Sonntag, 19. März 2017

Das Verhältnis von Populismus und Medien am Beispiel der AfD

„Lügenpresse“, Unwort des Jahres 2014 in Deutschland, ist ein weit verbreiteter und immer wiederkehrender Begriff insbesondere aus den Reihen der AfD und im Umfeld der Rechtspopulisten. Es besteht ein Misstrauen gegenüber den Medien, Berichterstattungen würden nicht auf Wahrheiten basieren und die AfD würde in einem falschen Licht dargestellt. Als Reaktion darauf werden Medien teilweise komplett von Parteiveranstaltungen ausgeschlossen, wie dies beispielsweise beim Parteitag der AfD Baden-Württemberg im November 2016 der Fall war. Manche sprechen hierbei von einer Beschneidung der Pressefreiheit. Dies ist die eine Seite der Medaille.

Die andere Seite zeigt die AfD in Talkshows wie Maybritt Illner, Anne Will und Co. und das Bemühen um mediale Aufmerksamkeit. Es scheint ein zwiespältiges Verhältnis der AfD zu den Medien zu geben. Einerseits wird ihnen misstraut und Verachtung entgegengebracht, sie werden als Pinocchio-, Lügen- oder Lückenpresse bezeichnet, andererseits nutzt und benötigt man sie. Während die Beziehung der AfD zu den herkömmlichen Medien sehr zwiegespalten zu sein scheint, kommt das Verhältnis zu den sozialen Medien einer symbiotischen Beziehung gleich, aus der die AfD profitiert und das sie beflügelt.

In der Arbeit soll die Beziehung der AfD zu den herkömmlichen Medien (Printmedien, Radio und Fernsehen) beleuchtet werden. Es soll deutlich gemacht werden, inwieweit die Partei von den Medien profitiert und warum diese auch zum Erfolg der Partei beitragen. Zudem wird untersucht, warum die rechtspopulistische Partei enorme Erfolge in den sozialen Medien feiern kann und was sie dort besser macht als die etablierten Altparteien. 


AfD und klassische Medien - Verachtung vs. Nutzen

Wie eingangs bereits beschrieben, herrscht zwischen den klassischen Medien und der 2013 gegründeten rechtspopulistischen Partei Alternative für Deutschland ein ambivalentes Verhältnis. Von Seiten der Partei heißt es immer wieder, man könne den Medien nicht trauen, da sie die Wahrheit vertuschen würden und nicht den Mut hätten, über die Realität zu berichten. Doch trotzdem taucht die Partei immer wieder in diesen „verlogenen“ Medien auf und scheint der Partei dazu zu verhelfen, einen Platz in der Mitte der Gesellschaft zu bekommen und salonfähig zu werden.

Die Medienwissenschaftlerin Paula Diehl beschreibt diese zwiespältige Beziehung zwischen Populismus und Massenmedien als ein enges Verhältnis und sogar als gegenseitige Abhängigkeit. Sie stellt fest, dass es so scheine, als sei der Kommunikationsstil populistischer Akteure massenmedialen Aufmerksamkeitsregeln besonders affin (vgl. Diehl 2012).

Trotz der Tatsache, dass es sehr viele verschiedene Formen des Populismus gibt und dieser sich auch im Lauf der Geschichte gewandelt hat, gibt es eine Konstante als Merkmal des Populismus, der auch auf die deutsche AfD zutrifft: die Anpassung an und damit möglichst optimale Nutzung der massenmedialen Aufmerksamkeitsregeln (vgl. Diehl 2012).

Massenmediale Aufmerksamkeitsregeln

Um dies zu verstehen, sollte erst einmal geklärt werden, um welche Aufmerksamkeitsregeln es sich dabei handelt. Bei der Auswahl von Inhalten orientieren sich Medien in der Regel daran, welchen Nachrichtenwert der zu publizierende Inhalt hat. Unter diesen Nachrichtenwert fällt unter anderem die Aktualität des Inhalts oder die Frage, wie sehr es die Aufmerksamkeit des Publikums erregt.

Aufgrund dieses Aktualitäts- und Aufmerksamkeitsgebots werden bestimmte Kommunikationsstrategien begünstigt und bevorzugt ausgewählt. Dies führt dazu, dass Medien bestimmte Aufmerksamkeits- und Selektionsmechanismen besitzen. Und dabei scheint es, als würde die AfD diese besser durchschauen und nutzen können, als das die etablierten Parteien machen. Es gilt der Grundsatz, dass je besser die Kommunikationsregeln an diese Mechanismen angepasst sind, desto höher die Chance auf Publizität.

Personalisierung und Emotionalisierung

Zu diesen Regeln gehört an erster Stelle die Personalisierung und Emotionalisierung der Politik. Betrachtet man die Präsentation der AfD in den Medien, fällt auf, dass sie zum einen sehr stark auf ihre Führungspersönlichkeiten setzen und zum anderen Misserfolge oder Schuld stark mit Politikern anderer Parteien verbinden. Des Weiteren lässt sich feststellen, dass die Partei bei der Personalisierung sehr stark mit dem Charisma ihrer Spitzenpolitiker spielt.

Laut der Analyse der Wissenschaftlerin Ruth Wodak benötigt ein Politiker vier Merkmale, um in der Öffentlichkeit charismatisch zu wirken: er glaubt an seine Mission als Retter des Volkes, er stellt sich als gewöhnlichen Menschen aus dem Volk dar, Feinde werden ganz gezielt und direkt dämonisiert und er besitzt eine starke persönliche Präsenz (vgl. Wodak 2016, S. 152).

