Freitag, 17. Juni 2016

Politikwissenschaftliche Erklärung für Rechtspopulismus

Am Beispiel von Pegida illustriert der in Dresden, also "in der Höhle des Löwen" lehrende Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt eine Erklärung für Rechtspopulismus als Antwort auf eine "Repräsentationslücke". In seinem Aufsatz "Die Sorgen der Leute ernst nehmen!" (APuZ 40/2015, S. 17-21, Online-Version) geht er von der Beschreibung einer idealen repräsentativen Demokratie aus:
In einer perfekten repräsentativen Demokratie verhielte es sich so: Es gäbe eine Reihe bewährter, staatstragender Parteien, die zwar unterschiedlichen Weltsichten und Prioritäten folgten, doch so weit in ihren Grundwerten und ihren Tatsachenwahrnehmungen übereinstimmten, dass kein Bürger vor einem Regierungswechsel wirklich Angst hätte, sondern ihn wie das vielleicht unangenehme, doch immer wieder nötige Öffnen von Fenstern zur Winterzeit empfände. Diese Parteien wären so sensibel für jene Teile der Gesellschaft, in denen sie wurzeln oder ihre Unterstützer finden, dass sie dort aufkommende Ideen, Interessen und Problemempfindungen rasch bemerkten, sie aus ihrem Verursachungszusammenhang heraus verstünden, das Aufkommen neuen Handlungsbedarfs akzeptierten, aus dem eigenen Werte- und Interessenhorizont zielführende Maßnahmen entwickelten, sodann bei der Bürgerschaft um politische Unterstützung einkämen und am Ende, vor oder nach Wahlen, problemlösende Entscheidungen träfen sowie wirkungsvoll umsetzten. Alle Teile der Bevölkerung wären dann durch gerade ihnen gegenüber responsive sowie politisch erprobte Parteien repräsentiert; und bei Wahlen ließe sich darüber entscheiden, welchen Kurs – von mehreren angebotenen, allesamt halbwegs vernünftigen Lösungswegen – die künftige Regierung einschlagen soll. (S. 18/19)
In der Realität klappt das leider nicht durchgängig, es entstehen "Repräsentationslücken":
Ein Teil der Bürgerschaft fühlt sich von den etablierten, die bestehende politische Ordnung tragenden Parteien im Stich gelassen. Genau dann öffnet sich Raum für Protest- und Alternativparteien, können gleichsam brachliegende Politikfelder von neuen politischen Kräften bestellt werden. (S. 19)
Im Fall von Pegida handelt es sich laut Patzelt im wesentlichen um die folgenden Politikfelder:
Klar ist hingegen, dass die Ursachen jener Sorgen, die sich bei Pegida Luft gemacht haben, weiterhin bestehen: vom passiv hingenommenen Einwanderungsgeschehen und den Problemen, die beim Wandel hin zu einer Einwanderungsgesellschaft entstehen, über sich verschärfende Verteilungskonflikte im unteren Drittel unserer Gesellschaft bis hin zum risikoreichen Umgang mit Russland. (S. 21)

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