Freitag, 24. Juni 2016

Themen und Rhetorik der Rechtspopulisten

Die Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak analysiert den Rechtspopulismus in ihrem Buch "Politik mit der Angst. Zur Wirkung rechtspopulistischer Diskurse" (Edition Konturen 2016) aus diskursanalytischer Sicht. Sie unterscheidet 14 Themenfelder des Diskurses, in denen sich Populisten als selbsternanntes "Sprachrohr" des "wahren Volkes" von den "Anderen" (Eliten, Intellektuelle, Fremde etc.) abgrenzen (vgl. Grafik auf S. 66):
  1. Immigration, Migranten, Asylbewerber
  2. Kulturelle und Familienwerte
  3. Die "Heimat" - die Nation und ihre große Geschichte
  4. Geschlechterpolitik
  5. Die "reine" Sprache - Muttersprache
  6. Globalisierung
  7. Okzident gegen Orient - Christentum gegen Islam und Judentum
  8. Kommunismus
  9. Staatsbürgerschaft und Zugehörigkeit - das "reine Volk"
  10. Sicherheit, Recht und Ordnung
  11. EU- und Euro-Skepsis
  12. Marktwirtschaft
  13. Demokratie und das Volk
  14. Privilegien und Korruption
Offensichtlich überschneiden sich diese Diskurse vielfältig. Je nach Land (mit der jeweiligen Geschichte) und aktueller Situation stehen andere Themen im Vordergrund, insgesamt aber verschafft Wodaks Auflistung einen validen Überblick. Hinzu kommen 9 wichtige Topoi im rechtspopulistischen Diskurs (vgl. Synopse auf S. 69):
  1. Wenn das Volk eine Handlung will / nicht will, dann soll diese Handlung erfolgen / nicht erfolgen.
  2. Wenn ich / wir die Macht habe/n, dann garantiere/n ich / wir für Recht und Ordnung.
  3. Weil die Kultur einer bestimmten Gruppe von Leuten ist, wie sie ist, entstehen spezifische Probleme in spezifischen Situationen.
  4. Wenn eine Person, eine Institution oder ein "Land" durch spezifische Probleme belastet wird, dann sollten Maßnahmen ergriffen werden, um diese Belastung zu verringern.
  5. Wenn eine Gefahr besteht oder naht, dann muss man sich wehren und ihre Ursachen bekämpfen.
  6. Wenn ein "Volk", ein "Land" oder eine Institution in Not ist, dann wird eine bestimmte Person auftauchen und dieses "Volk", "Land" oder diese Institution retten.
  7. Wenn ich / wir die Macht habe/n, dann wird das Volk demokratisch mitbestimmen.
  8. Wenn eine bestimmte Handlung aus einer spezifischen Sicht als nützlich erscheint, dann sollte sie durchgeführt werden.
  9. Wenn eine Handlung in der Vergangenheit einer Person oder einem "Land" gedient / geschadet hat, dann wird es sich in der Gegenwart oder Zukunft ähnlich verhalten.
Die Grundelemente der Rhetorik fasst die Autorin folgendermaßen zusammen (Hervorhebungen im Original, S. 142, 144):
Rechtspopulistische Rhetorik kombiniert mehrere Elemente: spezielle Themen, die angesprochen werden, spezielle Ideologien, die in Äußerungen und Auftritte einfließen, Strategien kalkulierter Ambivalenz und Provokation, mit denen absichtlich ... Skandale erzeugt und wieder deeskaliert werden, sowie ein andauernder Wahlkampfmodus, ein ständig antagonistischer Habitus, der mit den bisher für Verhandlungen und Kompromisse akzeptierten Konventionen nicht vereinbar ist (...). An die Gefühle zu appellieren, ist fester Bestandteil rechtspopulistischer Rhetorik.
All diese Diskurse, Topoi und rhetorischen Mittel haben sich, so die Autorin, bereits in den 1990er-Jahren bei Haider und "seiner" FPÖ in Österreich gezeigt (S. 199f.):
Eine rechtspopulistische Partei vertritt eine Ideologie, die aus revisionistischer Geschichtsschreibung (...), nativistisch-chauvinistischer Konstruktion einer deutschen Kulturnation (...), einwanderungsfeindlicher, islamophober und antisemitischer Rhetorik (...) besteht sowie einer Inszenierung von Politik, die bald die Grenzen zwischen Unterhaltung und ernsthafter Politik verwischen würde - zwischen Fiktionalisierung von Politik und Politisierung von Fiktion (...). [Die rechtspopulistische Rhetorik] richtete sich gegen "die da oben", bestand aus antielitären und antiintellektuellen Kampagnen gegen "Brüssel" und die EU, gegen Korruption und Privilegien der Eliten, unterstützte eine konservative Familien- sowie eine traditionelle Genderpolitik und präsentierte sich als "Retter" des "Mannes und der Frau auf der Straße" oder eines imaginierten homogenen "wahren und echten österreichischen Volks". Unter Haiders Führung stellte sich die FPÖ als national-soziale Bewegung dar und spielte immer wieder deutlich auf nationalsozialistische Parolen an. Alle für rechtspopulistische Ideologien charakteristischen Merkmale (...) waren bereits in den 1990er-Jahren vorhanden (...). Konstruktion von Sündenböcken, Opfer-Täter-Umkehr, Verharmlosung und Leugnung wie auch das Lancieren von Verschwörungstheorien waren (...) unter den häufigsten diskursiven Strategien, die dazu dienten, Wähler und Wählerinnen, Zuhörer oder Zuschauer von "notwendigen" politischen Maßnahmen zu überzeugen. Dazu gehörte die Beschränkung von Einwanderung ..."

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