Diese vier Kategorien und Merkmale lassen sich ganz eindeutig auch bei AfD-Politikern beobachten. Immer wieder stellen Politiker der AfD wie Frauke Petry Deutschland als ein Land dar, das kurz vor dem Untergang steht. Die einzige Möglichkeit, diesen Untergang abzuwenden, ist immer wieder die AfD. Ebenso grenzen sich die Politiker stets von der abgehobenen Elite ab und stellen sich als einfache Menschen aus dem Volk dar, die komplett anders handeln und sich verhalten als die „gefährlichen“ und „verlogenen“ Politiker etablierter Parteien.

Auch die Emotionalisierung ist ein wichtiger Bestandteil der Medienauftritte der AfD (vgl. Diehl 2012). Es werden gezielt Ängste der Menschen angesprochen, wie die Überfremdungsangst, die Angst vor dem Unbekannten oder die Angst vor dem sozialen Abstieg. Diese Faktoren werden durch das Internet nochmals verstärkt und werden im Anschluss in Bezug auf die sozialen Medien nochmals ausführlicher erläutert.

Auch werden gezielt bestimmte Wörter benutzt, die emotional behaftet sind und als Trigger für die Aufmerksamkeit der Medien gelten. Treten Emotionalität und Personalisierung bei politischen Auftritten, Botschaften oder Reden auf, werden diese bevorzugt in den Medien gezeigt. Diese beiden Merkmale lassen sich verstärkt bei Auftritten der rechtspopulistischen Partei beobachten, weswegen diese oftmals bevorzugt Thema in den Medien werden.

Dramatisierung und Tabubrüche

Eine weitere Kommunikationsregel, die besonders affin mit den Aufmerksamkeits- und Selektionsregeln der Medien ist, besteht in der „Dramatisierung und Zuspitzung von Konflikten“ (Diehl 2012). Dazu zählen auch die „Tendenz zu Tabubrüchen, Polemik und Skandal“ (Diehl 2012). Die Nutzung dieser Aufmerksamkeitsregel scheint die AfD in besonderem Maße zu beherrschen und zu praktizieren.

Auch der bewusste Stilbruch, der häufig von der AfD verwendet wird, ist ein regelmäßig benutztes rhetorisches Mittel, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Üblicher und gewöhnlicher Stil ist für die Leser und das Publikum „langweilig“, es ist nichts Besonderes mehr und generiert kaum Aufmerksamkeit. Dies bedeutet, dass das Einhalten von Spielregeln und korrektem politischen Verhalten kaum einen Nachrichten- und Unterhaltungswert besitzt. So kommt es, dass demonstrative Verletzungen formeller und informeller Regeln bewusst vorgenommen werden (vgl. Sarcinelli 2005, S. 93).

Dazu zählt auch die häufig verwendete Strategie der AfD des anfangs Provozierens, des anschließenden Dementierens und des Relativierens zum Schluss. Diese Strategie ermöglicht es Protestparteien, wahrgenommen zu werden und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erhalten. In einer E-Mail an die AfD-Mitglieder schrieb Frauke Petry im März 2016:
„[…] um sich medial Gehör zu verschaffen, seien "pointierte, teilweise provokante Aussagen unerlässlich". Sie erst schüfen die notwendige Aufmerksamkeit für die Partei. Im zweiten Schritt könne man die eigene Position dann "sachkundig und ausführlicher" darstellen.“ (Steffen 2016)
Für eine recht junge Oppositions- und Protestpartei, die bis vor kurzem noch nicht in Parlamenten saß, ist es schwer, mit alltäglicher Politik in den Fokus der Medien und der Aufmerksamkeit zu rücken. Aufgrund dessen empfahl die AfD-Chefin die oben beschriebene “im Militär sogenannte Kampftechnik: hit and run.“ (Steffen 2016)

Beispiele für Tabubrüche

Hierfür lassen sich zahlreiche Behauptungen und provokante Aussagen finden, wie zum Beispiel die Äußerung des AfD-Politikers Gauland über Boateng. Er behauptete, die Deutschen fänden Jérôme Boateng als Fußballspieler gut, hätten ihn aber nicht gern als Nachbarn. Diese Aussage wurde in der Öffentlichkeit nicht nur als eine rassistische Provokation wahrgenommen, sie stellte auch einen Stilbruch und ein Durchbrechen der sogenannten „Politischen Korrektheit“ dar.

Ein anderes plakatives Beispiel ist die Mitteilung Petrys über die Befürwortung von Schusswaffengebrauch an der deutschen Grenze in der Flüchtlingskrise. Wochenlang wurde in Fernsehen, Radio, Zeitungen und sogar speziellen Talkshows über das Thema berichtet, was der AfD viel Aufmerksamkeit sicherte sowie den Zugang zu Plattformen, um sich und die politischen Ziele zu präsentieren.

Nachdem durch die provokante Äußerung das Interesse und auch die Entrüstung der Öffentlichkeit entfacht wurde, fingen die Erklärungen und Relativierungen an. Die Politiker und die Partei haben an diesem Punkt die volle Aufmerksamkeit der Medien und können diese für ihre Politik nutzen. Handelt es sich um tiefgreifende und folgenreiche Tabubrüche und ist die Entrüstung wegen Rassismus oder Diskriminierungen durch die Aussagen zu groß, folgt im Anschluss oftmals noch ein Dementi des Gesagten: man habe es entweder niemals gesagt oder völlig anders gemeint.

