht, die Ungarn 2008 vor einem Staatsbankrott bewahrte, würde es heute deutlich schlechter aussehen.

Die momentane Lage Ungarns ist gut. Es gibt ein Wirtschaftswachstum von 3%, eine Arbeitslosigkeit von nur 6% und eine Staatsverschuldung ähnlich der von Deutschland. Der Anteil der EU-Gelder ist mit 5% des BIP eine sehr wichtige Einnahmequelle, diese Zuschüsse sind die zweithöchsten der EU. Der Parteivorstand des Ungarischen Bürgerbundes Viktor Orbán äußert sich dazu jedoch wie folgt: „So viel Geld, wie die Europäische Union hierher gesandt hat, haben die westlichen Firmen auch wieder von hier mitgenommen. Wir sind quitt. Es gibt nichts, was wir einander vorwerfen könnten.“

Im Gegenzug erwähnt er hierbei lieber eigene „Erfolge“, wie zum Beispiel die Steuererhöhung für ausländische Unternehmen, die Steigerung des Familiengeldes, die Senkung der Wohnungsbaukosten, eine Kredithilfe für Familien ab dem dritten Kind und ganz besonders ein Wirtschaftswachstum, das von -6,6% 2009 auf 3,7% 2014 anstieg.

Dieses Wirtschaftswachstum ist unter anderem auf die pauschale 15%-Einkommenssteuer zurückzuführen, die jeder zahlen muss, egal mit welchem Verdienst. Als Ergebnis daraus werden Mittel- und Oberschicht privilegiert, nicht jedoch die Unterschicht. Wie in den vorigen Regierungen auch, gibt es bei der FIDESZ ein großes Korruptionsproblem. Im Unterschied zu den Korruptionsskandalen der MSZP folgen daraus aber durch die Zweidrittelmehrheit und die Tatsache, dass die Behörden unter Regierungskontrolle stehen, kaum Gerichtsverfahren.

Die komplizierten Steuersysteme, die den Bürger oft automatisch zum „Betrug“ bringen, sind für autoritäre Demokratien ideal. Diese Steuerzahler machen sich dadurch abhängig. Nach einigen Großdemonstrationen aufgrund des Steuersystem verlor die FIDESZ an Wählerzustimmung, was durch die aufkommende „Flüchtlingskrise“ und Orbáns Antwort darauf gedämpft wurde und sogar in einem Aufschwung endete.

Orbáns Flüchtlingspolitik sieht vor allem den Schutz der Außengrenzen vor, und er äußert sich strikt gegen die Flüchtlingsverteilung nach Quoten. Besonders muslimische Migranten stoßen auf Ablehnung, wobei Orbán hierbei auf die Besetzung durch das Osmanische Reich, welche zwei Jahrhunderte andauerte, anspielt und so Zustimmung aus der Bevölkerung erhält.

Er inszeniert sich als Verteidiger des Abendlandes und steht gegen die „unchristliche“ Modernität, die Chaos bringt, sowie gegen die Linken, die Staatsinteressen verraten. Auch wenn der Anti-Islam-Kurs bei der FIDESZ-Wählerschaft gut ankommt, scheint der Antisemitismus ein Tabu-Thema zu sein, ganz im Gegensatz zur Partei Jobbik.

Jobbik ist eine rechtsextreme Partei, die hauptsächlich mit Antiziganismus Erfolge einfährt. Die Partei rechts außen von der FIDESZ ist seit 2014 die zweitstärkste Partei im Land mit etwa 15-20%. Inhaltlich unterscheidet sich die Partei nur gering, wenn auch die Rhetorik wesentlich radikaler ausfällt. Sie griffen oft Themen auf, die Orbán auf die Tagesordnung gesetzt hat, um ihr Stimmenspektrum auf Wähler der rechten Mitte zu erweitern. Außerdem nennen sie sich gemäßigt „Volkspartei“ und deuten die Nähe zum Bürger an.

Als Viktor Orbán dadurch seine Wählerschaft in Gefahr sah, musste er, um die Wähler am rechten Rand wieder zurückzugewinnen, sich weiter radikalisieren und setzte verstärkt auf Themen wie Einwanderung und die Todesstrafe. Die EU drohte als Antwort auf die „Todesstrafen-Debatte“ mit dem Rauswurf aus der Gemeinschaft.

Der Ministerpräsident profitiert jedoch von der EU durch die bereits erwähnten finanziellen Vorteile, auch wenn er auf Grund der Flüchtlingspolitik weiter gegen sie wettert. Viktor Orbán setzt sich für ein „System der nationalen Zusammenarbeit“ ein, statt für echte europäische Integration. Trotz allem ist die FIDESZ Mitglied der EVP, ein Zusammenschluss der konservativen Parteien, und nicht in einer Anti-EU-Fraktion vertreten, wie man es auf Grund der Innenpolitik hätte vermuten können.

Auch in Ungarn selbst gilt die FIDESZ, zumindest im Vergleich zu den restlichen Parteien, als gemäßigt. Sie bezeichnet sich selbst als „politisches Machtfeld der Mitte“, da außer ihr nur eine große rechtsextreme Partei und eine große linksextreme Partei als konkurrenzfähige Kräfte in Frage kommen. Einem liberalen Bürger bleibt nur eine Option, um eine große Partei zu wählen, und das ist die FIDESZ, die sich deshalb als eine Art Garant der Demokratie profilieren kann. Dadurch bleibt ihre Stellung im ungarischen System erstmal gesichert, auch in den nächsten Wahlen 2018 wird sie laut aktuellen Umfragen wohl wieder zwischen 35 und 40% erreichen.