Dieses Vorgehen lässt sich erneut an dem Beispiel von Gauland und Boateng erkennen, indem der Politiker behauptete, Boateng im Gespräch gar nicht erwähnt zu haben (vgl. Steffen 2016). Auch die AfD-Politikerin von Storch dementierte schon öfters Aussagen nach provokanten Statements oder Postings, indem sie beispielsweise erklärte, sie wäre auf der Maus ausgerutscht (vgl. Steffen 2016).

Ob dies ein schlechtes Licht auf die Partei wirft, ist in diesem Moment zweitrangig, primär geht es hierbei um die Sicherung von Aufmerksamkeit und darum, Thema von Gesprächen und Diskussionen zu werden. Daran schließt sich oftmals auch die Einladung zu Talkshows zur Klärung des Skandals an, was erneut viel Beachtung und kostenlose Werbung zu besten Sendezeiten bringt.

Das bedeutet, dass zuerst eine riskante These in den Raum geworfen wird, die anschließend im Fokus der Medien wieder relativiert wird. Durch provokante Äußerungen und Stilbrüche wird außerdem sichergestellt, dass man in den Köpfen der Menschen bleibt. Politiker, die gewöhnlich sind und keinen Wiedererkennungswert haben, verschwinden schnell aus den Gedächtnissen und Gesprächsthemen der Menschen. Skandalöse Politiker haben meist einen hohen Wiedererkennungswert und bleiben den Menschen durch ihre markante und ungewöhnliche Art im Gedächtnis.

Komplexitätsreduktion

Zuletzt nennt Paula Diehl noch die Regel der Komplexitätsreduktion. In diesem Punkt würden sich Massenmedien und Populismus überschneiden (vgl. Diehl 2012). Komplexe politische Probleme und Sachverhalte werden von den Medien so herunterzubrechen versucht, dass sie auch für den Normalbürger verständlich sind.

Die AfD scheint dies besonders gut verstanden zu haben und reduziert im Gegensatz zu vielen Politikern anderer Parteien ihre Botschaften auf das Minimalste und Prägnanteste. Zudem versucht die AfD auch in ihrer Sprache die Komplexität zu verringern. Sie wollen als Mann oder Frau aus dem Volk wahrgenommen werden und sprechen deswegen die vermeintlich selbe Sprache wie die Bürger. Dies vermittelt Nähe und soll die Distanz zwischen Politik und "Volk" verringern.

Dass aber nicht jedes komplexe Problem heruntergebrochen und in Umgangssprache innerhalb kürzester Zeit vermittelt werden kann, führt bei diesem Vorgehen oftmals dazu, dass entscheidende Details ausgelassen werden oder der Sachverhalt verzerrt dargestellt wird (vgl. Diehl 2012). Diese komplexitätsreduzierten Themen werden dann bevorzugt von Medien in ihre Berichterstattung aufgenommen und erhalten oftmals auch aufgrund der begrenzten Sendezeit Vorrang gegenüber komplexen und ausführlichen Darstellungen.

Zudem lässt sich bei der AfD eine ganz spezielle, immer wiederkehrende Rhetorik in der Interaktion mit den Medien erkennen. Diese kann als gezieltes und eingeübtes rhetorisches Manipulieren bezeichnet werden (vgl. Wodak 2016, S. 147). Sie kann in drei Elementen zusammengefasst werden. Es werden erstens immer wiederkehrende spezielle Themen angesprochen. Slogans, Kernbotschaften und Argumente werden stets wiederholt, damit sie sich beim Publikum einprägen. Bei der AfD sind das vor allem die Themen der abgehobenen Elite gegenüber dem "wahren Volkswillen", die Bedrohung durch den Islam und die Eurokritik.

Dadurch entsteht beim Publikum der Eindruck von Beständigkeit. Es weiß vermeintlich, woran es bei der AfD ist, und muss sich nicht ständig auf neue Themen und Problemlagen einstellen. Zudem wird bei der AfD in der Öffentlichkeit auch stets auf spezielle Ideologien verwiesen. Als drittes Element wird der andauernde Wahlkampfmodus der Partei genannt. Ihr Verhalten und Auftreten gleicht stets einer kämpferischen Haltung, wie sie bei anderen Parteien nur kurz vor Wahlen zu beobachten ist (vgl. Wodak 2016, S. 142).

Es kann also festgestellt werden, dass die Medien trotz der Kritik an ihnen durch die AfD ein notwendiges Mittel zur Verbreitung ihrer Themen und Durchsetzung ihrer Politik sind. Auch aufgrund zahlreicher ehemaliger Journalisten renommierter Zeitungen in Reihen der AfD wissen diese genau, wie sie mit den Mechanismen der Medien in der heutigen Zeit umgehen müssen.

Die Dämonisierung der klassischen Medien ermöglicht der Partei zudem, bei Wahlmisserfolgen die Schuld bei ihnen abzuwerfen. Dann heißt es, dass nur durch die „Lügenpresse“ und damit der Täuschung der Bürger die AfD nicht an die Macht gekommen sei. Man grenzt sich ab von der Elite, zu denen die klassischen Medien auch gehören, und hat gleichzeitig einen Sündenbock, wenn es nicht so läuft wie erwünscht. 

Die Rolle der Medien beim Erfolg der AfD

Nach Betrachtung der Selektionsmechanismen der konventionellen Medien drängt sich die Frage auf, ob es eine Mitschuld von Talkshows, Fernsehsendungen, Radiobeiträgen und anderen am Erfolg der AfD gibt. Tragen sie zum Aufstieg der Partei bei, indem sie ihnen vorrangig Sendezeit geben und oftmals ernsthafte Berichterstattung gegen das sogenannte „Politainment“ eintauschen? Oder spielen sie der AfD in die Karten mit der Art und Weise, wie sie über die Partei berichten beziehungsweise wie sie in den Medien dargestellt wird?

Die Politikwissenschaftlerin Karin Priester hat dazu einen klaren Standpunkt. Sie ist der Meinung, die Medien würden durch ihre populistische Art der Medienberichterstattung über Populismus eine Mitschuld an deren Erfolg und der Polarisierung des Volkes tragen:
„ Der Intention nach antipopulistisch, zeichnet sich die mediale Behandlung des Themas mehrheitlich durch jene Merkmale aus, die gerade dem Populismus zugeschrieben werden: Personalisierung, Simplifizierung, Moralisierung des politischen Diskurses und Polarisierung des politischen Feldes.“ (Priester 2015, S. 138)
Durch diese Art der Berichterstattung würden die Medien sich von dem „einfachen Pöbel“ abgrenzen und sich als die von den Rechtspopulisten verhasste Elite darstellen, die sich als etwas Besseres und intelligenter als die AfD-Anhänger fühlen. Dadurch werde die Situation nur noch verschlimmert, und durch das Gefühl, nicht verstanden und ernst genommen zu werden, würde die Polarisierung nur noch größer werden. Ihrer Meinung nach ist es also nötig, dass sich Medien konstruktiv und auf Augenhöhe mit den sogenannten „Populisten“ auseinandersetzen (vgl. Priester 2015, S.138-140).

Eine ernsthafte Auseinandersetzung und Diskussion in den Medien, so zum Beispiel der CDU-Politiker Polenz, würde die konstruierte Wahrheit und die Parolen der AfD-Politiker entlarven. Würde man die AfD aus den Medien ausschließen, gebe man ihnen die Märtyrerrolle gratis und sie würden sich bestätigt fühlen in ihrer Abneigung gegen Establishment und Elite (vgl. Alvarez, Sonja et al. 2016).

Nach Karin Priester und anderen Meinungen ist es also nötig, die Anhänger der AfD und die Partei in den Medien nicht einfach mit dem zum Schimpfwort gewordenen Begriff „Populisten“ abzustempeln, sondern sich konstruktiv und ernsthaft mit ihnen auseinanderzusetzen. Auch der Medienwissenschaftler Pörksen von der Universität Tübingen vertritt diese Meinung und argumentiert, wenn man behaupte, nur man selbst sei im Besitz der Wahrheit und die anderen würden nur Propaganda und Fake News verbreiten, dann wäre dies keine gute Basis für einen wirklichen Dialog und einen Austausch auf Augenhöhe (vgl. Pörksen 2017).

Andere dagegen argumentieren, man dürfe der AfD und ihren rassistischen Parolen keine Sendezeit geben und nicht über jeden Skandal und alles, was sie sagen, in aller Ausführlichkeit berichten. Zu einer guten Medienberichterstattung und einem seriösen Journalismus „gehört auch, nicht über jedes Stöckchen zu springen, das einem hingehalten wird [und] nicht jede krude These durch deren ernsthafte Diskussion aufzuwerten“ (Maas 2016).

Des Weiteren ermögliche man so der Partei, zur besten Sendezeit nicht überprüfte Falschaussagen zu tätigen, die sich in das Gedächtnis des Publikums einprägen. Eine Studie zur Überprüfung des Wahrheitsgehalts der getätigten Aussagen in Talkshows (mehr zur Studie faktenzoom.de) hatte ergeben, dass Frauke Petry, die häufig von der Lügenpresse spricht, selbst diejenige Person ist, die im Fernsehen mit knapp 30 Prozent am meisten Falschaussagen tätigt (vgl. Dorfer 2016).

Der Vorwurf an die Medien ist hier also eine oftmals „unkritische, unreflektierte Übernahme und Weitergabe von Bedrohungsrhetorik“(Gensing, Reisin 2016), indem dramatische Bilder und Begrifflichkeiten, ohne relativiert zu werden, im Raum stehen bleiben. Dadurch, dass menschenfeindliche und antidemokratische Botschaften von den klassischen, seriös erscheinenden Medien geadelt und vermeintlich abgesegnet werden, werden die AfD und ihre Parolen immer salonfähiger. Die Botschaften werden immer „denk-, sag und durchführbarer“ (Gensing, Reisin 2016) und die Partei werde nach und nach aufgewertet. Damit tragen die Medien nur sehr wenig zu einer konstruktiven Debatte bei. Sie stehen oftmals unter dem Verdacht, allein auf die Quote zu schauen und dadurch die inhaltliche Kompetenz gegen Verschwörungstheorien und den Show-Effekt einzutauschen, welche mehr Publikum anziehen (vgl. Gensing, Reisin 2016).

Allerdings muss bei all der Diskussion um die Schuld der Medien, auf die keine eindeutige Antwort zu finden ist, auch bedacht werden, warum sie gerade die Inhalte und Personen auswählen, die sie auswählen. Talkshows, in denen AfD-Politiker zu Gast sind und in denen häufig nicht auf allzu hohem Niveau diskutiert wird, haben oftmals die höchsten Einschaltquoten. Und dabei handelt es sich nicht nur um begeisterte AfD-Fans, sondern vermutlich auch um viele, die diese Art von skandalöser, personalisierter und emotionalisierter Politik sehen möchten.