Resümee

Der Rechtspopulismus in Osteuropa hat viele Gesichter und reicht von einer Art „Unternehmerpopulismus“ in Tschechien bis hin zur ethnisch-nationalen Rhetorik der SNS in der Slowakei. Trotz allen Unterschieden lassen sich auch viele Gemeinsamkeiten finden, die schon alleine durch eine ähnliche und zum großen Teil auch gemeinsame Geschichte hervorgebracht werden.

In allen vier Fallbeispielen (Polen, Slowakei, Tschechien und Ungarn) ist die Demokratie seit 1998/1990 die offizielle Staatsform. Nach dem Ende des Kommunismus und der Auflösung der Ostblockstaaten hatten die jungen Republiken bislang nur rund 25 Jahre Zeit, diese zu entwickeln. Ein weiterer entscheidender Schritt für die vier Länder war die Osterweiterung der EU im Mai 2004, wodurch neben Polen, der Slowakei, Tschechien und Ungarn auch Estland, Litauen und Slowenien als osteuropäische Staaten der EU beitraten.

Die Hoffnungen der Bürger waren sehr groß, da sie nun endlich zum „Klub der Reichen“ gehörten. Diese Erwartungen wurden jedoch aus der Sicht vieler Osteuropäer enttäuscht. Anstatt eines Aufschwungs für alle Bevölkerungsschichten kam es durch Privatisierungen von staatlichen Firmen und auch allgemeinen öffentlichen Gütern zu einem zunächst sehr einseitigen Aufschwung.

Viele Menschen fühlten sich außerdem als Verlierer der Modernisierung, da viele Wirtschaftsbereiche und dadurch Arbeitsstellen einfach wegfielen. Die Betroffenen fühlen sich oft von Politikern und vom Staat verraten und vergessen. Zwischen 1989 und 2004 liegen nur 15 Jahre. Viele Bürger haben das Gefühl, als hätten die Nationalstaaten ihre Souveränität in dieser kurzen Zeit wieder abgeben müssen und würden nun von Brüssel regiert. Für viele kam, anstatt des erhofften Aufschwungs, eine erneute „Fremdregierung“. Das greifen die Populisten auf und nutzen es zu ihrem Vorteil.

Neben den europäischen Eliten sind auch die Eliten der Nationalstaaten zum Feindbild der Nationalisten geworden. Besonders in Ungarn wettert Orbán gegen die "Altparteien" (auch wenn die seinige auch eine ist). Ein Auslöser könnte sein, dass bis 2006 dieselben Parteien im Parlament vertreten waren wie 1990. Es gab auch in den Parlamenten der anderen Staaten nur wenige Wechsel, wobei viele dem Wechsel und der damit verbundenen Aufbruchsstimmung eher positiv gegenüberstanden, auch wegen dem damaligen Ende des Ostblockes. Die angesprochenen nationalen Eliten sind zudem oft in Korruptionsskandale verwickelt.

Im Vergleich zu den westeuropäischen Staaten gibt es unter anderem drei weitere Unterschiede, die von großer Bedeutung sind. Das ist in erster Linie die Sicht auf die Nationalstaaten. Der Nationalismus hatte für die betroffenen Staaten bisher keine negative Auswirkung, auch weil der "Nationalstolz" des Kommunismus ein ganz anderer war. Durch das Fehlen dieser Erfahrung kann der Nationalismus zur unterschätzten Gefahr werden.

Der zweite Punkt ist die Fremdenfeindlichkeit, besonders gegenüber nicht-christlichen Einwanderern. Während die meisten Länder des Westens über einen langen Zeitraum Kontakt und Erfahrungen durch Kolonien hatte, gab es für die östlichen Staaten keinen solchen Kontakt. In Ungarn, das für 200 Jahre Teil des Osmanischen Reiches war, hatten die Begegnungen mit dem Islam keine guten Erinnerungen hinterlassen. Die Rolle der eigenen Religion (siehe PiS in Polen) ist auch durch die kommunistische Geschichte mit ihrer Zwangssäkularisierung zu einer ganz anderen geworden.

Der dritte und letzte Punkt ist die aktuellste Konfliktlinie zwischen den Rechtspopulisten aus Ungarn, der Slowakei und Polen (Tschechien ist in diesem Beispiel ein Sonderfall) und der EU: die Flüchtlingspolitik. Während Frankreich, Großbritannien, die Niederlande und Deutschland eine lange Geschichte der Einwanderung und Integration haben, fehlt diese Erfahrung in den ehemaligen Ostblockstaaten. Selbst der Versuch, innereuropäische Minderheiten zu integrieren, wie vor allem die Roma, ist bisher gescheitert. Durch diese Erfahrung steigt der Pessimismus, der durch die Rechtspopulisten instrumentalisiert wird.

Die Rechtspopulisten „des Ostens“ wollen mit den genannten Themen entweder an die Macht kommen oder an der Macht bleiben. Ihr Themenspektrum ist größer als oftmals vermutet, jedoch sind alle angesprochenen Themen auch auf nicht-populistischem Wege lösbar und so heißt es noch lange nicht: alea iacta est - die Würfel sind gefallen - für Osteuropa.

Quellen

Stefan Ozsvath, 2015, Regierungschef Orban in der Jobbik- Falle,http://www.deutschlandfunk.de/rechtsruck-in-ungarn-regierungschef-orban-in-der-jobbik.795.de.html?dram:article_id=323591, zugegriffen 19.03.2017

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