Also anstatt immer die Schuld nur bei den Medien zu suchen, sollte überlegt werden, ob nicht auch jeder selbst eine Verantwortung dafür trägt. Die Medien richten sich zum größten Teil danach, was vom Konsumenten gefordert wird, was hohe Einschaltquoten bringt und sich gut verkauft. Es sollte also nicht nur ein Umdenken in der Behandlung der AfD durch die Medien geben, sondern auch eines bei Konsument, Publikum und Leser. 

AfD und soziale Medien - eine symbiotische Beziehung

Wären vergangenen Sonntag via Facebook die Bundestagswahlen abgehalten worden und die Zahl der Fans entspräche den Stimmanteilen, dann gäbe es einen klaren Sieger: die AfD mit etwa 33,3 Prozent der Stimmen (317.000 Facebook-Fans). So viel wie CDU (13,4%), SPD (13,7%) und FDP (6,5%) zusammen (Stand 25.02.17).

Das verdeutlicht, welch große Reichweite und welchen Erfolg die AfD in den sozialen Netzwerken hat und stellt damit ein komplett anderes Bild als in der Beziehung mit den herkömmlichen Medien dar. Schon ein halbes Jahr nach ihrer Gründung betrug die Anhängerzahl auf Facebook mehr als die der etablierten Parteien.

Doch nicht nur auf Facebook, auch in anderen sozialen Medien wie Twitter oder YouTube kann die AfD enorme Erfolge verbuchen. Viele der Merkmale, die den Umgang und Erfolg der AfD mit den herkömmlichen Medien kennzeichnen, tauchen auch in der Interaktion mit den sozialen Medien auf. Allerdings stellen die symbiotische Beziehung mit den sozialen Medien und der enorme Erfolg eine Besonderheit dar. Deswegen soll im Folgenden dieses Phänomen und seine Ursachen erklärt sowie mögliche Fehler der etablierten Parteien aufgezeigt werden.

Strategien der AfD in den sozialen Medien

„21,7 Milliarden Euro Asylkosten: Fass ohne Boden!“ steht auf einem Plakat, auf dem Frauke Petry zu sehen ist, die lächelnd in die Kamera schaut. „Willkommenskultur ist…wenn der Kindergarten eine Extremisten-Moschee besucht…“ ist geschrieben auf einem blauen Plakat, auf dessen Hintergrund Kindergartenkinder zu sehen sind und im Vordergrund ein arabisch aussehender Mann mit einem Patronengürtel und einem Gewehr steht. Ein Plakat mit einem symbolhaften Bild und nicht mehr als zehn Wörtern. Auf diesem Schema beruhen die allermeisten Posts der Facebook-Seite der AfD.

Anhand dieser zwei Beispiele werden schon sehr viele Merkmale, mit denen sich der Erfolg der AfD in den sozialen Netzwerken erklären lässt, erkennbar. Zum einen ist Politik, wie auch schon in Bezug auf herkömmliche Medien erläutert, immer auch eine „emotionale Arena“ (Wodak 2016, S. 141), das heißt, besonders großen Erfolg haben Botschaften, die die Grundgefühle der Menschen ansprechen (vgl. Wodak 2016, S. 141).

Aufgrund dessen, dass soziale Medien insbesondere „Sensationalisiertes, Zugespitztes und Dramatisiertes“ (Lobo 2016) bevorzugen, entstehe eine „Hyperemotionalisierung der politischen Sphäre“ (Lobo 2016). Als besonders effektiv stellen sich dabei Botschaften heraus, die Bedrohungsszenarien heraufbeschwören und die das Gefühl der Angst bei den Menschen ansprechen.

Zudem wird hier das in der Wissenschaft bekannte Stilmittel der Personalisierung angewandt. Auf fast allen Posts ist entweder das Bild eines Spitzenpolitikers der AfD zu sehen oder anklagend das eines Politikers einer anderen Partei. Das heißt, die Botschaften werden jeweils von einem Foto eines Politikers sowie großen Lettern und kurzen Statements unterstützt.

Der Journalist Lalon Sander beschreibt die recht simplen, doch höchst erfolgreichen Strategien des Auftrittes der AfD in den neuen Medien, welche unter anderem zu der großen Reichweite der jungen Partei auf Facebook, YouTube und Co. beigetragen haben. Der erste und sehr wichtige Schritt sei dabei das Benutzen von Bildern (vgl. Sanders 2013). So gut wie alle Posts der AfD auf Facebook werden durch eindrückliche und symbolhafte, oft emotionsbehaftete Bilder unterstützt. Allein das Bild des jeweiligen Posts weckt auch ohne die geschriebene Botschaft gewisse Assoziationen und oftmals das Gefühl von Angst, Wut oder Hass. Zudem werden die Botschaften meist in sehr kurzen, knappen und aussagekräftigen Sätzen formuliert, sodass die Aussage innerhalb von Sekunden aufgefasst und verstanden werden kann.

Dieses Konzept, durch knappe und eindrucksvolle Postings verbunden mit symbolhaften oder personalisierten Bildern die Gefühle und die emotionale Ebene der Menschen anzusprechen, scheint die AfD von allen deutschen Parteien am besten verstanden zu haben. Während auf den Facebook-Seiten der etablierten Parteien wie CDU und SPD Postings mit sehr langen Texten und weniger aussagekräftigen Bildern und Symbolen zu finden sind, scheint sich die AfD deutlich besser an die beschleunigte Gesellschaft angepasst zu haben.

Eine weitere Strategie stellt die hohe Interaktionsrate dar. Schon beim ersten Blick auf die Facebook-Seite fällt die rege Interaktion und Kommunikation mit den Anhängern auf. Das liegt zum einen daran, dass bei den etablierten Parteien noch sehr hierarchische Strukturen bestehen. Es ist ihnen nicht möglich, innerhalb kurzer Zeit auf Diskussionen, Fragen oder Anregungen ihrer Facebook-Fans zu reagieren. Diese müssen erst an die verantwortlichen Stellen weitergeleitet werden, und es müssen Berechtigungen eingeholt werden, ob und wie geantwortet werden kann.

Bei der AfD stellt sich dieser Prozess sehr viel einfacher dar. Auch wenn immer wieder vermutet wurde, die Social Media-Arbeit der Partei müsse von einem erfahrenen und kompetenten Team betrieben werden, wird mittlerweile davon ausgegangen, dass die gesamte Facebook-Arbeit auf ein AfD-Mitglied übertragen wurde und er die volle Befugnis hat, zu antworten, zu posten und zu kommunizieren, wie dies in einem lesenswerten Artikel in der FAZ beschrieben wird (vgl. Steppat 2016). Er kann vollkommen frei und vor allem unmittelbar agieren. Auf kostengünstige und schnelle Botschaften, die zielgruppengenau verbreitet werden, folgen auch meist rasche Rückmeldungen, aus denen ein Dialog und eine direkte Kommunikation mit potenziellen Wählern entsteht.

Noch besser stellt sich bei der Arbeit in den Sozialen Medien die Bitte um Interaktion dar, wenn sie mit einem konkreten Erfolgsziel verbunden ist. Oftmals lassen sich kämpferische Aufrufe zu Wettkämpfen beobachten, wie „Die Grünen liefern sich mit uns ein Like-Wettrennen, das können wir doch nicht zulassen“ (Sanders 2013). Meist ist es der herausgeforderten Person oder Partei in diesem Moment nicht bekannt oder bewusst, dass gerade dieses angebliche Wettrennen stattfindet. Dieses von der AfD häufig erfolgreich eingesetzte Prinzip lautet „Gamification“ und beinhaltet, dass eine Aufgabe zum Spiel gemacht wird und somit mehr Spaß und mehr Erfolg bringen soll. Es verschafft der AfD in kürzester Zeit neue Likes und vergrößert somit ihre Reichweite einfach und effizient (vgl. Sanders 2013).

Des Weiteren stellt sich die politische Arbeit in den sozialen Medien als besonders erfolgreich heraus, wenn Leute, die sich abgehängt fühlen, angesprochen werden (vgl. Sanders 2013). Viele Wähler der AfD haben das Gefühl, von der etablierten Politik nicht ernst genommen zu werden. Sie fühlen sich abgehängt, nicht gehört und nicht ernst genommen. Facebook bietet ihnen die Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen und ihre eigene Meinung mitzuteilen.

Aber noch viel wichtiger ist, dass man sie mit Menschen teilt, die ähnlich denken. Dieses Phänomen, das auch als „Filterblase“ bezeichnet wird, verursacht unter anderem, dass sich hauptsächlich Menschen mit denselben politischen Ansichten austauschen und dadurch bestätigt werden. Somit entsteht auf Facebook unter den Anhängern so etwas wie ein Paralleluniversum, in dem eine Interaktion zwischen Sympathisanten stattfinden kann und das Grundbedürfnis des Menschen nach Bestätigung gestillt wird.

Vorteile der sozialen Medien für die AfD

Da zwischen der rechtspopulistischen Partei und den konventionellen Medien oftmals eine angespannte Stimmung und Uneinigkeit herrscht, stellt sich die Verbreitung der eigenen Ansichten über Facebook, YouTube und Co. als sehr viel einfacher dar. Die Interaktion mit den Sympathisanten und Anhängern der Partei in den sozialen Medien läuft deutlich schneller ab, und es kann eine ungestörte Verbreitung der politischen Botschaften stattfinden.

Während bei Interviews mit Zeitungen oder im Fernsehen oftmals kritische Nachfragen aufkommen oder Falschaussagen enttarnt werden, können in den sozialen Medien ohne unangenehme Fragen oder störende Kritik Behauptungen verbreitet werden. Diese Behauptungen bleiben dann ohne lästige Journalistenfragen oder kontroverse Diskussionen als die einzig wahre und richtige Ansicht im Raum stehen.

Die AfD scheut die offene Auseinandersetzung mit den traditionellen Medien immer mehr und nimmt zunehmend die Berichterstattung über die eigene Partei selbst in die Hand, was an dem Beispiel deutlich wurde, als Journalisten vom Parteitag der AfD in Kehl in Baden-Württemberg im November 2016 ausgeschlossen wurden. Die Partei vermittelt zusätzlich ihren Mitgliedern das Gefühl, alle klassischen Medien seien „Lügenpresse“, verbreiteten nur Fake-News, und man könne nur noch der direkten Quelle der AfD vertrauen, da sie die einzigen seien, die die unbequeme Wahrheit aussprächen. Somit schafft die Partei nach und nach für ihre Mitglieder und Anhänger im Internet eine eigene Wirklichkeit.

Dieses Phänomen der eigenen und einzigen Wirklichkeit wird zusätzlich durch das Aufkommen von Fake-Seiten, Bots und Trollen verstärkt, die dazu beitragen, dass nach und nach verfälschte Meinungsbilder entstehen. Während für die Verbreitung von Nachrichten in den klassischen Medien ein Pressekodex und gewisse Regeln herrschen, die unter anderem die Sorgfaltspflicht oder die Achtung vor der Wahrheit und der Menschenwürde beinhaltet, findet die Verbreitung in den sozialen Medien völlig unkontrolliert und willkürlich statt.

Es wird immer leichter für Parteien und deren Anhänger, ungeprüfte, teils „irrsinnige“ Meinungen zu verbreiten. Durch die Anonymität sinken Empathie und Hemmungen, sich extrem oder politisch inkorrekt zu äußern, wodurch die sprachliche Verrohung immer weiter steigt. Zudem gehen Themen, die aktuell in der Debatte sind und aus denen die AfD oftmals durch ihr situatives Agieren in den neuen Medien Nutzen zieht, innerhalb kürzester Zeit viral.

Das bedeutet, dass die Botschaften nicht nur die direkten Facebook-Fans oder YouTube-Abonnenten der AfD erreichen, in Hochzeiten wird die Reichweite der Posts auf bis zu 5 Millionen Menschen geschätzt. Die Reichweite wird durch die Weiterverbreitung treuer Anhänger, das Teilen, Liken und Verschicken der jeweiligen Posts multipliziert und kann damit mit großen Zeitungen oder Fernsehsendungen, wie zum Beispiel auch den Einschaltquoten der Tagesschau, mithalten (vgl. Hillje 2016).

Die sozialen Medien ermöglichen der AfD im Gegensatz zu den konventionellen Medien also, immer wieder ungeprüfte, teils falsche Behauptungen exakt zugeschnitten auf das Weltbild der Partei und ihrer Anhänger zu verbreiten und damit Millionen von Menschen zu erreichen und teilweise zu überzeugen.

Veränderung der Medienlandschaft und Aufgaben der etablierten Parteien


Selbstverständlich setzen auch die anderen Parteien in Deutschland mehr und mehr auf die sozialen Medien zur Unterstützung ihrer Politik und im Wahlkampf. Aber sie hinken der AfD noch sehr hinterher. Durch die Verlagerung weg von den klassischen hin zu den neuen Medien scheint eine Krise des intermediären Systems in Gang gesetzt worden zu sein.
"Wir merken eigentlich an jeder Stelle durch die neuen sozialen Medien und die direkte Kommunikation im Internet, dieses Vermittlungssystem zwischen dem sogenannten Wähler oder Bürger und der politischen Elite, dass es übersprungen wird. Und das führt dazu, dass die klassischen Meinungsbildungsprozesse nicht mehr funktionieren. Und deswegen Leute, die direkt kommunizieren und andere Regeln befolgen dürfen, also Kraftausdrücke, Beleidigungen, Diskriminierungen benutzen dürfen, viel höhere Reichweiten generieren und viel höhere Aufmerksamkeiten.“ (Meyer 2016)
Das bedeutet, dass heutzutage die (sozialen) Medien kaum noch der klassischen Vermittlungsaufgabe zwischen Bürgern und Staat nachkommen können. Es gibt keine sorgfältig geprüfte Auswahl der Inhalte mehr, die eine möglichst pluralistische und mündige Meinungsbildung ermöglichen soll. Durch die Algorithmen der sozialen Medien und die dadurch entstehenden „Filterblasen“ kommt die Meinungsbildung über soziale Medien oftmals einer einseitigen Indoktrination gleich.

Individualisierte Suchergebnisse sorgen dabei eher für die Bestätigung der eigenen Meinung und der eigenen Ängste als für die Auseinandersetzung mit Gegenpositionen. Es werden kaum noch alternative oder entgegengesetzte Meinungen angeboten, sodass beim Leser die Annahme entsteht, er alleine wäre im Besitz der Wahrheit.

Von vielen Experten wird in der veränderten Mediengesellschaft ein klarer Auftrag an die klassischen Medien, aber auch an die Parteien gesehen. Medienwissenschaftler Joachim Trebbe von der Freien Universität Berlin rät, dass Fernseh-, Hörfunk- und Zeitungsredaktionen noch viel stärker als bisher bei Facebook, Twitter oder YouTube meinungsbildend sein müssten, um damit einen Beitrag zur Mündigkeit und pluralistischen Meinungsbildung der Bürger zu leisten (vgl. Meyer 2016).

Auch die Parteien müssten ihre Arbeit in den sozialen Netzwerken optimieren und ausweiten, um so vor allem die Gruppe der unter 49-jährigen Bürger, deren Hauptquelle für politische Themen soziale Netzwerke sind, abzuholen. Man dürfe nicht immer nur von der Bedrohung der neuen Medien sprechen, wie das Angela Merkel bei ihrer ersten Rede vor dem Bundestag nach ihrer Ankündigung einer abermaligen Kanzlerkandidatur bei der Wahl im kommenden Herbst tat, sondern das Potenzial sehen und nutzen (vgl. Lohse 2016). Denn die These, man könne die Wähler und Anhänger der AfD in den sozialen Medien sowieso nicht mehr erreichen, ist falsch. So wird dargestellt, dass sich die Waffe der AfD gegen sich selbst richten lässt:
„Facebook sammelt massenweise Daten über ihre Nutzer, weil es auf deren Basis Werbeplätze verkauft, die so attraktiv wie in keinem anderen Medium sind. Anders als im Fernsehen oder einer Zeitung kann der Werbetreibende genau bestimmen, wem seine Anzeige angezeigt wird. Wohnort, Alter, Bildungsgrad, Interessen – und darunter eben auch Parteipräferenz. So lassen sich alle Fans der AfD ansprechen.“ (Hillje 2016)
Das bedeutet, dass durch intensive Nutzung und politische Aufklärung sowie dem Anbieten von Alternativen zur vermeintlich einzig wahren Lösung auch „Filterblasen“ durchbrochen werden und Anhänger entgegengesetzter politischer Lager erreicht werden können.

Der Medienwissenschaftler Pörksen geht sogar noch weiter und ist der Meinung, dass in einer Gesellschaft, in der Parteien wie die AfD immer leichter Einfluss auf die politische Meinungsbildung der Bürger haben, sich ein „gigantischer gesellschaftlich noch überhaupt nicht verstandener Bildungsauftrag verbirgt“ (Pörksen 2016). Auf die Gefahren und Strategien rechtspopulistischer Parteien durch die neuen Medien lasse sich keine einfache, kurzfristige Lösung finden. Stattdessen sei es Aufgabe der Allgemeinbildung in Schulen, von Anfang an Grundideale eines seriösen und glaubwürdigen Journalismus zu vermitteln. Junge Menschen müssten in der Lage sein, relevante, verbreitungsreife und realistische Informationen zu erkennen und der Gefahr zu widerstehen, sich von einer Quelle vereinnahmen zu lassen (vgl. Pörksen 2016).

Schlusswort


Insgesamt lässt sich beobachten, dass es in den letzten Jahren einen Wandel der Medienlandschaft gab. Die 30 Sekunden-Nachrichten rücken immer weiter in den Fokus, gut recherchierter, fundierter und ausführlicher Journalismus dagegen geht immer mehr unter. Das spielt der populistischen, komplexitätsreduzierten und emotionalisierten Politik der AfD besonders gut in die Karten.

Auch verlagert sich das politikrelevante Mediengeschehen und die Informationsbeschaffung immer mehr auf das Internet und die sozialen Medien. Diese hat die AfD von Anfang an besser und intensiver genutzt als die etablierten Parteien und kann dort deswegen eine sehr viel größere Reichweite schaffen. Ob es einen Weg zurück zum seriöseren, mehr inhaltlich geprägten Journalismus gibt, der den populistischen Aussagen der AfD weniger Aufmerksamkeit schenkt, bleibt offen.

Dennoch lautet die klare Devise von Experten, dass auch die etablierten Parteien sich mehr dem Wandel der Zeit anpassen müssen und intensivere Medienarbeit im Internet betreiben sollten. Dabei sollten sie sich aber nicht dem Politainment" unterwerfen, sondern eine niveauvolle Berichterstattung und Debatte betreiben. Ob dieser Spagat zu schaffen ist, bleibt offen und zu beobachten.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass es zweifelsohne keine einzig richtige Antwort auf die Frage gibt, wie die Medien mit der AfD umgehen sollten. Zu komplex stellen sich dabei die Wechselwirkungen zwischen den Mechanismen der Medien und den Strategien der Partei dar. Es sollte aber eine Debatte über die Art und Weise der Medienberichterstattung über rechtspopulistische Parteien geben.

Des Weiteren sollte das Thema „soziale Medien“ in der Politik mehr in den Mittelpunkt der Diskussion rücken, und es sollten Lösungen zum Umgang mit dem Medienwandel gefunden werden. Wer anfangs noch glaubte, das Internet und dessen Einfluss auf die Politik sei nur vorübergehend und würde sich von selbst erledigen, der wurde spätestens jetzt, durch den Erfolg der AfD, aber auch anderen Rechtspopulisten im Ausland wie Trump oder Wilders vom Gegenteil überzeugt. Nur wenn über diese komplexen Fragen und Probleme gesprochen wird, können Lösungsansätze und Gegenstrategien für den Umgang mit Populisten in allen Medienformen gefunden werden. 

Literatur

Priester, Karin: Populismus in den Medien: Realität und Stigmawort. In: Hillebrand, Ernst (Hrsg.): Rechtspopulismus in Europa : Gefahr für die Demokratie? Bonn: Dietz Verlag J.H.W. 2015. S. 138-145

Sarcinelli, Ulrich: Politische Kommunikation in Deutschland : Medien und Politikvermittlung im demokratischen System. 3. Aufl.. Berlin Heidelberg New York: Springer-Verlag, 2011.

Wodak, Ruth: Politik mit der Angst : Zur Wirkung rechtspopulistischer Diskurse. Salzburg: Satzweiss.com, 2016. 

Internetquellen

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Pörksen Bernhard (im Gespräch mit Dina Netz) (2017): "Es gibt nicht mehr den einzig mächtigen Gate Keeper" Zugriff am 27.02.2017 unter: http://www.deutschlandfunk.de/journalismus-es-gibt-nicht-mehr-den-einzig-maechtigen-gate.691.de.html?dram:article_id=376142

Sander, Lalon (2013): Sei so erfolgreich wie die „AfD“. Zugriff am 01.03.2017 unter: http://www.taz.de/!5064873/

Steffen, Tillman (2016): Provozieren, relativieren, dementieren. Zugriff am 16.02.2017 unter: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-05/afd-jerome-boateng-alexander-gauland-frauke-petry-medien-bjoern-hoecke

Steppat, Timo (2016): Das Bauchgefühl der AfD. Zugriff am 22.02.2017 unter: http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/afd-durch-ausgekluegelte-internetstrategie-gross-geworden-14221660.html

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